CFP: Denkmal Ost-Moderne II - denkmalpflegerische Praxis der Nachkriegsmoderne
Veranstalter: Bauhaus-Universität Weimar, Professur Denkmalpflege und Baugeschichte, gemeinsam mit der Wüstenrot Stiftung, Ludwigsburg
Ort: Bauhaus-Universität Weimar Datum: 30.1./31.1.2014
Was vor Jahren noch angemahnt wurde, ist inzwischen Wirklichkeit. Architektur und Städtebau der 1960er und 1970er Jahre genießen eine gebührende fachübergreifende Aufmerksamkeit. Einerseits zwangen die Amortisation und Anpassungsbedürftigkeit dieses Gebäudebestandes - nach seinem ersten, 30 bis 50 Jahre dauernden Lebenszyklus - dazu. Andererseits änderte sich die gesellschaftliche Wahrnehmung: Neben den Gegenargumenten wird zunehmend auch die ökologische und kulturelle Ressource gesehen. Proteste und Debatten etablieren seit der Jahrtausendwende eine regelrechte Auseinandersetzungskultur, die auch die Aneignung durch die institutionalisierte Denkmalpflege beflügelte. Die Nachkriegsmoderne ist mittlerweile in der alltäglichen Praxis der Denkmalpflege angekommen. Den vor allem hierbei auftretenden Fragen widmet sich die zweite Tagungsveranstaltung von „Denkmal Ost-Moderne“. Es soll also nicht mehr das Ob, sondern das Wie im Mittelpunkt stehen.
Die Fragen und Probleme der Erhaltung der Ost-Moderne sind denen der westeuropäischen Nachkriegsmoderne sehr ähnlich. Neben dem oft schlechten Image als Produkte doktrinärer bzw. technokratischer Systeme sind es vordringlich Anforderungen in energetischer und bauklimatischer Hinsicht. Hinzu kommen gesundheitsgefährdende Materialien und baukonstruktiv-baustofflicher Verschleiß. Die Themenfelder der Erhaltung, aber auch der Inventarisationspraxis sollen die Tagung bestimmen. Denkmalpfleger an den Ämtern und Hochschulen sowie Architekten, Architekturhistoriker, Stadtplaner und Ingenieure sind deshalb gleichermaßen angesprochen. Angestrebt ist es, oftmals parallel verlaufende Diskussionen und vorhandene Erfahrungen zum Thema zusammenzuführen.
Folgende Handlungsfelder und Themenkomplexe sollen, wenn auch nicht ausschließlich, in der zweiten Tagung behandelt werden:
Bewertung, Auswahl, Denkmalkunde.
Wie wird in der Praxis die Frage nach den „unverzichtbaren Exempeln“ der von Industrieproduktion geprägten Bauepoche beantwortet? Wie werden denkmalkundliche Bemühungen sowohl methodisch, als auch organisatorisch angelegt? Wie gelingt der Abgleich fallbezogener Ergebnisse der Inventarisation der Denkmalfachbehörden innerhalb von Landesgrenzen und darüber hinaus? Aber auch in den Einzelfällen sind Denkmalstatus und Denkmalwertkategorien weiterhin oft diskussionswürdig: Erwachsen beispielsweise aus der Spezifik des immer noch neuen Gegenstandes besondere Anforderungen an Denkmalbegründungen? Wie wird mit häufig in der Öffentlichkeit geäußerter Ablehnung der Denkmalwürdigkeit umgegangen? Schließlich stellt sich die bisher wenig geklärte Frage der Erfassung ganzer städtebaulicher Ensembles: Der spezifische Städtebau der DDR ist zunächst durch die strenge und bis hin zur Gleichförmigkeit reichende Gestaltung der einzelnen Gebäude charakterisiert. Das bedingt eine Tendenz zur Monotonie, aber auch eine besondere Ganzheitlichkeit und Einheitlichkeit der Komposition.
Denkmalverträgliche Sanierungen.
Die besondere Empfindlichkeit eines nachkriegsmodernen Baudenkmals hinsichtlich seiner konstituierenden Eigenschaften zeigt sich u. a. an den großflächigen und nur punktuell prononciert plastischen Fassaden. Hier sind die bauzeitlichen Oberflächenmaterialen mit ihren feinen Strukturen und Farbnuancen wesentliche Träger des Denkmalwertes. Die Frage des Umgangs mit Fassadenbauteilen – beispielsweise mit Oberflächen aus Keramik, Glas, Kunststein, emaillierten oder eloxierten Metall – ist oft eine über die Denkmalverträglichkeit Entscheidende. Wichtig sind auch bildkünstlerisch gestaltete Flächen mit ihren jeweils eigenen konservatorisch-restauratorischen Problemen. Nicht selten stellt sich die Frage, ob auf die Originalsubstanz zu Gunsten von aktuellem Ersatzmaterial verzichtet werden kann, wenn die Nachbildung von Profilierungen und Strukturen das Erscheinungsbild in die Zukunft überliefert? Wie wird man aber der mittlerweile eigenen Geschichtlichkeit der Fassaden und anderer Bauelemente der Nachkriegsmoderne gerecht? Bedarf es gar modifizierter Anforderungen an Dokumentationen und andere gültige Voruntersuchungen in der Denkmalpflege?
Im Weiteren interessieren konkrete Sanierungen und Umnutzungen, vor allem best practice-Beispiele. Wie wurde bisher mit den wertvollen Bauten und Ensembles der Ost-Moderne umgegangen. Welche sind bereits denkmalverträglich gelungen? Wie konnte aktuellen Anpassungserwartungen entsprochen werden und wo konnte begründet auf eine Anpassung verzichtet werden? Wie sehen beispielhafte Lösungen für energetische Verbesserungen aus? Was ist von vornehmlich architektonischen Konzepten, wie Recyceln oder Weiterbauen, für die denkmalgeschützte Nachkriegsmoderne zu erwarten oder bedarf es viel öfters eines Alberti-Codes, demnach „einer vollendeten künstlerischen Komposition ... nichts hinwegzunehmen und nichts hinzuzufügen“ ist, wie Adrian von Buttlar fordert?
Nachkriegsmoderne interdisziplinär.
In der Praxis wirkt immer noch der nicht befriedigende Kenntnisstand zu Baumaterialen und Konstruktionssystemen. Dies gilt noch mehr für die darauf basierenden Verfahren der Instandsetzung und Anpassung. Dabei muss nicht nur komplexen technischen Anforderungen Rechnung getragen werden, sondern es müssen mannigfache rechtliche und wirtschaftliche Überlegungen einbezogen werden. Oft stehen sich an den Objekten hochspezialisierte Experten unterschiedlicher Fachgebiete und Wertevorstellungen gegenüber. Der Dialog ist zwingend notwendig und stellt alle Beteiligten - vor allem aber Architekten und Denkmalpfleger - vor die Aufgabe des Abwägens und der Synthese. Auf welches Expertenwissen aus den Bereichen der Konstruktion, der Energetik, der Bauphysik und -klimatik können sie zugreifen.
Wir erhoffen uns Vorschläge für Beiträge zu den angesprochenen Themenkomplexen. Sowohl Grundsätzlicheres hierzu, aber auch Fallbezogenes, das verallgemeinert werden kann, ist willkommen. Zwar sind auch Beiträge zur europaweiten Nachkriegsmoderne - vor allem angesichts von übergreifenden Fragestellungen - erwünscht, ein Schwerpunkt der Tagung soll jedoch auf der DDR-Moderne der 1960 und 1970er Jahre liegen.
Interessierte werden gebeten, Abstracts von maximal einer Seite Umfang, Kontaktdaten sowie einen kurzen Lebenslauf, vornehmlich per email und bis zum 30. Juni 2013 einzureichen.
Bitte senden Sie Ihr Paper an die Professur Denkmalpflege und Baugeschichte der Bauhaus-Universität Weimar: cornelia.unglaubuni-weimar.de
Die Tagungsbeiträge werden veröffentlicht.
Kontakt:
Dr. Mark Escherich
mark.escherichuni-weimar.de
Bauhaus-Universität Weimar, Professur Denkmalpflege und Baugeschichte
Dr. Roman Hillmann
architekturgeschichteweb.de
Wissenschaftlicher Projektbearbeiter für die Wüstenrot Stiftung, Ludwigsburg www.wuestenrot-stiftung.de
Aktuelle Informationen zur Tagung finden Sie unter
http://www.uni-weimar.de/cms/architektur/dmbg/professur/denkmal-ost-moderne.html
Quellennachweis:
CFP: Denkmalpflegerische Praxis der Nachkriegsmoderne (Weimar, 30-31 Jan 14). In: ArtHist.net, 17.05.2013. Letzter Zugriff 18.04.2025. <https://arthist.net/archive/5387>.