Plastik, Gummi, Wachs und Ton. Die Variabilität des Materials in Kunst und Technik
Interdisziplinärer Studientag des Graduiertenkollegs "Kunst und Technik" der Technischen Universität Hamburg-Harburg
Im Rahmen des Graduiertenkollegs Kunst und Technik an der TUHH wird ein interdisziplinärer Studientag initiiert, der Fragen zum Umgang mit Variabilität von Materialien in Kunst und Technik aus kunsthistorischer sowie materialwissenschaftlicher Sicht stellt. In den Kunstwissenschaften hat das Interesse an Materialität und Material zugenommen und sich zu einem relevanten Forschungsinteresse entwickelt. Dabei rücken Semantik, Ästhetik und Ikonologie von Materialien zunehmend in den Fokus, wodurch die Bedeutung des Materials in seiner Funktion als medialer Träger von Bildern und Formen herausgearbeitet wird. Der Studientag möchte sich in diesem Kontext einer spezifischen Materialeigenschaft – der Variabilität – widmen, das Thema aus einer kunsthistorischen Perspektive beleuchten und materialwissenschaftlich reflektieren.
Die Unmittelbarkeit von Formpotenzial und Formverlust wandelbarer Werkstoffe kann ambivalente Gefühle der Vitalität und Vulnerabilität auslösen. Philosophen und Kunstwissenschaftler sind von diesen Materialien, ihrer ungreifbaren Ambivalenz, fasziniert. Roland Barthes deklarierte das Plastik als „alchimistische Substanz“, die das „Wunder“ der „plötzliche[n] Konvertierung der Natur“ zeige (Mythen des Alltags 1964). Georges Didi-Huberman sprach in Bezug auf Wachs prägnant vom „Stoff der Seltsamkeit“ und seiner „Klebrigkeit“ (Ordnung des Materials 1999). Lässt sich eine vergleichbare Faszination und Ambivalenz gegenüber der Variabilität von Materialien bei den Materialwissenschaftlern finden oder ist ihr Verhältnis dazu pragmatisch und anwendungsorientiert? Was können und sollen solche Materialien überhaupt leisten?
In der Bildenden Kunst des 20. Jahrhunderts finden sich zahlreiche künstlerische Positionen, die sich mit Materialeigenschaften und -qualitäten auseinandersetzen, etwa Césars Arbeit Expansion n° 39 (1970) aus Polyurethan oder Marcel Duchamps Sculpture de voyage – Caoutchouc (1917), wofür der Künstler Gummistreifen im Raum aufspannte. Wachs erfährt in der zeitgenössischen Kunst eine Renaissance, etwa durch die Arbeiten von Paul Thek oder Urs Fischer. Als kulturgeschichtlich bedeutender Stoff verweist es auch auf eine historische Dimension variabler Materialien und wirft die Frage auf, inwiefern sich eine Auseinandersetzung mit materieller Wandelbarkeit in der Geschichte der Kunst und Technik vor dem 20. Jahrhundert – etwa für Wachs, Glas oder Ton – fassen lässt. In welchem Verhältnis stehen künstlerische Auseinandersetzung, technische Innovationen und technologische Bedürfnisse, geisteswissenschaftliche Bezüge und naturwissenschaftliches Erkenntnisinteresse?
Der Studientag möchte in seiner interdisziplinären Ausrichtung eine disziplinübergreifende und historisierende Erweiterung des Blickes auf Materialität und auf die Arbeit mit Materialien ermöglichen. Ausgehend vom Thema der Variabilität als spezifische Materialeigenschaft sollen durch das Kennenlernen von kunsthistorischen Werken und materialwissenschaftlichen Konzeptionen ein interdisziplinärer Dialog initiiert und neue Forschungsperspektiven ausgelotet werden.
Programm
Hamburg, 28. Februar 2014
DFG-Graduiertenkolleg Kunst und Technik, Technische Universität Hamburg-Harburg, Gebäude I, Raum 0054
10:00 – 10:30
Marthe Kretzschmar, Hamburg: Begrüßung und Einführung
10:30 – 11:15
Karl Schulte, Hamburg: Kunststoff als Kunststoff? Der Kunststoff – vom Mittelalter bis in die Moderne
11:15 – 11:30 Pause
11:30 – 12:15
Magdalena Bushart, Berlin: Fixierte Flüchtigkeit – Keroplastik und Fotografie
12:15 – 13:15 Mittagspause
13:15 – 14:00
Nadine Rottau, Berlin: Gefährliche Lügen. Zelluloid & Elfenbein im Kunstgewerbe des langen 19. Jahrhunderts
14:00 – 14:45
Vera Wolff, Zürich: Moderner Urstoff. Ton, Exotismus und japonistisches Materialdenken
14:45 – 15:00 Pause
15:00 – 15:45
Anna Pawlik, Nürnberg: Alles Wachs? Zur Materialvielfalt der Wachsbildnisse von Christian Benjamin Rauschner im späten 18. Jahrhundert
15:45 – 17:15
Führung am Institut für Kunststoffe und Verbundwerkstoffe
17:30 – 19:00
Iris Wenderholm, Hamburg: ... als wäre es Teig oder Wachs. Paradoxien des Materials in der Frühen Neuzeit
Quellennachweis:
CONF: Plastik, Gummi, Wachs und Ton (Hamburg, 28 Feb 14). In: ArtHist.net, 11.02.2014. Letzter Zugriff 07.07.2025. <https://arthist.net/archive/6970>.