CFP Dec 17, 2022

Ordnungssysteme (Siegen, 16 Jun 23/Berlin, 21 Jul 23)

Siegen und Berlin, Jun 16–Jul 21, 2023
Deadline: Feb 26, 2023

Eva v. Engelberg

Ordnungssysteme – Auswählen, Werten, Sortieren in den Kulturwissenschaften.

Ordnen ist ein Impuls, um die komplexe Wirklichkeit verständlich zu machen. Phänomene des Ordnens benötigen die vorausgehende (systematische) Erfassung, auf der eine Sortierung nach Typen und unterschiedlichen Kategorien oder etwa eine Hierarchisierung und Reihung folgen kann. Denn erst, wenn ich einen Bestand überschaue, kann ich ihn ordnen, nach Prinzipien, die sich nach jeweils zugeschriebenen Sinnzusammenhängen definieren. Ordnungssysteme verfügen so immer über (implizite) Wertzuschreibungen, sei es versteckt, wie bei scheinbar harmlosen formbezogenen Typologien, oder explizit, wie bei den Kanones der Literatur-, Musik- und Kunstwissenschaften. Auch die Geschichtsschreibung fungiert als ein solches Ordnungssystem, indem sie fragt, wie Vergangenes zu ordnen und interpretieren ist, damit es für unsere Gegenwart (und Zukunft) sinnfällig wird. Dass spätestens seit der Postmoderne nicht mehr von der einen Meistererzählung, sondern von vielen Narrativen, nicht mehr von einem Kanon, sondern von unterschiedlichen Kanones gesprochen wird, ändert nichts an der weiteren Existenz von Ordnungssystemen, die nicht selten implizit tradiert werden.

Bestimmen unsere Werte und Denkbilder die jeweiligen Ordnungssysteme, sind letztere wiederum prägend für unsere Vorstellungswelten. Dabei ist offensichtlich, dass die Produktion von Ordnungssystemen in Machtkonstellationen eingeschrieben ist. So stellt sich nicht nur die Frage, welche Objekte in das Ordnungssystem eines Kanons aufgenommen werden (eine Frage, die aktuell insbesondere aus der Gender-Perspektive und im globalen Blick der postkolonialen Forschung diskutiert wird), sondern auch, wer an der Etablierung von Ordnungssystemen beteiligt ist und welche Instrumentarien und Medien dafür zur Verfügung stehen.

Diese Fragen werden in unterschiedlichen Fachdisziplinen auf unterschiedliche Weise diskutiert und verhandelt. Während sich die Geschichtswissenschaft seit langem mit den verschiedenen Modellen der Historiographie beschäftigt und in der Literaturwissenschaft die Kanones der Weltliteratur analysiert werden, ist das Thema in der Kunstwissenschaft vergleichsweise jung (vgl. den 30. Deutschen Kunsthistorikertag 2009 unter dem Titel „Kanon“). Ordnungssysteme werden vor allem im Zuge der Disziplingeschichte und damit für die Vergangenheit behandelt, während sie in der aktuellen Forschung mehrheitlich auf Abwehr stoßen, etwa die Stilgeschichte, die (außer in der Mittelalterforschung und im Bereich des Kunsthandwerks) geradezu verpönt zu sein scheint. Auffallend ist derzeit somit die weitgehende Abwesenheit von klaren und verbindlichen Ordnungssystemen, an deren Stelle die Betrachtung individueller Einzelwerke oder spezifischer Aspekte tritt.

Gleichzeitig stellt sich die Frage, ob wir nicht weiterhin verbindliche Ordnungssysteme brauchen, als Grundlage für unser gesellschaftliches Zusammenleben und als Orientierungshilfe in einer scheinbar immer komplexer werdenden, unübersichtlicheren Welt. Neben dem Verzicht und möglichen Alternativen steht so auch die potenzielle Rehabilitation von Ordnungssystemen – und wie diese gedacht und praktiziert werden könnten, zur Diskussion.

Die Frage nach Art, Entwicklung und Bedeutung von Ordnungssystemen soll in einer Gruppe interessierter Expert*innen in einem Workshop-Format an zwei Terminen diskutiert werden. Beim ersten Treffen soll das Thema aus wissenschaftshistorischer Perspektive behandelt werden (wie verhandeln unterschiedliche Wissenschaften das Problem der Systematisierung von Wissen, in welchem Zusammenhang steht dies mit der Produktion von neuem Wissen und inwieweit wird dies jeweils kritisch reflektiert?). Das zweite Treffen fokussiert perspektivische Fragen: Gibt es Beispiele für alternative Ordnungssysteme und was für Ansätze wären hier denkbar? Welche Rolle spielen dabei neue Medien (Stichwort: Digitalisierung) oder veränderte Gesellschaftsbilder (Stichwort: Partizipation und Gender)?

Die beiden eintägigen Workshops finden an der Universität Siegen (16.06.2023) und an der TU Berlin (21.07.2023) statt. Das Konzept sieht vor, dass jede/r Teilnehmende an einem der beiden Termine seine eigenen Gedanken/Forschungen zu den oben vorgestellten Fragen vorträgt und zur Diskussion stellt, und auf dem anderen als Diskutierender teilnimmt. Ziel ist es, das Thema aus unterschiedlichen Fachperspektiven zu beleuchten. Daneben soll es Raum geben, Perspektiven weiteren Austauschs und gemeinsamer Forschung zu diskutieren.
Bewerbungen mit Exposé für einen Redebeitrag von ca. 30 min Länge (max. 250 Wörter) und kurz-CV erbitten wir bis 26.2.2023 an engelbergarchitektur.uni-siegen.de und s.heroldtu-berlin.de

Reference:
CFP: Ordnungssysteme (Siegen, 16 Jun 23/Berlin, 21 Jul 23). In: ArtHist.net, Dec 17, 2022 (accessed May 7, 2025), <https://arthist.net/archive/38178>.

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