CFP 08.11.2010

Kunsttexte 3/ 2010: Sektion Gegenwart

Nadine

Besessene Bilder und Objekte.

Die Macht der Bilder und ästhetischer Objekte wird seit jeher und in
unterschiedlichen Epochen, Kulturen und Kontexten stets emphatisch
thematisiert, denn bestimmte Bilder/Objekte können den Betrachter zu
konkretem Handeln veranlassen, Götter repräsentieren oder Dämonen
entfesseln. Auch können sie Erinnerung beleben, ganze Zeit- und
Raumstrukturen verändern oder Identitäten transformieren. Man schreibt
ihnen daher nicht nur einen passiven oder aktiven Gebrauch durch den
Betrachter zu, Autoren wie u.a. W.J.T. Mitchell beschreiben darüber hinaus
"What pictures want" - die Performativität von Bildern als Akteure. (Auch
über Agentien der Dingwelt wurde in jüngster Zeit unter anderem im Sinne
Bruno Latours neu nachgedacht.) Bilder und Objekte handeln, wobei
bestimmte Formen von Bilderhandeln auf struktureller Ebene magischen
Praktiken ähneln, wie James Frazer sie beschreibt. Kultbildern und
-gegenständen ist ein magischer Gebrauch eingeschrieben. Heiligenbilder
berufen sich auf Berührungsmagie - sie figurieren gleichsam als "besessene
Bilder", und erwachen - wie Kultgegenstände -, sobald man sie in einen
rituellen oder medialen Zusammenhang stellt. Besessene Bilder sind zudem
operationale Bilder, sie rechnen mit ihren Benutzern oder sie verunsichern
diese und verbreiten Angst, was im Zuge der Geschichte wiederholt zu
ikonoklastischen Ausbrüchen geführt hat. Doch auch analytische Bilder der
Wissenschaft sind auf effiziente Benutzung ausgerichtet und es scheint,
als müssten wir - unbenommen aller Bemühungen wissenschaftsgeschichtlicher
Inventaranalysen der letzten Jahre - noch weiter über ihr Funktionieren,
ihr Scheitern oder ihr visionäres Potential lernen.

Auf besondere Weise arbeitet auch die Filmgeschichte mit und an der
Konstruktion magischer Bilder. Grundsätzlich fungieren gerade populäre
fiktionale Filme als "Dreammachine", während sich spezifische Produktionen
ambitioniert diskursiv vernetzen und beispielsweise mit Ethnographie
auseinandersetzen. Hier begreift sich das Kino erstmals bewusst als eine
Kulturtechnik, die nicht einfach abbildet, sondern Kulturen auch
transformiert. Die Wahrnehmung des Eigenen verändert sich mit dem Blick
auf das kinematographisch Fremde und Unbewusste, was sich etwa im Typus'
des Ethnofilms als First Contact zwischen Kino und Kulturkritik
nachvollziehen lässt. Doch vor allem rezente Bilder der Gewalt aus den
Kriegen unserer Gegenwart stellen die Frage nach der Macht von Bilder
immer wieder neu - die Rede vom "Krieg der Bilder" ist hier symptomatisch
und wir sind aufgefordert, uns in Hinblick auf die "agency" von Bildern
erneut Gedanken zu machen. welche Gewalt diese über uns besitzen, was
wiederum unseren Umgang mit Bildern bestimmt.

Im Interesse der aktuellen Ausgabe steht es daher, die Macht von
machtzentrierten Bildern respektive besessenen Bildern und Objekten zu
(re-)perspektivieren. Die potentiell übergreifende Debatte dazu gestaltet
sich naturgemäß sehr vielschichtig und kann beispielsweise von Praktiken
und Techniken des magischen Bilderhandelns, religiöser Ikonenverehrung,
Geisterfotografie und den Anfängen des (anthropologischen) Films bis zur
Computeranimation, aber auch der angstvoll-funktionalen Fetischisierung
ästhetischer Objekte reichen. Wir laden dazu ein, uns kunst- und
kulturwissenschaftliche Beiträge zu dieser Themenstellung (kürzere
Forschungsberichte, Aufsätze oder Rezensionen von ca. 6-10 Seiten) bis zum
15.01.2011 zur Verfügung zu stellen:

per E-Mail:
hengstkunsttexte.de (Lutz Hengst)
hogekunsttexte.de (Kristina Hoge)
kantkunsttexte.de (Christiane Kant)
soellkunsttexte.de (Nadine Söll)

per Post:
kunsttexte.de
Sektion Gegenwart
c/o Humboldt-Universität zu Berlin
Phil.Fak.III/Kunstgeschichtliches Seminar
Sitz: Dorotheenstraße 28
Unter den Linden 6
10099 Berlin

Kunsttexte, die Fachzeitschrift für Kunstgeschichte im Netz, wird von der
DFG gefördert.

Weitere Informationen unter www.kunsttexte.de.

Ihre Ansprechpartner sind Lutz
Hengst (hengstkunsttexte.de), Kristina Hoge
(hogekunsttexte.de),Christiane Kant (kantkunsttexte.de) und Nadine Söll
soellkunsttexte.de) - die Redaktion der Sektion Gegenwart.

Quellennachweis:
CFP: Kunsttexte 3/ 2010: Sektion Gegenwart. In: ArtHist.net, 08.11.2010. Letzter Zugriff 20.10.2025. <https://arthist.net/archive/33158>.

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