CONF 09.09.2008

Kunst-Transfers (Dresden, 2 Oct 08)

Kathrin Iselt

Kunst-Transfers. Thesen und Visionen zur Restitution von Kunstwerken.
Eine Tagung der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden anlässlich des
deutschen Historikertages 2008 in Dresden, Residenzschloss Dresden,
2. Oktober 2008

Veranstalter: Staatliche Kunstsammlungen Dresden

Termin: Donnerstag, 2. Oktober 2008, 10 bis 18 Uhr
10 bis 16 Uhr Vorträge
16 bis 18 Uhr Diskussion

Ort: Residenzschloss Dresden, Eingang Sophienstraße, Hans-Nadler-Saal

Eintritt: Die Teilnahme ist frei

Moderator: Stefan Koldehoff (Deutschlandfunk)

Weitere Informationen: Gilbert.Lupferskd-dresden.de, Tel. (0351)
4914 7538

Ein Ereignis und zwei Jahrestage sind für die Staatlichen
Kunstsammlungen Dresden der Anlass, sich - kritisch resümierend und
gleichzeitig konstruktiv nach vorn blickend - damit auseinander zu
setzen, wie man heute mit den Folgen der großen Kunstverschiebungen
umgeht, die als Konsequenz des NS-Terrors und des Zweiten Weltkrieges
in der Mitte des 20. Jahrhunderts stattgefunden haben - und deren
Folgen immer noch virulent sind.

Das Ereignis ist der Deutsche Historikertag, der unter dem Motto
„Ungleichheiten“ 2008 in Dresden stattfindet. Die Tagung der
Staatlichen Kunstsammlungen Dresden gehört zu den
Sonderveranstaltungen des Historikertags; das Motto „Ungleichheiten“
wird aufgenommen, indem auch nach unterschiedlichen Entwicklungen in
der Museumslandschaft Ost- und Westdeutschlands zwischen 1945 und
1989 und deren Folgen gefragt wird.

Der erste Jahrestag, im September 2008, ist die 50. Wiederkehr der
Rückkehr eines Großteils derjenigen Kunstwerke, die 1945 von der
Roten Armee aus den ostdeutschen Museen in die Sowjetunion gebracht
worden waren. 1955 wurden überraschend die Gemälde aus der Dresdner
Gemäldegalerie zurückgegeben. 1958 übergab die UdSSR dann die bisher
in Moskauer, Leningrader und Kiewer Depots verborgenen Stücke der
DDR, und via Ostberlin gelangten sie an ihre alten Standorte zurück.
Allerdings fehlen bis heute noch Tausende von sogenannten Beutekunst-
Stücken. Die Regierungsverhandlungen über diese Problemfälle sind ins
Stocken geraten, das russische Parlament hat Position gegen die
Rückgabe offizieller „Trophäen“ bezogen - eine für beide Seiten
akzeptable Lösung ist nicht abzusehen.

Der zweite Jahrestag ist die 10. Wiederkehr der „Washingtoner
Konferenz“, auf der sich 1998 Vertreter von mehreren Dutzend Staaten
damit auseinander setzten, wie die Suche und Rückgabe von geraubtem
oder enteignetem jüdischen Kunstbesitz zukünftig effektiver gestaltet
werden könne. Als Ergebnis wurden am 3. Dezember 1998 die „Grundsätze
der Washingtoner Konferenz in Bezug auf Kunstwerke, die von den
Nationalsozialisten beschlagnahmt wurden“ (besser bekannt als
„Washingtoner Erklärung“) veröffentlicht. Seither hat sich zwar viel
getan, doch immer wieder wird vor allem den deutschen Museen
vorgeworfen, sie seien nicht engagiert genug. Über diese Kritik, über
Versäumnisse, Erfolge und neue Ziele wäre zu reden.

Die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden gehören zu den Museen in
Deutschland, für die beide Jahrestage von großer Bedeutung sind.
Einerseits vermissen sie seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges
Bestände in beträchtlichem Umfang und vermuten noch manches Stück in
Osteuropa, in Museen wie in privaten Sammlungen. Auf der anderen
Seite ist die Suche nach entzogenem oder geraubtem jüdischen
Kunstbesitz für die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden von
besonderer Bedeutung, da sie personell (durch Personalunion der
Galeriedirektoren Hans Posse und Hermann Voss) in die Planungen und
Akquisitionen für Hitlers geplantes Museum in Linz verstrickt waren.

Aus dieser besonderen Verpflichtung heraus – aber auch angesichts von
ungeklärten Provenienzen, die aus der unmittelbaren Nachkriegszeit
resultieren – haben die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden 2008 mit
einem umfassenden und mehrjährigen, von der sächsischen
Staatsregierung unterstützten Recherche-, Erfassungs- und
Inventurprogramm begonnen, an dessen Ende alle bislang noch offenen
Provenienzfragen geklärt sein sollen.

Die Konferenz „Kunst-Transfers. Thesen und Visionen zur Restitution
von Kunstwerken.“ wird eine Zwischenbilanz ziehen und Perspektiven
entwickeln. Ihr „roter Faden“ ist die Frage, wie und in welcher Form
die politisch bedingten, teilweise gewaltsamen „Kunst-Transfers“ des
20. Jahrhunderts rückgängig gemacht werden können oder in welcher
anderen Form damit umgegangen werden kann. Dabei soll keine
nivellierende Gleichsetzung der „Beutekunst“-Problematik mit Fragen
der Restitution jüdischen Kunstbesitzes erfolgen, sondern die beiden
Felder auf ihre Gemeinsamkeiten und ihre Unterschiede hin untersucht
werden.

Einige – bewusst zugespitzte – Fragen sollen zur Auseinandersetzung
anregen:

- Die „Washingtoner Konferenz“ hat für eine größere Sensibilität
gesorgt, auch in den Museen. Doch geht diese weit genug? Sind Mängel
in der Provenienzforschung nur eine finanzielle Frage?

- Die Restitutionsdebatte hat sich verschärft, der Druck auf die
Museen hat zugenommen. Liegt dies vor allem an den „explodierenden“
Kunst-Preisen und der wachsenden Zahl von Akteuren?

- Geht in der Restitutionsdebatte Recht vor Moral, geht Moral vor
Recht – oder lässt sich beides verbinden? Kann eine reformierte
Schiedskommission Lösungswege aufzeigen, oder müsste verstärkt auf
den Rechtsweg gesetzt werden?

- Zeichnen sich in Osteuropa neue Interessenskoalitionen ab? Sowohl
Museen aus Deutschland als auch jüdische Eigentümer reklamieren dort
Kunstwerke.

- Ist es noch realistisch, weiter auf der Rückgabe von Kunstwerken
aus Russland und anderen Nachfolgestaaten der Sowjetunion zu bestehen
– oder sind neue, kreative Lösungen gefragt?

- Sind die Museen im Westen Deutschlands – trotz eines Vorsprungs
von mehr als vier Jahrzehnten – mit der Aufarbeitung ihrer
Vergangenheit tatsächlich nicht weiter gekommen als die Museen im Osten?

Mit diesen und anderen Fragen werden sich Kunsthistoriker, Historiker
und Museumsleute, Juristen und Politiker aus verschiedenen Ländern
auseinander setzen. Im ersten Teil der Tagung werden die
historischen, rechtlichen, moralischen und politischen Dimensionen
skizziert. Der zweite Teil dient der Darstellung von Aspekten sowohl
zur Restitution jüdischen Kunstbesitzes als auch zu Kriegsfolgen.
Schließlich wird eine Podiumsdiskussion aller Referenten nach neuen
Perspektiven suchen.

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Vorläufiges Programm (weitere Gäste sind angefragt):

„Kunst-Transfers. Thesen und Visionen zur Restitution von
Kunstwerken.“ Wissenschaftliche Tagung und Podiumsdiskussion der
Staatlichen Kunstsammlungen Dresden im Rahmen des Deutschen
Historikertags 2008 in Dresden

Zeit: 2. Oktober 2008, 10 bis 18 Uhr, Podiumsdiskussion 16 bis 18 Uhr
Veranstaltungsort: Residenzschloss Dresden, Hans-Nadler-Saal
Veranstalter: Staatliche Kunstsammlungen Dresden
Grußwort: Martin Roth, Generaldirektor der Staatl. Kunstsammlungen
Dresden
Moderation: Stefan Koldehoff (Köln)

10.00 Uhr bis 12.30 Uhr: Eröffnung und Vorträge
12.30 Uhr bis 14.00 Uhr: Mittagspause
14.00 Uhr bis 16.00 Uhr: Vorträge
16.00 Uhr bis 18.00 Uhr: Podiumsdiskussion

10.00 Eröffnung durch MARTIN ROTH, Generaldirektor der Staatlichen
Kunstsammlungen Dresden

Einführung in die Thematik durch STEFAN KOLDEHOFF

11.00 STEFFEN REICHE (MdB, Berlin)
Politische Überlegungen zum Problemfeld der Restitution von Kunst-
und Kulturgütern (Arbeitstitel)

11.30 JUTTA LIMBACH (Berlin): angefragt
Zwischen Recht und Moral – die Arbeit der Schiedskommission
(Arbeitstitel)

12.00 BENEDICTE SAVOY (TU Berlin)
„An Bildern schleppt ihr hin und her…“ – Restitutionen und Emotionen
in historischer Perspektive

12.30 Mittagspause

14.00 Zwischenresümee durch STEFAN KOLDEHOFF

14.15 GILBERT LUPFER (SKD)
Provenienzrecherche und Restitution als moralische, wissenschaftliche
und logistische Herausforderungen für Museen

14.45 GEORG HEUBERGER (Conference on Jewish Material Claims against
Germany)
Restitutionspraxis in Deutschland – eine Zwischenbilanz aus Sicht der
NS-Opfer (Arbeitstitel)

15.15 NATALIA VOLKERT (Johannes Gutenberg-Universität Mainz)
Beutekunst in Russland im Spannungsfeld der Restitutionsproblematik
(Arbeitstitel)

16.00 Podiumsdiskussion

Quellennachweis:
CONF: Kunst-Transfers (Dresden, 2 Oct 08). In: ArtHist.net, 09.09.2008. Letzter Zugriff 21.09.2025. <https://arthist.net/archive/30674>.

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