Kolloquium im Rahmen der Landesausstellung Sachsen-Anhalt 2011 "Der
Naumburger Meister - Bildhauer und Architekt im Europa der Kathedralen"
Naumburg, 5.-8. Oktober 2011
(Ausstellungsdauer: 29. Juni bis 2. November)
Call for Papers
Deadline: 30. August 2010
Vom Nachmittag des 5. bis zum Nachmittag des 7. Oktober werden
nachfolgende Themenbereiche behandelt. Die einzelnen Referatsbeiträge
sind auf eine Dauer von 30 Minuten begrenzt (mit jeweils anschließender
Diskussion von 15 Minuten).
In Übereinstimmung mit dem Ausstellungskonzept ist eine
fächerübergreifende Bearbeitung der einzelnen Themenkomplexe angestrebt.
Nachfolgend ist ein Katalog mit Themenvorschlägen aufgeführt, der auf
Wunsch ergänzt werden kann. Die Veranstalter wenden sich an
interessierte Fachvertreter (Geschichte, Kunst- und Baugeschichte,
Literaturwissenschaft, Philosophiegeschichte, Theologie und
Kirchengeschichte etc.), bis zum 30. August 2010 Beiträge anzumelden.
Die Konferenzsprachen sind deutsch, englisch und französisch.
Die Anmeldung von Beiträgen ist in einem Umfang von einer
Manuskriptseite zu richten an:
Vereinigte Domstifter
Ausstellungssekretariat
Domplatz 19
06618 Naumburg
Tel. +49 (0)3445 2301-123, Fax: -129
Mail g.siebertnaumburgermeister.eu
Sektionen
Der Westchor des Naumburger Doms
Leitung: Prof. Dr. Enno Bünz (Universität Leipzig) / Prof. Dr. Andreas
Odenthal (Universität Tübingen)
Das Ensemble des Naumburger Westchors steht im Mittelpunkt der
Landesausstellung und des Kolloquiums. In der einzigartigen Verbindung
von Architektur, Skulptur, Glas- und Wandmalerei spiegelt sich hier ein
theologisch anspruchsvolles und zugleich propagandistisch
herausforderndes Programm, dessen Genese und Komplexität die
wissenschaftliche Forschung seit Jahrzehnten kontrovers diskutiert.
Ausgehend von den historischen Erklärungsmodellen des Werks, die
größtenteils entweder auf dem zwischen Naumburg und Zeitz entbrannten
Streit um den Bischofssitz oder auf einer Verknüpfung mit einer
vermeintlich vorhandenen ekkehardinischen Vorgängerinstitution basieren,
sollen weitere Beobachtungen und Fragestellungen der unterschiedlichsten
Fachdisziplinen zur vergleichenden programmatischen Interpretation des
Werks in die Sektion einbezogen werden.
Gesamtprogramm des Naumburger Westchors, Quellen, Parallelen - Orte der
Memorialpflege und ihre Ausstattung - Bildprogramme des 13. Jahrhunderts
im architektonischen Zusammenhang, Voraussetzungen und Auftraggeber -
Nutzung von Westchören und anderen Orten des Kirchengebäudes -
Funktionale Nutzung des Naumburger Doms nach den Quellen - Liturgische
Formen im Zusammenhang mit dem Stiftergedenken - Memorial- oder
Synodalstätte - Fragen der Funktionsbestimmung des Naumburger Doms -
Zusammensetzung der Kapitel an den Wirkungsstätten des Naumburger
Meisters, die Rolle von Erzbischof und Bischof
Die Architektur des Naumburger Westchors
Leitung: Prof. Dr. Wolfgang Schöller (Universität Regensburg) / Prof.
Dr. Lex Bosman (Universität Amsterdam)
Obwohl es sich beim Westchor des Naumburger Doms um eines der
herausragenden Architekturdenkmäler des 13. Jahrhunderts handelt, hat
dieser bisher weder eine umfassende bauarchäologische Untersuchung noch
eine die baukünstlerische Bedeutung würdigende Interpretation erfahren -
der Blick war in der Regel auf dessen skulpturale Ausstattung
fokussiert. In verschiedenen Essays des Ausstellungskatalogs wird
erstmals detailliert auf einzelne Fragen der Bauforschung und der
baugeschichtlichen Einordnung, vor allem auch auf die enge Verbindung
von Architektur und Bildwerk sowie die Problematik des
Bildhauer-Architekten, eingegangen. Weitere vertiefende Beiträge zur
Architektur sind im Rahmen des Kolloquiums erwünscht, z. B.
Untersuchungen zum offensichtlich weit gespannten Erfahrungshorizont des
über Mainz nach Naumburg vermittelten, ursprünglich in Frankreich
beheimateten Baumeisters, zu seinen breit gefächerten Kenntnissen, die
ihn befähigten, etwa im Hinblick auf das um die Mitte des 13.
Jahrhunderts aktuelle Thema der Chorhalle künstlerisch bedeutsame,
eigenständige Varianten zu entwickeln. Besondere Aufmerksamkeit sollte
in diesem Zusammenhang vor allem jenen Bauten bzw.
Architekturausstattungen zuteil werden, die - mit dem Westlettner des
Mainzer Doms als Ausgangspunkt über den Chor der Templerkirche in Iben
bis hin zum Großprojekt des Domneubaus in Meißen - in einer engen
Beziehung zum Westchor in Naumburg gesehen worden sind. Auch diese
Monumente könnten Anlass sein, das zugrunde liegende Wissenspotenzial,
das sich über Frankreich hinaus vielleicht sogar auf Beispiele der
englischen Architektur erstreckt, weiter zu verfolgen. Die kühnen
Substruktionen des Meißner Ostchors deuten auf einen höchst versierten
Baumeister hin, der - wie an den gleichzeitigen großen Kathedralen
üblich - die bautechnische Herausforderung gesucht hatte. Nicht
auszuschließen ist, dass er zu den führenden, impulsgebenden Kräften der
hochgotischen Epoche in Europa zählte.
Westliche Voraussetzung der Architektur des Naumburger Meisters, die
Umsetzung von Gestaltungsprinzipien und Motivrepertoire - Englische
Architektur im 13. Jahrhundert und ihre Verbindungen zum Kontinent,
Austausch und Auseinandersetzung - Das Verhältnis von Architektur und
Bildhauerkunst, Formen der Verzahnung - Der "Bildhauer-Architekt" -
Bautechnologie, Steinbearbeitung und -versatz, Fragen der
Bauhüttenstruktur - Bauarchäologische Untersuchungen zum Naumburger Dom
und seinem Vorgängerbau - Domneubau und Westchor in Naumburg, Bruch oder
Kontinuität - Der Naumburger Westchor in seinem Verhältnis zu anderen
hochgotischen Bauten im Heiligen Römischen Reich - Varianten des
Hallenchors - Maßwerkbildungen - Naumburg und Meißen - Die
Substruktionen des Meißner Doms - Ritzzeichnungen und ihre Bedeutung -
Untersuchungen zu Steinmetzzeichen - Der Westchor des Naumburger Doms
und der Neubau in Schulpforta - Entstehung und Bedeutung von
Mikroarchitekturen, der Baldachin als Kleinarchitektur - Architektur des
Templerordens (Iben, Mücheln)
Die Naumburger Stifterfiguren
Leitung: Prof. Dr. Ulrike Heinrichs (Freie Universität Berlin) / Prof.
Dr. Hans Jürgen Scheuer (Universität Stuttgart)
Im Ensemble des Westchors gebührt den zwölf polychromen Stifterfiguren
eine herausragende Bedeutung. Nirgendwo sonst ist im 13. Jahrhundert
eine Gruppe von Stiftern als Adelskollegium derart herausgehoben
dargestellt und in den theologischen Zusammenhang der Architektur
einbezogen worden. Als Exempel für den sündigen und reuigen Menschen
werden sie in ihrer zeitgemäßen höfischen Gewandung und Bewaffnung
vorgestellt. Die Möglichkeiten der Bildhauerkunst in der Darstellung
innerer Bewegtheit und der Interkommunikation einzelner Figuren sind
hier in vollendeter Weise ausgeschöpft worden. Diese Darstellungsweise
lässt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf die exzellente
Kenntnis der damals modernsten philosophischen und theologischen
Schriften und Diskussionen durch Auftraggeber und Künstler schließen.
Vermittelt durch die Architektur, rücken sie aus der Vorstellungskraft
des Bildhauer-Architekten in die Wahrnehmungssphäre des Betrachters.
Verbildlichungsprozesse des 12. und 13. Jahrhunderts, Grundlagen der
Imagination - Neuinszenierung des Stiftergedenkens im 13. Jahrhundert -
Einbindung von Stifterdarstellungen in Bildprogramme -
Adelsrepräsentation und Ritterkultur, Kodifizierung höfischen Verhaltens
und höfischer Erscheinungsformen - Austausch von Inhalten des Wissens
und der Bildung, Konsequenzen für Literatur und Bildende Kunst - Die
Auseinandersetzung mit Physiognomie und Pathognomik - Körperlicher
Ausdruck im Rahmen von Liturgie und Ritualen - Affekte und Emotionen in
Literatur und Bildender Kunst, moraltheologische und
philosophisch-ethische Differenzierung
Der Naumburger Westlettner
Leitung: Prof. Dr. Martin Büchsel (Universität Frankfurt) / Dr.
Jacqueline Jung (Yale University)
Innerhalb des Skulpturenprogramms des Westlettners, der als Schranke den
Westchor vom Langhaus separiert, ist der Gedanke der Erlösung Christi in
einzelnen Aspekten akzentuierter als im Fall anderer Kathedrallettner
des 13. Jahrhunderts zur Darstellung gebracht. An keinem anderen Ort
begegnet man der Bipolarität von Weltgericht und Erlösungstat so
zugespitzt wie hier, der zu verzeichnende Spannungsbogen erklärt sich
durch den engen Bezug der Bildthemen des Lettners zur Programmatik des
Binnenchors mit den Stifterfiguren wie auch den Zyklen in der
Glasmalerei. Erwünscht sind Beiträge, die sich zum einen mit der
Passionsthematik in ihrer jeweils andersartigen Ausformung an Lettnern
des 13. Jahrhunderts, zum anderen mit weiteren Bildkonzepten dieser Zeit
auseinandersetzen, in denen die Gegenüberstellung von Iudex und Salvator
eine zentrale Rolle spielt. Von hier aus ließen sich zweifellos Ansätze
zu einer differenzierteren Interpretation des Gesamtprogramms in
Naumburg gewinnen. Die in den Szenen des Naumburger Westlettners
aufgegriffenen Themen, die Sündhaftigkeit und die Möglichkeit der
Vergebung in den Blickpunkt rücken, könnten vor dem Hintergrund
moraltheologischer Vorstellungen erörtert werden. Eine Deutung verlangt
gleichfalls der ungewöhnlich komplexe Aufbau der Lettnerszenen, die
ebenso wie die Kreuzigungsgruppe am Eingang, auf Augenhöhe zum
Betrachter, zu einem interaktiven Verhalten herausfordern, wobei die
kalkulierte Lichtführung als künstlerischer Faktor mit zu
berücksichtigen wäre. In diesem Zusammenhang sollte über Naumburg hinaus
auf neuartige Erzählstrukturen innerhalb der Bildkünste des 13.
Jahrhunderts und deren Sinngebung eingegangen werden. Die faszinierende
Pflanzenwelt an den Kapitellen und Friesen des Westlettners in ihrer
Verlebendigung und Naturnähe fordert zum Vergleich beispielsweise mit
Tendenzen innerhalb der Pariser Kunst oder an englischen Beispielen
gegen 1250 heraus. Das gestalterische Interesse und das den Formen
innewohnende Ordnungsprinzip legen eine Auseinandersetzung mit Fragen
nahe, die sowohl das Wissenschaftsverständnis des 13. Jahrhunderts als
auch das Verhältnis von Kunst und Natur in dieser Epoche berühren.
Bildprogramme an Lettnern und Schranken - Die Lettner des Naumburger
Meisters im europäischen Kontext - Gestalt und Voraussetzungen der
Westlettner in Mainz, Naumburg und Meißen - Weltgericht und Passion
Christi - Sünde und Vergebung, das Fegefeuer - Judasbilder - Reuige
Sünder - Religiöse Bewegungen im 13. Jahrhundert und ihr Niederschlag in
Literatur und Bildender Kunst - Erzählstil in der Reliefkunst des 13.
Jahrhunderts, Lichtregie, Formen der Interaktion zwischen Betrachter und
Bildwerk - Christusdarstellungen des 13. Jahrhunderts,
Passionsdarstellungen und ihr theologischer Hintergrund - Vegetabiler
Dekor innerhalb der Architektur des 13. Jahrhunderts, Morphologie,
Bedeutungsebenen, Naturaneignung - Charakterisierung der Juden in der
Kunst des 13. Jahrhunderts, Formen der Historisierung von Erzählstoffen
Die Glasmalereien des Naumburger Westchors
Leitung: PD Dr. Frank Martin (CVMA Potsdam) / Prof. Dr. Harald
Wolter-von dem Knesebeck (Universität Bonn)
Die Glasmalereien in den Westchorfenstern des Naumburger Doms blieben zu
einem wesentlichen Teil aus der Bauzeit erhalten. Sie können nicht
losgelöst von den Skulpturen des Naumburger Meisters gesehen werden und
ergänzen als integraler Bestandteil die skulpturalen Bildwerke zu jenem
komplexen Gesamtprogramm, in dem die Stifterfiguren die auffälligste
Position einnehmen. In ihrem mittelalterlichen Gehalt zählen die
Malereien in den Glasfenstern zu den meist beeindruckenden
Monumentalzyklen des Zackenstils. Die Sektion will neben dem
Skulpturen-Konnex der Frage nach den Vermittlungswegen des Zackenstils
nachgehen und exemplarisch die Wege von möglichen Vorlagen nachzeichnen.
Nicht nur die südalpinen und byzantinischen, sondern auch die westlichen
und thüringisch-sächsischen gattungsübergreifenden Reflexe sollen im
Fokus der Untersuchung des Zackenstils Naumburger Prägung stehen.
Während eine Analyse von Skulptur und Architektur mittlerweile nicht
mehr denkbar ist, ohne dass Technik und Werkprozess einbezogen werden,
bleibt die Entstehung eines Glasfensters meist unberücksichtigt. Die
Teilnehmer der Sektion sind deshalb auch aufgefordert, die technischen
Konditionen von Planung und Ausführung eines Glasfensters sowie der
Verortung im Bauverlauf bei der Betrachtung seiner ästhetischen Wirkung
und bei der stilkritischen Untersuchung vergleichend in Betracht zu
ziehen.
Entwicklung und Verbreitung des Zackenstils - Varianten des Zackenstils
in Glas-, Wand-, Tafel- und Buchmalerei - Byzantinische Quellen, Wege
des Austauschs - Auswirkungen des Zackenstils auf die Bildhauerkunst -
Tugenden-und-Laster-Zyklen als Rekurs auf antike Moralphilosophie und
scholastische Sündenlehre - Gemeinsamkeiten und Unterschiede der
Glasmalereien des 13. Jahrhunderts in Mitteldeutschland: Naumburg,
Erfurt, Merseburg, Meißen - Im Spannungsfeld der Werkstattbeziehungen:
Glasmalerei, Wandmalerei, Tafelmalerei, Buchmalerei - Licht und Farbe
von Glasmalereien im Verhältnis zur Fassung von Wänden und Skulpturen -
Figürliche Glasmalerei im Kontext gattungsübergreifender
Ausstattungsprogramme mittelalterlicher Kirchenräume - Die
Glasmalereiwerkstatt und -hütte in ihrem Verhältnis zur Bauhütte -
Entwurf, Herstellung und Versatz mittelalterlicher Verglasungen - Das
Zusammenspiel von Technik und Ästhetik
Weiterhin geplant:
Ausstellungsbesuch mit Diskussion (gemeinsamer Ausstellungsbesuch mit
schwerpunktmäßiger Diskussion am Abend des 7. und am Vormittag des 8.
Oktober)
Themen: Voraussetzungen der Skulptur und Architektur des Naumburger
Meisters - Werkzusammenhänge anhand der Ausstellungsobjekte - Die Frage
der "Identität" des Naumburger Meisters
Öffentliche Abendvorträge am 5. und 6. Oktober
Exkursion
Am 8. Oktober findet zum Abschluss des Kolloquiums eine Exkursion mit
Besichtigung der ehemaligen Zisterzienserabtei Schulpforte und des Doms
in Merseburg statt (Abfahrt um 13.00 Uhr am Domplatz in Naumburg).
www.naumburgermeister.eu
www.vereinigtedomstifter.de
Reference:
CFP: Der Naumburger Meister (Naumburg, 5-8 Oct 11). In: ArtHist.net, Jul 1, 2010 (accessed Apr 28, 2025), <https://arthist.net/archive/32852>.