CFP 30.01.2014

Selbstentgrenzung oder Entkunstung der Kunst? (Hildesheim, 26-27 Jun 14)

Universität Hildesheim, Domäne Marienburg, 26.–27.06.2014
Eingabeschluss : 21.02.2014

Michael Kauppert

Aesthetische Praxis: Selbstentgrenzung der Kuenste oder Entkunstung der Kunst?

Tagung des AK Soziologie der Künste in der Sektion Kultursoziologie der Deutschen Gesellschaft für Soziologie, Universität Hildesheim

Die Kunst erschöpft sich nicht in ihrem Anspruch auf Autonomie. Einmal historisch etabliert, macht sich die soziale Involviertheit der Kunst nicht nur als Differenz zur Gesellschaft geltend. Insbesondere die avantgardistischen Künste haben es bekanntermaßen nicht akzeptieren wollen, in der Gesellschaft nur ein abgeschiedenes Reservat zu bewohnen. Sie nahmen sich daher nichts geringeres als die Aufhebung der Unterscheidung von Kunst und Leben vor. Insofern ging es beispielsweise den Futuristen, den Dadaisten und den Situationisten im 20. Jahrhundert nicht nur um eine, wie man sagen könnte, "Ausweitung der Kunstzone" (Fischer-Lichte et al.), also nicht nur darum, in ihren Hoheitsbezirk möglichst viel hineinzuziehen. Kunst wollte und sollte vielmehr immer auch souverän darin sein, ihre eigenen Grenzziehungen selbst zu überschreiten. In dieser, durchaus paradoxen Perspektive ist Kunst kein sozial abgesonderter und gegenüber dem Alltagsverstehen sonderbarer "Sinnbezirk" (A. Schütz) mehr. Die Künste diffundieren vielmehr in ihre gesellschaftliche Umwelt, indem sie an (zum Teil exotischen) Alltagsgegenständen (wie die Surrealisten) und in Alltagspraktiken die Zauberkraft des Künstlerischen aufdeckten. Im Alltagsmensch vermutete man konsequenterweise einen Künstler avant la lettre.

Geht diese Beschreibung den Maximen einer Randgruppe im künstlerischen Feld auf den Leim oder lässt sich die soziologisch inzwischen konstatierte Ästhetisierung des Alltaglebens (G. Schulze) vielleicht als ein, wenn auch ferner Effekt der Selbstentgrenzung von Kunstpraktiken (A. Reckwitz) verstehen? Wenn gar Ästhetisierung, wie Wolfgang Welsch meint, nicht nur ein Alltagsornament ist, sondern ein Generalbefund unserer Zeit, haben sich die Künste dann nicht sogar zu einer, möglicherweise verkannten, Instanz der Kritik einer außerästhetisch herrschenden Vernunft erhoben? Oder müssen wir nicht vielmehr umgekehrt den Prozess gesellschaftlicher Ästhetisierung (nochmals Reckwitz) als Prozess der "Entkunstung von Kunst" (Adorno) auffassen? Ästhetische Praxis wäre dann nicht das Ergebnis einer Selbstentgrenzung der Künste, sondern das Produkt der Vereinnahmung der Kunst durch die Kulturindustrie.

Die Jahrestagung des AK Soziologie der Künste (www.soziologie-der-kunst.de) möchte daher danach fragen,

- ob und inwiefern ästhetische Praxis als Wirkung von Selbstentgrenzungen der Künste verstanden werden kann oder ob man – und inwiefern man – ästhetische Praxis eher als ökonomisch verwertbare und vielleicht sogar ökonomisch induzierte Aufhübschung des Alltagslebens verstehen muss.

- ob und inwiefern sich überhaupt von ästhetischen Praktiken sinnvoll sprechen lässt. Wie verhält sich ästhetische Praxis zu den Praktiken in den schönen Künsten? Inwiefern lassen sich ästhetische Praktiken von anderen Praktiken (wissenschaftlichen, religiösen) unterscheiden?

Neben Referaten, die sich solchen grundlegenden Fragen annehmen, sind insbesondere solche Beiträge erwünscht, die sich mit konkreten Phänomenen (möglicher) ästhetischer Praxis beschäftigen. Gegenstände können beispielsweise sein

- Probenprozesse im Theater, die sich ebenso zur ästhetischen Praxis des Theaters dazuzählen ließen wie das Zuschauen während einer Aufführung.

- Lesungen der Autoren, die man zur ästhetischen Praxis der 'Literatur' genauso rechnen könnte wie das Lektorieren eines Buches im Verlag.

- die Organisation von Eventkultur, die für die scheinbar davon gänzlich unabhängige künstlerische Praxis häufig genug eigens zugeschnittene Formate und Formatierungen entwirft.

- das private Fotografieren und Videografieren samt der dazugehörigen Bildbearbeitung am Computer.

Die Tagung findet statt auf dem Gelände einer mittelalterlichen Wasserburg, der Domäne Marienburg, die zum Kulturcampus der Universität Hildesheim ausgebaut wurde.

Abstracts von längstens zwei Seiten werden bis zum 21.2.2014 erbeten an

JProf. Dr. Michael Kauppert
kauppertuni-hildesheim.de

Prof. Dr. Rolf Elberfeld
elberfelduni-hildesheim.de

Quellennachweis:
CFP: Selbstentgrenzung oder Entkunstung der Kunst? (Hildesheim, 26-27 Jun 14). In: ArtHist.net, 30.01.2014. Letzter Zugriff 29.03.2024. <https://arthist.net/archive/6873>.

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