As We May See: Tracking and Tracing the Image after Farocki.
1945 veröffentlicht Vannevar Bush den einflussreichen Essay AS WE MAY THINK. Im Computerzeitalter, so Bushs Prognose, werden hierarchische Techniken der Organisation, Adressierung und Verarbeitung von Informationen durch eine flexiblere und assoziative maschinelle Methode ersetzt, die er «Memex» nannte. «Ganz neue Arten von Enzyklopädien werden entstehen, bereits versehen mit einem Netz assoziativer Pfade, bereit, in den Memex eingebaut und dort erweitert zu werden».1986 beendet Harun Farocki seinen Film WIE MAN SIEHT, ein filmisches Netz assoziativer Pfade, in dem der Jacquard-Webstuhl, die Erfindung des Maschinengewehrs und alternative Wege der Technikgeschichte zu einem vielschichtigen Muster verwoben sind. Was haben uns Bush, Farocki und andere Denker:innen und Praktiker:innen des Bildes heute, vor dem Hintergrund von digitalen Plattformen, ubiquitous computing und sogenannter «generativer KI», zu sagen?
AS WE MAY SEE fragt, wie sich heute an Farockis Denken anschliessen lässt. Filme, Vorträge und Gespräche laden dazu ein, den widersprüchlichen Zustand technischer Bilder zu diskutieren.
Hinweis: Alle Veranstaltungen finden in englischer Sprache statt.
-----------------------------------------------------------------------------------------------------------
Programm:
30. Oktober, 20:00 – Kino Xenix
Kanzleistrasse 52, 8004 Zürich
Den Auftakt zu AS WE MAY SEE bildet ein Abend im Kino Xenix. Farockis Film BILDER DER WELT UND INSCHRIFT DES KRIEGES (1988) wird zusammen mit der Lecture-Performance PIECING THINGS TOGETHER der Medienwissenschaftlerin Estelle Blaschke und des Künstlers Armin Linke (beide zu Gast an diesem Abend) aus dem Kontext ihrer gemeinsamen Ausstellung «Image Capital» (2022/23) gezeigt.
31. Oktober, Universität Zürich
UZH RAA-G-01, Rämistrasse 59, 8001 Zürich
10:00 bis 12:30 – The Labour of Images
Unter den Bedingungen von «künstlicher Intelligenz» ist nahezu jedes Bild operativ geworden – als Element in Prozessen automatisierter Datenverarbeitung. Wie verändert dies die Arbeit mit und von Bildern, und welche Formen der Arbeit am Bild werden dabei unsichtbar?
Zusammengestellt von Ute Holl, Roland Meyer und Volker Pantenburg
Zu Gast: Ranjodh Singh Dhaliwal und Laliv Melamed
14:30 bis 17:00 – The Operational Image before the Law
«Operative Bilder» kennen keine Urheber*innen. Sie stehen damit in einem spezifischen Nicht-Verhältnis zu den «Rechtsoperationen» (Oliver Wendell Holmes, jr.) des Eigentums. Gleichzeitig kommen sie in Rechtsprechung, Polizeiarbeit oder Strafvollzug zum Einsatz – ebenso wie in einer kritischen Forensik. Das Panel widmet sich dieser widersprüchlichen Verstrickung «operativer Bilder» in die «Rechtsform» der Gegenwart.
Zusammengestellt von Tom Holert, Doreen Mende und Clio Nicastro (Harun Farocki Institut, Berlin)
Zu Gast: Katja Müller-Helle und Noam Elcott
1. November, Filmpodium
Nüschelerstrasse 11, 8001 Zürich
10:00 bis 12:30 – The Haunting of Image-Systems
Harun Farockis Interesse an Bildsystemen war vor allem ein Interesse am historischen Verhältnis von sozialen Kämpfen, Technologien, Mythen und Herrschaftssystemen. Ausgehend von Farocki und Sylvia Wynter untersuchen die Künstlerperson Blaise Kirschner und der Autor und Kurator Anselm Franke die gegenwärtige Reproduktion und Rekonfiguration der weltschaffenden, »mythopoeitischen« Funktion moderner wie a-moderner Bildsysteme: Materialien zur Anatomie eines sich neu konsolidierenden Faschismus.
Zusammengestellt von Anselm Franke und Blaise Kirschner
14:30 bis 17:30 – Decoding or Re-encoding?
Videoessays zu Medienumgebungen, in denen das Entscheidende jenseits des Bildschirms stattfindet. Politische und technologische Infrastrukturen fordern etablierte Auffassungen von Kritik und Widerstand heraus. Featuring Harun Farockis SCHNITTSTELLE (1995).
Zusammengestellt von Johannes Binotto und Kevin B. Lee
Zu Gast: Occitane Lacurie und Hito Steyerl
Filmprogramm
18:30 – ERKENNEN UND VERFOLGEN (D 2003, Regie: Harun Farocki, 58 min)
«Auch im Krieg ist der Tod immer der Tod der anderen», schreibt Harun Farocki über den Einsatz operativer Bilder in Marschflugkörpern. «Das Erkennen (pattern recognition) und Verfolgen (object tracking) der ‹sehenden› Bomben droht mit Unfehlbarkeit.» In ERKENNEN UND VERFOLGEN sowie der dreiteiligen Installation AUGE/MASCHINE (2000–2003) geht Farocki von den medialen Bildern aus, die 1991 im Golfkrieg im Fernsehen gesendet wurden: Kamerabilder mit Fadenkreuz aus der Perspektive der Bombe, die ins militärische Ziel stürzen und dort detonieren. Er entwickelt daraus den Begriff des «operativen Bildes», das nur noch in zweiter Hinsicht Bild ist; wichtiger sind die Algorithmen und Rechenprozesse. Das operative Bild ist heute von der Ausnahme zum Normalfall geworden – in militärischen wie zivilen Kontexten. Was tun?
Einführung: Volker Pantenburg
AS WE MAY SEE ist eine Veranstaltung des Farocki Forums am Seminar für Filmwissenschaft der Universität Zürich und des Zentrums Künste und Kulturtheorie (UZH und ZHdK).
Konzeption: Volker Pantenburg und Roland Meyer in Zusammenarbeit mit Anselm Franke (ZHdK), Ute Holl (Universität Basel), Johannes Binotto (HSLU Luzern) Kevin B. Lee (Università della Svizzera italiana) und dem Harun Farocki Institut, Berlin (Tom Holert, Doreen Mende, Clio Nicastro, Elsa de Seynes).
Quellennachweis:
CONF: Tracking and Tracing the Image after Farocki (Zurich, 30 Oct-1 Nov 24). In: ArtHist.net, 30.09.2024. Letzter Zugriff 09.10.2024. <https://arthist.net/archive/42782>.