REV 01.11.2005

Sabine Kampmann (Hg.): Gender studies und Systemtheorie

Rezensiert von Birgit Haehnel, Mitglied im CePoG
Redaktion: Livia Cárdenas
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Mit dieser Publikation begegnen die HerausgeberInnen dem immer noch grassierenden Vorurteil, „die ,kühle Beobachtung’ der Systemtheorie Niklas Luhmanns vertrage sich nicht mit dem geschlechterpolitischen Engagement der Gender Studies“[1]. Trotz bereits existierender Publikationen zum Thema stellen sie fest, daß die jeweiligen VertreterInnen der beiden theoretischen Lager bisher keinen produktiven Austausch pflegen. Den gegenseitigen Ressentiments wird mit dem Verweis auf Gemeinsames begegnet: Gender-Studies und Systemtheorie treffen sich in ihrem konstruktivistischen Ansatz. Er bildet die Basis zur Erschließung neuer Perspektiven für beide Seiten. Die Beobachtung der Kommunikation unterschiedlicher Systeme, wie auch die Geschlechterkategorie eines darstellt, hilft die Bedeutung und Funktion von gender innerhalb sozialer Prozesse spezifischer zu fassen. Umgekehrt profitiert die Analyse systemischer Zusammenhänge von den wissenschaftlichen Sex-Gender- Konzepten, um die Sexuierung der Gesellschaft und geschlechtsspezifisch konstituierte Wirklichkeitswahrnehmungen genauer in den Blick zu bekommen. Die in einem Aufsatzband zusammengestellten Beiträge aus unterschiedlichen geisteswissenschaftlichen Disziplinen verfolgen somit das gemeinsame Ziel der produktiven Zusammenführung von Gender-Studies und Systemtheorie. Die Autoren und Autorinnen kommen aus den Allgemeinen und Speziellen Literaturwissenschaften, der Kunstgeschichte, Soziologie, den Theater-, Film- und Medienwissenschaften, wodurch die Themenschwerpunkte breit gefächert sind.

Das Buch beginnt mit der Kritik an Niklas Luhmanns Aufsatz Frauen, Männer und George Spencer Brown von 1988.[2] Luhmann hatte ohne Kenntnisnahme der differenzierenden und vielstimmigen Perspektiven innerhalb der Frauenforschung(en) sehr polemisch deren wissenschaftliche Erkenntnisse als unhaltbar und ihre politischen Ziele als erfolglos charakterisiert. Seiner Meinung nach spiele die Geschlechterkategorie in der funktional differenzierten modernen Gesellschaft zunehmend keine Rolle mehr, da bei Gleichwertigkeit von Männern und Frauen die geschlechtsspezifische Unterscheidung zur Durchführung von Beobachtungen wegfällt. Solange aber die Geschlechterkategorie Anwendung findet, sei die Asymmetrie der Geschlechter ihr unverzichtbarer Bestandteil. Für Luhmann folgt daraus eine prekäre Pattstellung hinsichtlich der Handlungsmöglichkeiten innerhalb der Frauenbewegung: Plädiert sie für die Gleichberechtigung entzieht sie sich ihren Untersuchungsgegenstand, hält sie an der Geschlechterkategorie fest, müsse sie Hierarchisierungen in Kauf nehmen und folglich die Diskriminierung von Frauen auf Kosten der Männern aufheben. Zurecht kritisieren die HerausgerberInnen Luhmanns polarisierende Argumentation als simplifizierend, die der komplexen Funktion von Geschlecht innerhalb gesellschaftlicher Prozesse nicht gerecht wird. Auf diese Weise stellen sie die Genderkategorie innerhalb der Systemtheorie neu zur Diskussion.

Hier knüpft Kai-Uwe Hellmann mit einer wichtigen Beobachtung an: die Unterscheidung der Geschlechter spielt in funktional differenzierten Gesellschaften sehr wohl noch eine Rolle. Zwar hätte Luhmann dieser Feststellung nicht ganz und gar widersprochen, korrigiert Hellmann, doch schien sie ihm für seine Analyse von Gesellschaftstheorien irrelevant. Aus diesem Grund fehlt in dem Konzept der „Person“ die geschlechtsspezifische Komponente. Allerdings zeigt sich auch heute noch, daß beispielsweise in der Besetzung von Arbeitsstellen oder in der Wahrnehmung von Körpern, geschlechtliche Zuschreibungen konstitutive Faktoren und damit einen prägnanten Informationswert darstellen. Funktionssysteme schließen eben doch nicht alle Personen ohne Rücksicht auf ihr Ansehen - also rein funktional - ein. Somit besitzt der geschlechtsspezifische Blick als Auswahlkriterium immer noch Gültigkeit.

Christine Weinbach erklärt einleuchtend das Nachwirken der Geschlechterdifferenz in einer durch geschlechtsneutrale Erwartungen nur scheinbar davon entkoppelten Gesellschaft. Dafür erweitert sie Luhmanns Ansatz um das Habituskonzept von Pierre Bourdieu. „Auch wenn Männer und Frauen dieselben Funktionsrollen bekleiden, kann die Interaktionskommunikation einen tendenziell je unterschiedlichen, ,geschlechtlich eingefärbten’ Verlauf nehmen.“ (S. 60) Ihre Absage an eine vermeintliche Geschlechtsneutralität innerhalb der Systemtheorie korrespondiert mit dem Ergebnis der Genderforschung, daß nämlich auch heute noch Geschlecht auf eine sehr komplexe Weise mit anderen Analysekategorien verflochten ist und deswegen nicht einfach ignoriert werden kann, ohne wichtige machtpolitische Strukturen und Funktionsweisen aus den Augen zu verlieren. Aufgrund der Unterscheidung verschiedener Systeme samt ihrer Kommunikationsprozesse erlaubt gerade die Luhmannsche Theorie eine genauere Bestimmung, wo und wie Geschlechterstereotypen reproduziert werden und wo sie aufgehoben sind, was durchaus parallel stattfinden kann. Ganz Systemtheoretikerin konstatiert sie dann allerdings im Unterschied zu Gender-Theoretikerinnen wie Judith Butler, daß „es keinen Ort [gibt], von dem aus umwälzende subversive Politiken möglich wären.“ (S.76) Diese Absage an die Hoffnungen nicht nur vieler Feministinnen mag nicht gern gehört werden. Allein die selbstkritische Auseinandersetzung kann zeigen, ob wir tatsächlich unseren eigenen Prämissen nicht entkommen können oder aber die Widerlegung dieser These den Weg zeigt, Veränderungen vorzunehmen. Möglicherweise erweist sich die Systemtheorie als zu statisches, wenig flexibles Gedankengebäude. Dagegen bieten dynamische Modelle in Anlehnung an Gilles Deleuze und Félix Guattari kreative Ansätze. Statt Gegensätze zu neutralisieren, werden mit ihnen schöpferische Veränderungen durch Aufruf bereits vorhandener Klassifizierungen und deren Umwandlung vorgenommen.[3]

Auch Natalie Binczek stellt die Annahme von der geschlechtsneutralen Systemtheorie in Frage. Die Luhmannschen Differenzbegriffe Medium und Form zur Definition eines Objekts oder auch Kunstwerks erweisen sich durch ihre Charakterisierung von passiv und aktiv als geschlechtsspezifisch bestimmt. Allein die Formseite besitzt aufgrund ihrer Gestalt das Potential zur Koppelung über Kommunikation und damit die systemische Anschlußfähigkeit. Ihr gegenüber ist das Medium eine träge, verfügbare, weiche und lose gekoppelte Menge von Elementen, die sich widerstandslos der Formgebung unterwirft. Interessanterweise stellt sie dann fest, daß sich die Systemtheorie mit dem, gemäß der traditionellen Geschlechtersemantik als männlich ausgewiesenen aktiven Bestandteil begnügt. Er allein reguliert das Reproduktionsgeschehen zwischen den Systemen und erzeugt ein autopoietisches Gesellschaftsmodell. Luhmann proklamiert: „Mit den formlosen, lose gekoppelten Elementen kann das System nichts anfangen.“[4] Aufgrund seiner Verwerfung der traditionellerweise weiblich bestimmten Komponente und der damit einhergehenden Aufhebung der Geschlechterdichotomie erklärt sich für Binczek der Erhalt des Systems dann doch jenseits geschlechtlicher Differenzen. Aber möglicherweise greift diese Beobachtung zu kurz. Binczek legitimiert mit einem Strukturvergleich von Systemtheorie und zellulärer Biologie die Annahme von der geschlechtsunspezifischen Fortpflanzung von sozialen Geschehnissen. Würde man jedoch statt dessen das Augenmerk auf die Reproduktionstechnologien und damit auf die gegenwärtige Technisierung von Lebensprozessen im Zuge der Biopolitik legen, korrespondiert Luhmanns Abwertung und Ausschluß von weiblich konnotierten Elementen mit aktuellen Stigmatisierungen von Weiblichkeitsdiskursen bzw. deren Affirmation an männlich kodierte Normvorstellungen.[5] Die funktional differenzierte Gesellschaft ein androzentrisches Modell? Zur Beantwortung dieser Frage müßte die Systemtheorie diskursanalytisch betrachtet werden und könnte dann mit Ansätzen verglichen werden, die gerade der losen Koppelung von Elementen, also der weiblichen Komponente im Logozentrismus, das Potential zur Veränderung zugestehen. In Anlehnung an Deleuze und Guattaris rhizomatische Interventionen lösen partielle Indifferenzen im System eine störende Kraft aus, um die ,Junggesellenmaschine’ zum bersten zu bringen und Differenzen aus ihrer hegemonialen Umklammerung zu lösen.[6]

Interessanterweise verweist Bettina Gruber in ihrer gender- und systemtheoretischen Analyse von Baudelaires Gedicht „Une Chargone“ genau auf diesem Aspekt. „Die ,indifférence’ nicht nur der Baudelaire’schen Frauenfiguren ist deshalb (was immer sie sozialpsychologisch oder psychoanalytisch sein mag) eine optimale Garantie für Bedeutungsproduktion und entsprechende endlose Anschlussmöglichkeiten, das ‚durchgeformte’ ästhetizistische Frauenbild perfektes Medium, an dem sich der Autor weiter abarbeiten kann.“ (S. 108) Leider verfolgt sie diesen Gedanken nicht weiter, denn hier eröffnen sich kreative Möglichkeiten, die Systemtheorie mit dem kritischen, französischen Poststrukturalismus unter Berücksichtigung der Kategorie Gender zusammenzudenken. Gruber zeichnet in ihrer weiteren Analyse die geschlechtssemantische Bestimmung der systemtheoretischen Begriffe Form und Medium nach und stellt fest, daß geschlechtsspezifische Zuschreibungen längst nicht so stabil sind. Sie können sich auch umkehren. Insofern sind sie situativ bedingt - Prozesse, die Donna Haraway unlängst mit ihrem Begriff der Situierung kennzeichnete. Ob die Systemtheorie diesen Erkenntnissen lediglich nachhinkt und worin ihr Gewinn in diesem Kontext eigentlich besteht, wird leider nicht deutlich. Eine all zu abstrahierende Sprache als Ausdruck der systemischen Theoriearchitektur verhindert eine überzeugende Darstellung. Allein die Erkenntnis von geschlechtsspezifischen Inversionen, sobald Polarisierungen einen Wertewandel erfahren, mag genderversierten WissenschaftlerInnen nicht sonderlich neu erscheinen. Dagegen überzeugt Dagmar Steinwegs Aufsatz. Sie weist das poslost'-Konzept (Trivialität) in den russisch-nationalen Kulturdebatten um 1900 plausibel als Ausschlußmechanismus für Autorinnen aus der russische Literatur mit Hilfe des systemtheoretischen Ansatzes nach. „Ein Ergebnis, das erst durch eine Perspektivierung ermöglicht wird, die mit der Analysekategorie des gender auf geschlechterdifferente Argumentationsmuster abstellt.“ (S. 133)

Die letzten drei Beiträge lösen am prägnantesten den zu Beginn in Aussicht gestellten Erkenntnisgewinn im Zusammenschluß von Gender- und Systemtheorie ein. Der Beitrag von Thomas Küppner wagt nun endlich die andere Perspektive, die von den Gender-Studies ausgehend fragt, was die Systemtheorie dem noch hinzufügen kann. Im Zusammendenken von beiden Ansätzen überwindet er sogar das statische Gefüge systemtheoretischen Denkens, in dem er danach sucht, wo subversive Strukturen ausgemacht werden können. Ausgangspunkt ist für ihn die (Musik)Richtung Camp, in der Elemente des Kitsch eingesetzt werden, um Heterosexualität im Sinne Judith Butlers zu parodieren. Gegenstand der Reflexion ist der Mythos von der Natürlichkeit der Geschlechterstereotypen, der durch die Zur- Schau-Stellung in Camp gebrochen wird und nun statt Wesenheit Performativität vermittelt. Unter der Annahme, daß Systeme durch Kommunikationsprozesse Veränderungen und damit einem Entwicklungsprozeß unterstehen, demonstriert er am Beispiel des Lieds „Er gehört zu mir“ von Marianne Rosenberg, wie sich Subversives auch systemtheoretisch erfassen lassen kann. So beruht die subversive Strategie des Camp auf seiner Selbstverortung gerade innerhalb dieser Entwicklungsprozesse. Der heterosexuelle Schlager konnte also aufgrund seiner multiplen Systemreferenz zu einem Renner in der Homosexuellenszene avancieren, d.h., weil seine Bedeutung sich je nach System - Kunst, Liebe oder Homosexuellenbewegung - unterschiedlich entwickelte. Aufgrund der Kunstregel, „dass Formen sich bei wiederholtem Gebrauch abnutzen“ ( S. 157), wurde das etablierte Verständnis von der „wahren Liebe“ und damit auch die Ordnung der Geschlechter durch Wiederholungen in Frage gestellt. Hier liegt der Anknüpfungspunkt, um den Gegenstand für homosexuelle Belange umzubenennen.

Einen vergleichbaren Ansatz, der über die reine Dekonstruktion hinausgeht, bietet auch Alexandra Karentzos. Sie verbindet Luhmanns Theorem der Beobachtung zweiter Ordnung mit Judith Butlers Konzept der Parodie bzw. Donna Haraways Begriff der Ironie, um deren gerade auch von der Genderforschung oft unscharf formulierte subversive Mechanismen transparent zu machen. „Die Parodie ist nur dann subversiv, wenn sie als eine Beobachtung zweiter Ordnung das Parodierte entsubstanzialisiert.“ (S. 163) Am Beispiel von Kara Walkers Schattenrissen veranschaulicht sie, wie Darstellungen von Rassismus und Sexismus durch die Ironisierung weißer Normvorstellungen und das Spiel mit Differenzen in Bilder der Selbstreflexion überführt und die hierarchisierenden Unterscheidungen im Paradox aufgelöst werden.

Sabine Kampmann führt schließlich mit Hilfe der systemtheoretischen Geschlechterforschung die festgefahrenen Diskussionen um die Positionierung von Gegenwartskünstlerinnen im Feminismus oder Post-Feminismus aus der Sackgasse. Am Beispiel von Pipilotti Rist demonstriert sie, wie mit Hilfe der Systemtheorie die Künstlerin als kommunikatives Konstrukt, das mehrere Anschlußmöglichkeiten bietet als sie mit einer Entweder-Oder-Entscheidung zu erfassen sind, ins Blickfeld rückt. Rist als medial vermittelte Repräsentationsfigur zu betrachten, die mehrere Blickweisen zuläßt, verhindert dankenswerterweise die gerade in der Kunst üblichen Authentizitätsbekundungen und lenkt auf die Befragung von Rollenklischees und Geschlechtermuster.

Aller Bekundungen zur erreichten Gleichstellung der Geschlechter zum Trotz ist dieser Band ein Bekenntnis dafür, daß die Geschlechterdifferenz auch heute noch nicht nur in den Interaktionen zu finden ist, sondern auch in den Strukturen der Funktionssysteme, wo sie oftmals komplexe Sachverhalte simplifiziert. Deswegen bilden Analysen zur Geschlechtersemantik unter dem Ansatz der systemtheoretischen Geschlechterforschung den Schwerpunkt dieses Buches. Daß die heterogenen Beiträge stellenweise auch gegensätzlich argumentieren, zeigt die Offenheit und Selbstreflexivität der HerausgeberInnen gegenüber ihrem Untersuchungsgegenstand. Generell ist jedoch einzuwenden, daß die stellenweise sehr artifizielle und geschraubte Fachterminologie den ungeübten LeserInnen das Nachvollziehen der Argumentationslinien erschwert. Jene Beiträge im vorliegendem Band, die sich der exakten Verortung subversiver Strategien, wie der Ironie, widmen, bereichern den systemtheoretischen Ansatz mit der Genderperspektive um die störende Dimension, wie sie auch in den poststrukturalistischen Theorien von Michel Foucault und Gilles Deleuze zu finden ist. Mit der hier vorgelegten Erweiterung zur systemtheoretischen Geschlechterforschung ist ein interessanter Ansatz gelungen, der Luhmannschen Theorie ein wenig rebellischen Geist einzuhauchen und so für gesellschaftliche Veränderungsprozesse nutzbar zu machen. Andererseits räumt die systemtheoretische Geschlechterforschung mit dem auch in post-feministischen Kreisen kursierenden Annahme auf, die Emanzipation der Geschlechter sei erreicht. Wie einzelne Beispiele der Publikation zeigen, bildet dieser Ansatz durchaus ein geeignetes Instrument zur subtilen Bestimmung, wo und wie Geschlechterhierarchien immer noch greifen, ohne bereits vollzogene Veränderungen als gescheitert zu erklären. Grund hierfür ist die Berücksichtigung verschiedener Ebenen, auf denen Geschlechterdifferenz vielleicht noch oder auch schon nicht mehr wirksam ist. Die auf Differenz abzielende Form der Beobachtung von Kommunikation und Koppelungen kann eine indifferente Haltung gegenüber Geschlechterfragen bzw. sogar deren Verschwinden verhindern, ja sogar die Wirkweise geschlechtsspezifischer Strukturen auf gesellschaftliche Prozesse noch einmal unterstreichen. Gegenüber den genderspezifischen Theorien fehlte der Systemtheorie bisher die machtpolitische Analyse zur Konzeption selbstkritischen und eigenverantwortlichen Handelns. Die Frage nach Anschluß- bzw. Kommunikationsfähigkeit ist jedoch auch eine interessegeleitete Entscheidung von dafür verantwortlichen Personen, die die Ermächtigung dazu besitzen. Gerade heutzutage werden im Zuge der Globalisierung Mißstände, resultierend aus Arbeitslosigkeit, einer neuen Armut und Massenmigrationen, zunehmend wieder in die Verantwortung jedes Einzelnen oder auch des Schicksals gelegt. Reine Strukturanalysen sind notwendig, reichen aber nicht aus, um Verantwortlichkeiten zu benennen. Bedenkt man, daß Ordnungen nur so lange bestehen, bis jemand den Mut findet, sie zu durchkreuzen, und daß auch Systeme nie von allein, sondern immer nur von Menschen verändert werden können, so rückt die Instanz des handelnden Subjekts und mit ihm die Vision, Veränderungen durchzuführen, wieder ins Blickfeld. Auch wenn die einzelnen Aufsätze im vorliegenden Band diesen Aspekt noch nicht reflektieren, lassen sie erahnen, daß die systemtheoretische Geschlechterforschung in sich das Potential birgt, subtile strukturbezogene Analysen zu Subjektpositionen und Handlungsweisen vorzulegen. Nicht zuletzt deswegen stellt das Buch eine interessante Verbindung zweier theoretischer Ansätze dar, die es auf jeden Fall lohnt weiterzuverfolgen.

Anmerkungen:
[1] Sabine Kampmann, Alexandra Karentzos, Thomas Küpper: Einleitung: Gender-Studies und Systemtheorie. In: Dies. (Hg.): Gender Studies und Systemtheorie. Studien zu einem Theorietransfer, hrsg, im Auftrag des Instituts für Kunstwissenschaft der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig, Bielefeld 2004, S. 9-16, 9.
[2] Niklas Luhmann: Frauen, Männer und George Spencer Brown. In: Zeitschrift für Soziologie 17 (1988), Heft 1, S. 47-71.
[3] Gilles Deleuze / Félix Guattari: Tausend Plateaus. [Originaltitel: Mille plateaux], Paris (1980), Kapitalismus und Schizophrenie. Bd. 2, aus dem Französischen übersetzt von Gabriele Ricke und Ronald Voullié, hrsg. von Günther Rösch, Berlin 1997.
[4] Niklas Luhmann: Die Gesellschaft der Gesellschaft, Frankfurt a.M. 1997, S. 201
[5] Rosi Braidotti: Organs without Bodies. In: Dies.: Nomadic Subjects. Embodiment and Sexual Difference in Contemporary Feminist Theory, New York 1994, S. 41-56.
[6] Birgit Haehnel: Regelwerk und Um-gestaltung. Der Nomadismusdiskurs in der Kunst nach 1945, Diss. phil. Universität Trier 2004, erscheint voraussichtlich 2006.

Kampmann, Sabine; Karentzos, Alexandra; Küpper, Thomas (Hrsg.): Gender studies und Systemtheorie. Studien zu einem Theorietransfer (= Sozialtheorie), Bielefeld: transcript Verlag 2004
ISBN-10: 3-89942-197-3, 209 S, EUR 22.80

Empfohlene Zitation:
Birgit Haehnel: [Rezension zu:] Kampmann, Sabine; Karentzos, Alexandra; Küpper, Thomas (Hrsg.): Gender studies und Systemtheorie. Studien zu einem Theorietransfer (= Sozialtheorie), Bielefeld 2004. In: ArtHist.net, 01.11.2005. Letzter Zugriff 02.02.2025. <https://arthist.net/reviews/99>.

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