CFP 01.02.2008

Collecting and Transforming Knowledge (Lucerne, 1-6 Jun 08)

Tina Asmussen

08)

Collecting and Transforming Knowledge in Early Modern Europe
Lucerne Summer School, June 1-6, 2009

Das Historische Seminar der Universität Luzern und das Pädagogische
Institut der Universität Zürich gemeinsam mit dem Department of History,
Princeton University veranstalten vom 1. bis zum 6. Juni 2009 eine
Sommerakademie mit dem Titel Collecting and Transforming Knowledge in
Early Modern Europe. Der Kurs mit renommierten Dozierenden aus der
Schweiz, Deutschland, Grossbritannien und den USA findet in Luzern statt
und richtet sich an besonders qualifizierte Doktorierende.

Die Sommerakademie widmet sich der kulturellen Bedeutung von Wissen in
der Frühen Neuzeit. Wissen soll dabei nicht als aus sich selbst
entstanden oder als reine Idee aufgefasst werden, sondern als ein
Ergebnis sozialer Praktiken und kultureller Aushandlungsprozesse. In
diesem Sinn möchte der Graduiertenkurs mit Blick auf die Frühe Neuzeit
Wissen und die Praktiken seiner Produktion und Distribution
historisieren, in ihren kulturellen und gesellschaftlichen Kontexten
eingebettet problematisieren sowie deren Bedeutung für die Organisation
des Wissens selbst reflektieren.
In fünf thematischen Sektionen, für die jeweils ein Tag reserviert ist,
untersuchen Dozierende und Graduierte gemeinsam relevante Merkmale
vormoderner Wissenskulturen.
Zunächst stehen Praktiken der materiellen Wissensaneignung in Sammlungen
sowie deren innere Ordnung im Vordergrund. Die anschliessende Sektion
analysiert Formen und Strategien der Aufbereitung und Vermittlung von
Wissen. Hiervon ausgehend richtet sich das Interesse auf dessen
räumliche Bedingtheit und institutionelle Formierung. Ein weiterer
Schwerpunkt liegt auf den Modi der Präsentation und Repräsentation von
Wissen, um abschliessend die Bedeutung seiner Zirkulation und
Verbreitung zu erörtern.

1. Praktiken des Sammelns, Ordnens und Aufbewahrens von Wissen
2. Aufbereitung und Vermittlung von Wissen im Unterricht
3. Räume des Wissens
4. Formen der Wissens(re)präsentation
5. Distribution und Zirkulation von Wissen

1. Praktiken des Sammelns, Ordnens und Aufbewahrens von Wissen

Sammeln, Ordnen und Aufbewahren von Wissen spielt in den Wissenskulturen
der Vormoderne eine zentrale Rolle. Eine prominente Form von
Wissenssakkumulation, -systematisierung und -konservierung stellt die
frühneuzeitliche Kunst- und Wunderkammer dar, wobei aber auch Bücher
(von Chroniken Kollektaneen, Sammlungskatalogen bis zu
naturphilosophischen Studien) sowie in grösserem Format Bibliotheken und
Archive Zeugnisse intensiver Sammlungstätigkeit darstellen. Es stellen
sich diesbezüglich in besonderem Masse Fragen nach zentralen
Sammlungsmotivationen wie den Formen der systematische Aneignung und
Verfügung über Naturdinge respektive dem Wissen über sie. Mit dem Fokus
auf die Praktiken des Sammelns, Ordnens und Aufbewahrens soll die
Möglichkeit geboten werden, kritisch über das dialektische Verhältnis
von Sammlungen und Naturphilosophie sowie auch über die vielfältigen
Beziehungen von Natur – Kunst – Wissen zu diskutieren. Dabei sollen auch
die sozialhistorischen Implikationen des Sammelns wie Exklusivität,
Macht und soziale Netzwerke, die Ökonomien des Sammelns, Tauschens und
Schenkens sowie auch Strategien der Authentifizierung von Wissen durch
die Sammlung in den Blick geraten.

2. Aufbereitung und Vermittlung von Wissen im Unterricht

Die frühneuzeitliche Reorganisation des Wissens als einer kulturellen
Praxis beeinflusste auch die Entwicklung der Unterrichtsmethoden und
Lehrpläne in hohem Masse. Die kanonischen Quellenbestände der
klassischen Antike wurden visuell aufbereitet und inhaltlich neu
geordnet sowie zunehmend um eigene Beobachtungen ergänzt. Reorganisation
und Integration des alten und neuen Wissens schlugen sich auch in der
Strukturierung der Medien ihrer Vermittlung in Form von Überschriften
und Rubriken nieder. In dieser Sektion werden verschiedene Methoden des
Sammeln, Beschreibens und Erinnerns im didaktischen Kontext untersucht.
Anhand von Lehrbüchern und anderem Unterrichtsmaterial (Randnotizen,
Glossen, Mitschriften) wird untersucht, wie Wissen im frühneuzeitlichen
Klassenraum unterrichtet und gelernt wurde und welchen Transformationen
seine Organisation dabei unterlag. In welchem Verhältnis standen das
antiquarische Interesse humanistischer Gelehrsamkeit und das
Tatsachenwissen, das sich Beobachtungen des neuartigen empiriegeleiteten
Zugriffs auf Welt verdankte? Welche Unterschiede lassen sich zwischen
der Organisation von Wissen im Unterricht einerseits und der
wissenschaftlichen Forschung ausserhalb von Schulen und Universitäten
andererseits – nicht zuletzt in Abhängigkeit von konfessionellen
Entwicklungen auf regionaler Ebene – beobachten? Welche Auffassung von
Wissen zeigt sich schliesslich in den untersuchten Unterrichtsmethoden
und Lehrplänen?

3. Räume des Wissens

Mit der Durchsetzung empirisch-experimenteller Methoden in der
frühneuzeitlichen Naturphilosophie untrennbar verbunden ist die
Entstehung und Ausdifferenzierung von Räumen, in denen das neuartige
Realienwissen generiert, aktualisiert und präsentiert wird. Kunst- und
Wunderkammern, (alchemistische und pharmazeutische) Laboratorien,
Sternwarten, anatomische Theater, Gärten und Tiergehege stellen in
diesem Sinn spezialisierte Orte eines Wissens dar, das sich nicht
zuletzt aufgrund der räumlichen Separierung und den damit verbundenen
Konditionen des Zugangs von anderen Wissensformen (Erfahrungswissen,
tradiertes Wissen) unterscheidet. Indem diese Räume auf sozialer,
ästhetischer und performativer Ebene die Wahrnehmung organisieren, etwa
durch die Disposition der epistemischen Objekte und bestimmte
Verhaltensweisen ihrer Betrachtung, gehören sie zu den massgeblichen
Faktoren einer „Mikrophysik des Wissens“. Damit verbinden sich auch
Fragen nach der Institutionalisierung des Wissens an Fürstenhöfen,
Akademien, Schulen und Universitäten.
Diese Sektion will untersuchen, in welcher Weise Räume und die Praktiken
ihrer Nutzung die Phänomene und damit das aus ihnen gewonnene Wissen
formieren. Wie wird das wissenskonstitutive Wechselverhältnis von Raum,
Gegenstand und Wahrnehmung in der Gestaltung und Ausstattung der Räume
sichtbar? Lassen sich darüber hinaus Zusammenhänge zwischen der
Wissensorganisation in Räumen und in gelehrten Publikationen erkennen?

4. Formen der Wissens(re)präsentation

Wissen existiert nicht für sich, sondern wird hergestellt. Dies
geschieht in konkreten kulturellen Kontexten, die das Wissen prägen,
konditionieren und beeinflussen. Wissen, Wissensbestände und
Wissensformen sind in diesem Sinn nicht rein, sondern von der
gesellschaftlichen und kulturellen Realität „kontaminiert“. Zugleich
übernehmen diese Formen die Aufgabe, Wissen als plausibel, überzeugend
oder gar (vorübergehend oder anhaltend) richtig erscheinen zu lassen.
Dabei ist das Formenspektrum von Wissen in der Frühen Neuzeit
ausgesprochen breit. Vom Tischgespräch als der ersten sozialen
Konvention für die Kommunikation bei Hof über Frontispize und
Dedikationen sowie (Vor-)Führungen und (öffentlichen) Experimente als
der seit etwa 1600 erfolgreichsten Evaluationsform von Wissen reichen
sie bis zu schematischen und diagrammatischen Darstellungen sowie einer
naturalistischen Bebilderung wissenschaftlicher Publikation. An dieser
Stelle verbinden sich die auf kulturellen Grundlagen und Mustern
fussenden Formen der Wissenspräsentation aber zugleich mit ihrer
kulturellen (Weiter-)Verwendung. Zwischen Wissenspräsentation und
Wissensrepräsentation sind die Übergänge fliessend.
Die Sektion will also die Wechselbeziehungen von kultureller
Formatierung von Wissen und die Prägung von Kultur durch Wissen
untersuchen.

5. Distribution und Zirkulation von Wissen

Trotz kultureller, manchmal gar lokaler Gebundenheit des Wissens und
seiner Präsentationsformen erhebt Wissen meist auch den Anspruch
trans-lokaler, in der Moderne häufig auch trans-kultureller Gültigkeit.
Voraussetzung und Instrument hierzu ist, dass Wissensbestände
zirkulieren, was in der Frühen Neuzeit schwergewichtig über den
(Buch-)Druck geschah. Eine vergleichsweise schnellere Zirkulation
aktueller Wissensbestände ermöglichten Korrespondenzen zwischen
einzelnen Gelehrten, doch diese erreichten nicht dieselbe Reichweite. In
der Sektion soll sie in ihren eigenen medialen Bedingungen und ihrer
Bedeutung für die Konstitution von Wissen dennoch untersucht und
diskutiert werden.
Distribution und Zirkulation sind die kulturellen Codes, die Wissen über
seinen eigenen Standort hinaus gültig erscheinen lassen. Dabei ergeben
sich aus medienhistorischer sowie kulturökonomischer Sicht neue Fragen
an die Bedeutung von Wissen. Welchen Einfluss hat das wichtigste Medium,
der (Buch-)Druck, für Distribution und Zirkulation von Wissen? Welche
Voraussetzungen muss Wissen erfüllen, um als gedrucktes Wissen in die
Zirkulation zu gelangen? Welche ökonomischen Prozesse schliesslich sind
mit der Distribution und Zirkulation von Wissen in der Frühen Neuzeit
verbunden?

Teilnahmevoraussetzung ist die Arbeit an einem Dissertationsprojekt, das
sich thematisch in den Rahmen der Veranstaltung einfügt. Bewerbung mit
Projektbeschreibung (max. 1,5 Seiten), Lebenslauf und
Empfehlungsschreiben der Betreuerin oder des Betreuers der Dissertation
werden bis zum 1.3.2008 erbeten.

Bitte senden Sie Ihre Unterlagen per E-Mail an
hole.roesslerunilu.ch
oder
tina.asmussenunilu.ch

Quellennachweis:
CFP: Collecting and Transforming Knowledge (Lucerne, 1-6 Jun 08). In: ArtHist.net, 01.02.2008. Letzter Zugriff 11.05.2025. <https://arthist.net/archive/30115>.

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