Lebendige Wissenschaft
Kunstgeschichte und Lebenswirklichkeit um 1900
Colloquium
Institut für Kunstgeschichte der
Ludwig-Maximilians-Universität München
Zentnerstr. 31, EG 007
80798 München
Organisation und Konzeption:
Dr. des. Sebastian Fitzner und Dr. Daniela Stöppel
Mit freundlicher Unterstützung durch den Freundeskreis des Instituts für
Kunstgeschichte
Empathie und Einfühlung werden gegen Ende des 19. Jahrhunderts massiv
gegen eine rational-positivistisch orientierte Wissenschaft in Stellung
gebracht und die als relativistisch empfundenen Konzepte des Historismus
von der Idee der unmittelbaren Verbindung von Kunst und Leben abgelöst.
Unmittelbarkeit und Authentizität des künstlerischen Ausdrucks scheinen
nun weniger an intellektuelles Verstehen gebunden, als vielmehr an -
real-körperliche - Erfahrung und Empfindung gekoppelt. In der bildenden
Kunst sind Tendenzen zum Gesamtkunstwerk, zum Handwerk und
Volkstümlichen, zum ortsfesten Kunstwerk, zum Formal-Sinnlichen die
allgemein anerkannten Kennzeichen dieser Entwicklung. In der
Kunstgeschichte schlägt sich dies in praktisch-bildnerischen Übungen
nieder wie auch in Ansätzen, bildende Kunst in unmittelbarer
Wechselwirkung zu allgemein kulturellen oder natürlichen Phänomenen zu
verstehen.
Heute erscheinen die damit verbundenen Vorstellungen von Ganzheit und
Wahrheit nicht nur durch die nationalsozialistische Vereinnahmung,
sondern auch durch deren ontologische und anti-intellektualistische
Konstruktion, die insbesondere in der Postmoderne kritisch diskutiert
wurde, äußerst problematisch. Der Anspruch, Kunst und Leben zu
verbinden, blieb hingegen bis heute weitgehend undiskreditiert und wirkt
als utopisches Projekt der Moderne bis in die gegenwärtige
Kunstproduktion hinein.
Das Colloquium nimmt nun in den Blick, inwiefern die verschiedenen, um
1900 entwickelten Modelle und Theorien in allgemeinerer Weise
konstitutiv für die Moderne werden konnten und wie sie den Kunst- und
Werkbegriff der Avantgarden maßgeblich mitbestimmten. Zudem gilt es -
ebenfalls im Sinne einer kritischen Revision der Moderne - zu prüfen,
inwieweit Begriffe wie "Leben", "Wahrheit", "Form", "Erfahrung",
"Ganzheitlichkeit" oder gar Ideologeme wie "Volk" und "Boden" um 1900
als Gegenmodelle zu entfremdeten Arbeits- und Lebensbedingungen - auch
in der Wissenschaft - taugen konnten, und, ein methodisches
Instrumentarium zu entwickeln, mit dem der durchaus problematischen
Grundkonzeption der Moderne differenziert und kritisch begegnet werden
kann, ohne in gewohnte Dichotomien zu verfallen.
Um kurze Anmeldung per Email wird gebeten.
PROGRAMM
Freitag, 13.12.2013
15.00 - 15.30
Sebastian Fitzner/Daniela Stöppel:
Einführung
15.30 - 16.15
Matthias Vogel:
"Der Masse Leben verleihen". Hermann Obrist und befreundete
Kunsttheoretiker zwischen Lebensreform und Reaktion
16.15 - 17.00
Flora Nieß:
Henry van de Veldes Weg zum abstrakten Ornament. Ein 'neuer Stil' zur
Belebung der Lebensrealität
17.00 - 17.45 Imbiss
17.45 - 18.30
Elena Filippi:
"Der Künstler in mir, der mit dem Gelehrten in Konflikt gerät,
andererseits der Practicus, der das Leben sucht!" Fritz Burgers Münchner
Jahre (1906-1914) und die Frage der Authentizität in der
Kunstwissenschaft
19.00 - 20.30
Abendvortrag
Thomas Brandstetter:
Lebendige Kristalle. Vitalismus und Mechanismus um 1900
Samstag, 14.12.2013
10.00 - 10.15
Sebastian Fitzner/Daniela Stöppel:
Begrüßung
10.15 - 11.00
Daniela Bohde:
"Die Form ist das Leben selbst" - die Krise des Formalismus und die
Reanimationen der Form
11.00 - 11.45
Regine Prange:
"Der Impressionismus in Leben und Kunst". Zu Richard Hamanns Kritik
eines Epochenstils
11.45 - 13.30 Mittagspause
13.30 - 14.15
Robin Rehm:
Die Empfindung und das Nichts. Das Schwarze Quadrat von Kazimir Malevi?
14.15 - 14.30 Kaffeepause
14.30 - 15.15
Magdalena Nieslony:
Für und gegen die Bedingtheit der Kunst. Ein Diskurs der russischen
Avantgarde
15.15 - 16.00
Abschlussdiskussion
Quellennachweis:
CONF: Kunstgeschichte und Lebenswirklichkeit um 1900 (Munich, 13-14 Dec 13). In: ArtHist.net, 12.11.2013. Letzter Zugriff 04.05.2025. <https://arthist.net/archive/6410>.