Design-Erkundungen: Dinge im Kontext
Die Fachgruppe Wissenschaftlich-Theoretische Grundlagen (Leiter:
Professor Dr. Thomas Pöpper) der Fakultät für Angewandte Kunst an der
Westsächsischen Hochschule Zwickau veranstaltet im Wintersemester
2012/2013 eine Vortrags- und Ringvorlesungsreihe zum Thema
„Design-Erkundungen. Dinge im Kontext“ (eine Fortsetzung im
Sommersemester 2013 ist geplant).
Hierfür werden Beiträge von ca. 30 Minuten Länge gesucht, die sich
exemplarisch oder systematisch mit (Gebrauchs-) Dingen des Design
(vornehmlich des 19.-21. Jahrhunderts) oder auch mit (Nutz-)
Gegenständen der angewandten Kunst (von der Antike bis zur Gegenwart)
befassen und die Frage beantworten, ob und inwiefern durch diese
Artefakte und deren (sachgemäßen) Gebrauch Menschen zu einem bestimmten
gestischen (Ver-) Halten oder einer zielgerichteten Handlung
beziehungsweise zu einer bestimmten und bedeutungsvollen (Körper-)
Stellung und – dadurch bedingt – zu einer anschaulichen und
interpretierbaren (äußeren) Haltung verleitet beziehungsweise gezwungen
werden. Es gilt dabei die These zu verifizieren, dass der intentionale
Dinggebrauch, also der typische Umgang des Menschen mit seinen Dingen
jeweils einen ikonischen (Mehr-) Wert generiert, mithin ein situatives
Bild vom Ding figuriert, welches das eigentliche wiedererkennbare und
gesellschaftlich (z.B. symbolisch) konnotierte ‚Gebrauchsmuster‘ der
Mensch-Ding-Konfiguration abgibt (für ein ausführliches ‚mission
statement‘ siehe weiter unten).
Eine Buchpublikation ausgewählter Beiträge ist vorgesehen für 2013.
Bewerbungen (mit Abstract, kurzem CV und Publikationsliste) bitte bis
11. Juni 2012 als pdf-Datei per E-Mail an:
thomas.poepperfh-zwickau.de.
Professor Dr. phil. Thomas Pöpper, MA
Angewandte Kunst Schneeberg
Fakultät der Westsächsischen Hochschule Zwickau
Goethestr. 1
D-08289 Schneeberg
www.fh-zwickau.de/aks und www.fh-zwickau.de/index.php?id=6065
Ausführliches ‚mission statement‘:
Menschen machen, besitzen und benutzen Dinge – und Dinge besitzen Macht
über Menschen. Designtheoretische Konzepte, welche die nicht ein-,
sondern stets wechselseitigen Mensch-Ding-Beziehungen beschreiben,
haben bereits seit Längerem Konjunktur (Stichwort: Ding-Theorien).
Es ist in der Tat nicht zu übersehen, dass in vielfältigen Bereichen
des menschlichen Lebens Dinge keineswegs bloß Nebensachen mit
Objektstatus darstellen, etwa als schmückende Accessoires, funktionale
Hilfs- und Arbeitsmittel oder auch als symbolische Attribute. Vom
Menschen gemachten Dingen ist vielmehr – und vielleicht schon seit
jeher – ein einmal stärkerer, ein andermal schwächerer Subjektstatus
inhärent: Dinge werden zuweilen zu einem veritablen Gegenüber des
Menschen. Dann wohnt ihnen ein wirklicher, das heißt auch
eigenwirksamer Charakter inne, der mitunter den Menschen in seinem
Verhalten beziehungsweise in seiner Haltung regelrecht formt (so wie
der Mensch zuvor das Ding geformt bzw. designt hat). Der Mensch,
gleichviel, ob als Bediener eines mittelalterlichen Aquamanile oder
eines aktuellen Smartphone, erscheint in dieser Perspektive als Weitung
bzw. Erfüllung des Dings: Er wird zur Ding-Funktion. Sein Hinzutreten
erst ergibt die (vom mutmaßlichen Ding-Gestalter bewusst oder
unbewusst) intendierte beziehungsweise verursachte ‚Kon-Figuration‘ (im
Sinne von: das Ding mit dem Menschen). Und erst das tätige Mitmachen
und Verhalten der ‚Figur‘ (also des Menschen, des ‚Users‘) erzeugt das
typische Gebrauchsbild des Dinges, sei es als feierlich-zeremonielle
Verbeugung beim Ausgießen des Wassers aus einem (eigentlich stets
reichlich unhandlich gestalteten) Aquamanile oder sei es im
ruhelos-nervösen Vollführen geheimnisvoll-beschwörender Gesten über
einem Display eines (eigentlich betont ‚handy‘, also handlich
eingerichteten) Smartphone. Ding und Mensch gehen – so gesehen – eine
nur im situativen und performativen Zusammenhang verständliche, auch
ikonische, also buchstäblich bildgebende Konstellation ein.
Richtig ist, dass das Ding – das, wenn das Zuvorgesagte zutreffen
sollte, nur grammatikalisch ein Neutrum zu sein scheint – mit dem
Menschen interagiert. Und viele Menschen haben – heute mehr denn je –
den Eindruck, dass das Ding nicht bloß auf sie reagiere, sondern sie
sogar regiere. Wenn dies ebenfalls stimmt, kann es nicht länger darum
gehen, Dinge des Designs lediglich positivistisch zu betrachten oder
‚objektiv‘ (und mit einer eingeführten kunsthistorischen Methodik)
deskriptiv zu analysieren und kulturhistorisch zu fragen: Wie und warum
ist das Ding?
Die Leitfragen einer zeitgemäßen konzeptuell-kritischen
Design-Erkundung müssen vielmehr lauten: Welchen Charakter hat das
Ding?, Wie wirkt das Ding auf den Menschen ein? und genauer: Welches
Verhalten, welche gestischen Handlungen und welche psychologischen
Haltungen provoziert es beim Menschen? – Allesamt Fragen, die die
Artefakte nicht allein als Produkte, Werkzeuge oder als autonome
Ästhetizismen verhandeln, sondern als veritable Akteure im sozialen,
jedenfalls aber phänomenologischen Kontext des Menschen.
Solcherart ‚subjektiviert‘ werden die „Design-Erkundungen“ den
ambivalenten Wirkweisen von Dingen und ihren komplexen Interaktionen
mit Menschen Rechnung tragen.
Quellennachweis:
CFP: Dinge im Kontext (Schneeberg, Oct 12-Jan 13). In: ArtHist.net, 26.04.2012. Letzter Zugriff 22.05.2025. <https://arthist.net/archive/3172>.