CFP 10.07.2010

Stil-Linien diagrammatischer Kunstgeschichts-Schreibung (1-2 Apr 11)

Karsten Heck

Call for Papers

STIL-LINIEN DIAGRAMMATISCHER KUNSTGESCHICHTS-SCHREIBUNG

Tagung am Hermann von Helmholtz-Zentrum für Kulturtechnik der
Humboldt-Universität zu Berlin, Abteilung Das Technische Bild, in
Kooperation mit dem Deutschen Dokumentationszentrum für Kunstgeschichte /
Bildarchiv Foto Marburg

1./2. April 2011

Die Geschichte der Baukunst selbst hat die grösste Aehnlichkeit mit der
Geschichte der Entdeckung dieser Geschichte.
(Franz Mertens, Ergänzungen zum Text der Denkmalkarte des Abendlandes,
Berlin 1875, S. 2)

In den Manuskripten und Zeichnungskonvoluten kunsthistorischer Nachlässe
finden sich häufig diagrammatische Zeichnungen. Sie begegnen dem
Wissenschaftshistoriker in Form marginaler, skizzenhafter Graphien,
tabellarischer Gliederungselemente, Zeitleisten, kunsttopographischer
Karten, zu Graphen synthetisierter Daten oder großformatiger mind-maps.
Ziel der Tagung ist es, die relative Unsichtbarkeit dieser oft nur schwer
zugänglichen Archivalien zu überwinden, sie der wissenschaftlichen Analyse
zu öffnen und erste Schritte zu ihrer Reintegration ins Bildgedächtnis der
Kunstgeschichte und ihrer Wissenschaftshistoriographie zu gehen.

Die Auseinandersetzung mit diagrammatischen Notationen aus der Hand von
Kunsthistorikern eröffnet eine wissenschaftshistorische Perspektive, die
über eine auf Institutionen und Biografien reduzierte
Disziplinengeschichte hinausführt. Diagramme als Zeugnisse
historiographischen Forschens ernst zu nehmen bedeutet, eine Geschichte
des Explorierens und Kartierens von Forschungsfeldern zu schreiben, auf
denen Akteure und Artefakte, sie verbindende Relationen und prozessuale
Entwicklungen in Punkte, Linien und Flächen überführt und als solche Teil
einer diskursiven Praxis wurden. Dieser Ansatz trachtet danach, das
diagrammatische Zeichnen als eine bildliche Praxis der Theoriebildung, als
eine Kulturtechnik zur Handhabung des rein Denkbaren für die
Wissens-Geschichte der Kunstgeschichte fruchtbar zu machen. Anhand von
Visualisierungen der Stilentwicklung oder synoptischer Darstellungen der
Kollektivsingulare und Totalitätskonstruktionen Kunst und Architektur
lässt sich die Geschichte diagrammatischer Kunstgeschichtsschreibung von
ihren Anfängen im 19. Jahrhundert her rekonstruieren.

Der zeitliche Fokus erscheint insofern sinnvoll, als damit speziell die
Gründungs- und Konsolidierungsphase in der Ausbildung des
wissenschaftlichen Apparates der noch jungen Disziplin Kunstgeschichte in
Augenschein genommen wird. Diese ging, auch infolge der weitgehenden
territorialen Neuordnung Europas nach dem Wiener Kongress von 1814/15,
einher mit der erstmaligen flächendeckenden und institutionalisierten
Erfassung der Bau- und Kunstdenkmäler. Voraussetzung dafür war es, eine
Klassifizierung und Periodisierung von bis dato unbekannten Größen nach
neu zu erarbeitenden wissenschaftlichen Kriterien zu entwickeln. Die
graphische Stilgeschichte wird somit auf zwei Ebenen greifbar: zum einen
auf der des Materials, zum anderen auf der des Erkenntnisgewinns und
seiner medialen Bedingtheit im Arbeitsprozess selbst.

Den Anstoß zu der Tagung gibt die enge Verzahnung formaler und
inhaltlicher Art der Nachlässe der Architekturhistoriker Heinrich von
Geymüller (1839-1909) und Franz Mertens (1808-1897), aus der sich die
Zusammenführung der Fragestellungen und Zwischenergebnisse zweier
Forschungsvorhaben anbot:

1. Das Dissertationsvorhaben DIAGRAMME DER STILGESCHICHTE - Elemente einer
Stilgeschichte der Diagramme von Karsten Heck, in dessen Zentrum die
Arbeiten Heinrich von Geymüllers stehen und welches im Rahmen des Projekts
Das Technische Bild am Hermann von Helmholtz-Zentrum für Kulturtechnik der
Humboldt-Universität zu Berlin angesiedelt ist.
http://www.kulturtechnik.hu-berlin.de/content/dissertation-karsten-heck

2. Das Projekt ARCHITEKTURGESCHICHTE UND INTERMEDIALITÄT - Der Nachlass
des Berliner Bauforschers Franz Mertens (1808-1897) von Wolfgang
Cortjaens, das durch ein DFG-Forschungsstipendium gefördert und vom
Deutschen Dokumentationszentrum für Kunstgeschichte der
Philipps-Universität Marburg / Bildarchiv Foto Marburg unterstützt wurde.
http://www.fotomarburg.de/forschung/projekte/dfg_gepris.pdf

Der vorliegende Call for Papers richtet sich an Wissenschaftler, speziell
aus den Bereichen der Kunstgeschichte, Architekturtheorie und
Wissenschaftsgeschichte, deren Forschungsinteressen die Visualisierung
wissenschaftlicher Erkenntnis mittels graphischer Verfahren betreffen.
Gefragt sind sowohl weitere Fallstudien als auch übergreifende Beiträge.
Trotz der thematischen Engführung auf die Kunst- und Architekturgeschichte
des 19. Jahrhunderts sind interdisziplinäre Brückenschläge, beispielsweise
in die Philosophie, Geistes-, Natur- und Technikgeschichte, sehr
willkommen, sofern sie mit den zentralen Fragestellungen sinnvoll in
Relation gebracht werden. Gleiches gilt für den zeitlichen Rahmen: Zwar
steht das 19. Jahrhundert im Mittelpunkt der Beiträge, dennoch soll eine
Ausweitung auf das 20. Jahrhundert zugelassen werden, um so den
methodologischen Ausblick auf den Wandel von Informationstechniken
und -technologien in Forschung und Wissenschaft bis in die Gegenwart frei
zu halten.

Der weitere Projektverlauf fächert sich in drei Phasen auf:
1. Tagung am 1./2. April 2011: Vorträge in wahlweise deutscher oder
englischer Sprache von 20 Minuten Länge plus Diskussion.
2. Publikation: Die Beiträge und Ergebnisse der Tagung werden in Buchform
bzw. als Aufsätze im Katalog der sich anschließenden Ausstellung
publiziert. Je nach Zuschnitt der Beiträge und Interessenlage der Autoren
können sie darüber hinaus die Ausgangsbasis zur Kuratierung einer
Ausstellungssektion bilden.
3. Ausstellung (geplant für Ende 2011): In der Ausstellung soll neben dem
zentralen diagrammatischen Material ein breites Spektrum der visuellen
Vermittlungsstrategien kunst- und architekturhistorischer Forschung und
Literatur im 19. und frühen 20. Jahrhundert präsentiert werden:
Skizzenbücher und Handzeichnungen aus Forscher- und Architektennachlässen,
Graphik, Karten, illustrierte Mappenwerke, Gemälde, Fotografien etc.

Abstracts im Umfang von ca. 500 Wörtern richten Sie bitte bis zum 15.
September 2010 an:

Karsten Heck M.A.
Humboldt-Universität zu Berlin
Hermann von Helmholtz-Zentrum für Kulturtechnik
Das Technische Bild
Unter den Linden 6
10099 Berlin
Tel: +49-(0)30-2093-2610
karsten.heckhu-berlin.de

Dr. Wolfgang Cortjaens
Katholieke Universiteit Leuven - KADOC
Tel.: +49-(0)178-8521206
Wolfgang.Cortjaenskadoc.kuleuven.be

Quellennachweis:
CFP: Stil-Linien diagrammatischer Kunstgeschichts-Schreibung (1-2 Apr 11). In: ArtHist.net, 10.07.2010. Letzter Zugriff 16.10.2025. <https://arthist.net/archive/32822>.

^