CALL FOR PAPERS
Diagrammatik der Architektur
Workshop am 28./29. Januar 2011
Kunsthistorisches Institut der Universität zu Köln
Deadline 1.4.2010
Ist das "unruhige Enzephalogramm, das J.G. Ballard in seinem dystopischen
Klassiker "high-rise" 1975 mit der Silhouette von London gleichsetzt, schon
gelesen worden? Oder selbstkritischer gefragt: Warum kann das Diagramm einen
wesentlichen Aspekt zeitgenössischer Bildtheorie darstellen, während es im
architektonischen Diskurs weit eher die Praxis beziehungsweise eine
unmittelbar auf diese bezogene Theoriebildung dominiert? Dieses
Ungleichgewicht scheint um so erstaunlicher, als diagrammatische Verfahren
alle Bereiche des architektonischen Diskurses durchziehen. Besonders
offensichtlich gilt dies für Exponenten eines reflektierten Umganges mit
dieser Technik wie Peter Eisenman und Christopher Alexander. Die
"Diagrammanie" (Themenheft Daidalos 1999) kann aber auch als eine der
wichtigsten Methoden gelten, mit der Entwurfsverfahren, oft ex post in
wissenschaftlichen Formen überhöht oder einem medienträgen Publikum nahe
gebracht werden. Liest man derartige geometrische Schemata als Diagramm, so
eröffnet sich die grundsätzliche Frage, ob nicht der überwiegende Teil
konventioneller graphischer Architekturrepräsentationen in dieser Weise zu
deuten ist. Nicht nur das Element einer geometrischen Konstruktion, das seit
Vitruv fester Bestandteil architektonischen Selbstverständnisses ist, sondern
auch der operative Charakter, also das Entwerfen mit und Maßnehmen an den
klassischen Orthogonalprojektionen verbinden diese mit diagrammatischen
Verfahren. Ein in dieser Weise verstandener diagrammatischer Diskurs würde
auch gebaute Architektur umfassen, sei es in Form eines musikalischen
Wohlklanges, der in den pythagoräischen Proportionen eines Gebäudes umgesetzt
wurde oder als ein in Beton gegossenes Funktionsdiagramm der klassischen
Moderne. Besonders eklatant wird diese Beziehung in den Vektoren des
Frühneuzeitlichen Festungsbaus, welche in die Trajektorien potentieller
Projektile eingeschrieben sind und selbst als Teil einer "diagrammatischen
Reorganisation" territorialstaatlicher Raumordnung gedeutet werden können,
wie Wolfgang Schäffner (2003) jüngst hervorhob.
Ein Workshop am Kunsthistorischen Institut der Universität zu Köln soll im
März 2010 die unterschiedlichen Ansätze der Kunstgeschichte, Diagramme im
Spannungsfeld zwischen Zeichen und Bild, Text und Medium, geometrischer
Abstraktion und den Prozessen von Kognition und Vermittlung zu definieren,
für die Architekturgeschichte fruchtbar machen. Dabei stehen alle Epochen und
Gattungen zur Diskussion, von der Praxis der Architektur bis zur
Epistemologie des Diagramms.
Anknüpfungspunkte bieten dabei eine ganze Reihe von Untersuchungen der
letzten 20 Jahre. Für den Bereich der Bildwissenschaft sind etwa Gottfried
Boehm, Felix Thürlemann, Steffen Siegel und Steffen Bogen wichtige
Exponenten, für die Wissenschaftsgeschichte Andreas Gormans, für die
Architektur von Mittelalter und Früher Neuzeit Ulrike Maria Bonhoff und
Wolfgang Schäffner, für die Heraldik Kilian Heck. Von hoher Bedeutung sind
aber auch Konzepte, welche auf die erkenntnistheoretische und soziale
Dimension zielen, so postulierte Werner Sewing eine hohe Bedeutung der
Diagrammatik im Sinne von Deleuze, Goodman und Peirce für den Pragmatismus
als Rahmen des amerikanischen Architekturverständnisses (Werner Sewing 2001).
Zudem bieten die aktuellen Ergebnisse von Tagungen wie "Bildsprache -
Visualisierung - Diagrammatik" (1991ff.) oder "Diagrammatik" (2010)
methodisches Potential.
Die Veranstaltung versteht sich als Arbeitsgespräch, eine Publikation der
Vorträge im Rahmen eines im Internet weitergeführten Diskussionsforums ist
geplant. Zudem bietet sich die Möglichkeit, aktuelle studentische Projekte zu
diesem Thema zu diskutieren, die im WS 2010/11 im Rahmen eines
Projektseminars (Kristin Böse/Julian Jachmann) zu visuellen Techniken der
Kunstgeschichte erarbeitet werden sollen. Eingeladen sind Forscher aus allen
Fachbereichen, die mit visueller Kommunikation befasst sind, wobei
Schwerpunkte auf den Disziplinen Bildwissenschaft, Architekturgeschichte,
Architekturtheorie, Stadtbaugeschichte und Stadtsoziologie liegen sollen.
Über die Einsendung eines kurzen Exposés bis zum 1.4.2010 würden wir uns sehr
freuen!
Dr. Julian Jachmann
Universität zu Köln
Kunsthistorisches Institut
Abteilung Architekturgeschichte
Albertus-Magnus-Platz
50923 Köln
jjachmanuni-koeln.de
Quellennachweis:
CFP: Diagrammatik der Architektur (Koeln, 28-29 Jan 2011). In: ArtHist.net, 16.01.2010. Letzter Zugriff 19.04.2025. <https://arthist.net/archive/32218>.