CFP 03.10.2010

Orte der Imagination - Raeume des Affekts (Univ Goettingen)

Elke Koch

Orte der Imagination - Räume des Affekts:
die mediale Formierung des Sakralen (1100 - 1600)

Göttingen, 30.03.?01.04.2011

CALL FOR PAPERS

Die Kultur des christlichen Mittelalters ist wesentlich durch die
Bedeutung von heiligen Orten und sakralen Räumen bestimmt. Jerusalem
als die Stätte von Christi Passion gilt als die Mitte der irdischen
Welt, verweist auf das Himmlische Jerusalem und bildet sich an anderen
Orten ab und in sie ein. Städte organisieren sich baulich und rituell
auf der Grundlage von sakralen Topographien. In Prozessionen und in
der geistigen Pilgerschaft entstehen mentale Räume und Orte, in denen
Realort und Heilige Stätte überblendet werden. In gemeinschaftlichen
und individuellen religiösen Praktiken sind heilige Räume in
besonderer Weise als Affekträume bestimmt, das gilt beipielhaft für
eine an bestimmten Orten und in bestimmten Räumen ausgeübte
emotional-somatische Compassio als Teilhabe und Reenactment der
Passion. Dabei werden Orte und Räume nicht nur mit sakraler Bedeutung
aufgeladen. Der Kontakt mit dem heiligen Raum und die in ihm
vollzogenen Handlungen wirken auf die beteiligten Dinge und Personen
im Sinne einer sakramentalen Wandlung.
Die Bedeutung und Wirksamkeit heiliger Orte und sakraler Räume
erwächst, so unsere These, aus medialen Praktiken wie der Abgrenzung
und Anordnung durch Architektur und der Gestaltung durch Kunst, Musik
und Wort. Ihr Bestand und ihre Erfahrbarkeit wird durch Performanzen
gewährleistet, die von diesen Medien angestoßen und geleitet werden.
Die geplante Tagung soll Impulse geben, über die Relation zwischen
Medien und (heiligen) Räumen nachzudenken und diese als produktiv und
transformativ zu beschreiben. Als einen Ansatzpunkt schlagen wir das
Konzept medialer Praktiken vor, das uns geeigneter als die
herkömmliche Differenzierung von Produktion und Rezeption erscheint,
um zu erschließen, wie sakrale Topographien nicht nur konstituiert,
sondern auch wirksam werden. Mediale Praktiken involvieren Bilder,
Texte, Musik, Ritual und theatrales Spiel; hier können auch Reliquien
und die eucharistischen Gestalten als Medien verstanden werden. Auf
welche Weise sind solche Medien an den Übertragungen und Markierungen
von Sakralität realer Räume und Orte beteiligt? Wie ist die Rolle
imaginärer, virtueller und affektiver Räume zu konzipieren? Wie werden
sakrale Topographien vernetzt?
Ein weiterer Ansatzpunkt liegt in der Frage nach einem medialen Raum,
der den Medien selbst zu eigen ist und von ihren jeweiligen formalen,
materiellen und technischen Bedingungen bestimmt wird. Beispiele sind
Eingangsminiaturen von Handschriften des Mittelalters, die als Portale
ausgebildet sind und eine Räumlichkeit des dahinter liegenden Textes
definieren; oder Bilder, die nicht nur einen illusionistischen Raum
zeigen, sondern ihn als medialen Raum konkret auf die
Rezeptionssituation des Betrachters beziehen. Prozession und Spiel
bilden ebenfalls eigene mediale Räume aus.
In der Untersuchung der medialen Räume der Texte, Bilder, Musik etc.
soll gerade nicht die Frage ihrer zu dekodierenden Bedeutung gestellt
werden. Im Unterschied zu Ansätzen, die - in der Tradition
mittelalterlicher Hermeneutik - eine Exegese sakraler Architektur und
liturgischer Vollzüge unternehmen, liegt der Fokus hier auf dem
medialen Raum, seiner Faktur sowie seiner affektiven und
(quasi)sakramentalen Wirksamkeit. In diesem Zusammenhang können sich
neue Überlegungen zu Konzepten wie Imagination, virtueller Raum und
Affektraum ergeben. Außerdem wäre zu fragen, in welchem Verhältnis die
Topologien und Topographien der Ars Memorativa zu den Organisationen
heiliger Räume und Orte stehen. Erwünscht sind Beiträge zum
christlichen Mittelalter und zur frühen Neuzeit (Kulturwissenschaften,
Geschichtswissenschaft, Kunstgeschichte, Literaturwissenschaften,
Musikwissenschaft, Religionswissenschaft, Theologie), die zwei oder
mehrere der unten genannten Bereiche verbinden. Eventuell sind auch
ergänzende Vorträge zu ähnlichen Phänomenen in anderen Religionen und
außerhalb dieser zeitlichen Eingrenzung denkbar.
- Raum und Affekt
- Artefakte und Texte, die Orte konstituieren und transferieren
- Raumbildende Artefakte (Architektur, Microarchitektur)
- Artefakte, die einen bestehenden Raum ordnen bzw. variieren (Bsp.
Klappretabel)
- Mediale Praktiken im Raum
- Mediale Verschränkungen von Räumen und Überblendungen von
verschiedenen Orten
- Raum in der Mnemotechnik und in der Imagination

Tagungssprachen sind Englisch und Deutsch. Übernachtungskosten werden
übernommen, Reisekosten nach Absprache.

Exposés im Umfang von max. 600 Wörtern bitte bis zum 31. Oktober per
Email an: Heike Schlie, Zentrum für Literatur- und Kulturforschung,
Berlin, schliezfl-berlin.org
Elke Koch, Georg-August-Universität Göttingen, ekoch1gwdg.de

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Quellennachweis:
CFP: Orte der Imagination - Raeume des Affekts (Univ Goettingen). In: ArtHist.net, 03.10.2010. Letzter Zugriff 20.12.2025. <https://arthist.net/archive/33128>.

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