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Häuslich - persönlich - innerlich.
Bereiche der privaten Frömmigkeitsausübung im späten Mittelalter und der
frühen Neuzeit
Interdisziplinäre Tagung des Instituts für Kunstgeschichte der
Universität Leipzig
in Zusammenarbeit mit dem Geisteswissenschaftlichen Zentrum für
Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas an der Universität Leipzig und
dem Lehrstuhl für Kirchengeschichte an der
Friedrich-Schiller-Universität Jena
8.7.-10.7.2010, Universität Leipzig
Bereits im Spätmittelalter vollzieht sich ein Wandel von
körperbezogenen, "äußeren" Frömmigkeitsformen zu einer Innerlichkeit des
religiösen (Er)Lebens. Die Tagung setzt an dieser Stelle mit der Frage
an, welche materiellen Voraussetzungen, Medien und räumlichen Rahmen
diese in die Innerlichkeit verlagerte Frömmigkeitsausübung brauchte bzw.
hervorgebracht hat. Im Fokus der Diskussion soll die lutherische
Konfession in ihrer Formierungsphase bis zum frühen 17. Jahrhundert
stehen. Doch sind Fragen nach Kontinuität und Brüchen seit dem
Spätmittelalter bzw. die vergleichende Perspektive zu den reformierten
und katholischen Konfessionen ausdrücklich gewünscht.
Infolge der Drei-Stände-Lehre Luthers und der Überzeugung von der
unvermittelten Beziehung des Gläubigen zu Gott erhielt das Haus als Ort
der Frömmigkeitsausübung und des religiös-sittlichen Lebens eine enorme
Aufwertung. Das "Haus" bedeutet dabei sowohl ein grundlegendes soziales,
wirtschaftliches - und nun auch religiöses - Konzept des
Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit, als auch den räumlichen Rahmen.
Viele der Medien der häuslichen Frömmigkeitspraxis sind multifunktional.
Sie können der häuslichen Katechese und der Frömmigkeitsanleitung durch
die Hauseltern ebenso dienen wie der persönlichen Andacht. Bücher, allen
voran die Bibel und bibelvermittelnde Literatur, spielen dabei eine
zentrale Rolle und sollen deshalb einen Untersuchungsschwerpunkt der
Tagung bilden. Doch sollen auch andere Formen von Schrift- und
Bildträgern beachtet werden, wie etwa Flugblätter oder auch mit
religiösen Szenen und Texten versehene Alltagsgegenstände. Letztere sind
als "Repräsentationen des Luthertums" verstanden worden, damit aber in
ihrer sakralisierenden Dimension vernachlässigt.
Es war eine seit dem Spätmittelalter gängige geistige Praxis, die
religiöse Meditation durch Lektüre und Bildandacht einzuleiten. Hier ist
von der Forschung zwar eine Traditionslinie zu den Frömmigkeitspraktiken
des Luthertums gezogen worden, doch fanden dabei die Bilder zu wenig
Beachtung. Es ist die These zu äußern, dass diese aber weiterhin
bedeutende memorative und vor allem das Innere des Gläubigen
beeinflussende und formende Funktionen hatten. Dabei ist nicht zuletzt
die Frage nach dem Verhältnis von Schrift und Bild neu zu stellen und
mit einer theologischen Unterscheidung zwischen menschlichem und
göttlichem Wort zu verbinden.
Konzept und Organisation:
Dr. Maria Deiters, Dr. Agnieszka Madej-Anderson
Domestic - personal - internal.
Aspects of private devotional practice in the late Middle Ages and the
Early Modern period
Interdisciplinary conference, Institut für Kunstgeschichte der
Universität Leipzig, Geisteswissenschaftliches Zentrum für Geschichte
und Kultur Ostmitteleuropas an der Universität Leipzig, Lehrstuhl für
Kirchengeschichte der Friedrich-Schiller-Universität Jena
July 8th - 10th, 2010, University of Leipzig
The change from corporeal and "external" devotional practices towards an
internalization of religious experience occurred already during the late
Middle Ages. Hence this conference is concerned with the material
conditions, media and spatial settings which were demanded or,
respectively, generated by devotional practices which had shifted
towards the internal realm. The discussion is intended to focus on
Lutheranism during its formative phase until the early 17th century.
Nevertheless, we explicitly encourage contributions addressing
continuities and breaks from the late Middle Ages onwards as well as
providing a comparative perspective with regard to Reformed
Protestantism and Catholicism.
A most significant change of emphasis was placed upon the house as
setting of devotional practice as well as religious and moral life,
resulting from Luther's tenet of the three estates and the conviction of
an immediate relationship between the faithful and God. In this context,
"House" means both a fundamental principle underlying the late Middle
Ages - social, economic, and increasingly religious - and the concrete
spatial setting.
Numerous media of domestic religious practice are multi-functional. They
may be employed for catechesis and parental religious instruction as
well as for personal devotion. Of central importance in this respect are
books - especially the Bible and literature imparting biblical knowledge
- which shall accordingly form one focus of the conference. Yet other
types of media employing words and images - such as pamphlets or objects
of everyday life with religious imagery and texts - shall equally be
addressed. These latter have traditionally been interpreted as
"representations of Lutheranism", to the detriment of their sacred
dimensions. The practice of introducing religious meditation by readings
and contemplation of images was well established by the late Middle
Ages. Scholarship has indeed pointed out the continuities between this
tradition and Lutheran devotional practices yet neglected the
significance of images in this context. We would argue that images
continued to fulfil vital functions, serving as mnemonic devices as well
as influencing and shaping the inner self of the faithful. The
relationship of word and image has to be reassessed and linked with the
theological distinction between humane and divine word.
Convenors: Dr Maria Deiters, Dr Agnieszka Madej-Anderson
Programm der Tagung / Conference Program
Donnerstag, den 8. Juli 2010 / Thursday, 8th of July 2010
Neuer Senatssaal, Rektoratsgebäude, Ritterstraße 26 (2. Etage/2nd floor)
9:00 - 9:30
Michaela Marek (Leipzig)
Begrüßung/Address of welcome
Maria Deiters (Berlin)/Agnieszka Madej-Anderson (Leipzig/Berlin)
Einführung/Introduction
MEDIEN UND PRAKTIKEN DER FRÖMMIGKEIT / MEDIA AND PRACTICES OF DEVOTION
Diskussionsleitung/Moderation: Michaela Marek
9:30 - 11:00
Susanne Wegmann (Halle)
Private Frömmigkeit contra Massenmedium? Die Reformation im Konflikt
zwischen Individualität und Massenwirksamkeit
Grazyna Jurkowlaniec (Warszawa)
Church Authority and Individual Devotion. The Cult of Maria
Regina/Madonna della Clemenza in Rome of the Middle Ages and the Early
Modern Era
Pause: 11:00 - 11:30
11:30 - 13:00
Evelin Wetter (Riggisberg/Leipzig)
Wege zur inneren Schau: Antwerpener Buchsbaumholzskulptur als Instrument
der Andachtspraxis und Artefakt frühneuzeitlicher Kunstkammern
Christoph Brachmann (Chapel Hill, NC)
Der Nachlass der Herzogin und Nonne Philippa von Geldern - eine
persönliche Sammlung von Gegenständen zum devotionalen Gebrauch
Pause: 13:00 - 14:30
Diskussionsleitung/Moderation: Jan Harasimowicz (Wroclaw)
14:30 - 16:00
Christine Sauer (Nürnberg)
Lutherische Erbauungsbücher für den persönlichen Gebrauch aus Nürnberg
Lee Palmer Wandel (Madison, WI)
Catechisms and their Images
Pause: 16:00 - 16:30
16:30 - 18:00
Ursula Kocher (Berlin)
In Bilder versenken. Emblematik als Mittel häuslicher Andacht
Marcin Wislocki (Wroclaw)
Wege zur neuen lutherischen Bildpraxis im Spiegel der emblematischen
Erbauungsschriften des 17. Jahrhunderts
Freitag, den 9. Juli 2010 / Friday, 9th of July 2010
Neuer Senatssaal, Rektoratsgebäude, Ritterstraße 26 (2. Etage/2nd floor)
MODELLE DER FRÖMMIGKEIT / PATTERNS OF DEVOTION
Diskussionsleitung/Moderation: Aleksandra Lipinska (Wroclaw)
9:00 - 10:30
Reindert L. Falkenburg (Abu Dhabi)
Heart of Stone: Typology as Devotional Instrument in Late Medieval Art
and Imagination
Volker Leppin (Jena)
Der gedeutete Tod: Sterbensmodelle zwischen ars moriendi und der
»Bereitung zum Sterben«
Pause: 10:30 - 11:00
11:00 - 12:30
Jörg Jochen Berns (Marburg)
Zur Psychologie bildgeleiteter Andacht im 16. Jahrhundert. Auskünfte der
katholischen und protestantischen Kontroversliteratur zur Bilderfrage
Ulrike Heinrichs (Berlin)
Das Verschwinden und Verbergen als bildkünstlerische Strategien der
Verinnerlichung
Pause: 12:30 - 14:30
Diskussionsleitung/Moderation: Dagmar Eichberger (Heidelberg)
14:30 - 16:00
Peter Schmidt (Bamberg/Frankfurt a.M.)
Vom Wohnen im Gehäuse des Herzens. Ein Bild und Frömmigkeitsmodell
zwischen den Epochen und Konfessionen
Agnieszka Madej-Anderson (Berlin/Leipzig)
Räume der Seele. Visuelle Modelle der Innerlichkeit in der geistlichen
Laienunterweisung
Pause: 16:00 - 16:30
16:30 - 17:15
Andreas Gormans (Aachen)
»Die Kirche in der Kammer« - Zum Verhältnis zweier Gemälde Emanuel de
Wittes aus dem Jahr 1678
Abendvortrag / Evening lecture: 19 Uhr / 7 p.m.
Institut für Kunstgeschichte, Wünschmanns Hof, Dittrichring 18-20 (5.
Etage/5th floor)
Berndt Hamm (Erlangen-Nürnberg)
Der Weg zum Himmel und die nahe Gnade. Neue Formen der
spätmittelalterlichen Frömmigkeit am Beispiel Ulms und des Mediums
Einblattdruck
Samstag, den 10. Juli 2010 / Saturday, 10th of July 2010
Institut für Kunstgeschichte, Wünschmanns Hof, Dittrichring 18-20 (5.
Etage/5th floor)
Diskussionsleitung/Moderation: Winfried Eberhard (Leipzig)
MEDIEN UND PRAKTIKEN II / MEDIA AND PRACTICES II
9:00 - 10:30
Susanne Kimmig-Völkner (Leipzig)
Christian Melzers Deutung von Hans Hesses Marienaltar in Buchholz als
Beispiel privater Heiligenmemoria
Vera Isaiasz (Berlin)
Private und öffentliche Glaubenspraxis im Pietismus: Das Beispiel Berlin
Pause 10:30 - 11:00
DIE BIBEL ALS MEDIUM, MODELL UND ORT DER RELIGIÖSEN PRAXIS /
THE BIBEL AS MEDIUM, MODEL AND PLACE OF DEVOTIONAL PRACTICES
11:00 - 12:30
Maria Deiters (Berlin)
Zur Aneignung der Bibel über das Bild. Die Bibeln des Nürnberger
Patriziers Martin Pfinzing und des Hallenser Seidenstickers Hans Plock
Ruth Slenczka (Berlin)
Vom vierfachen und einfachen Schriftsinn in der Kunst: Strategien
bildhafter Vergegenwärtigung der Heilsgeschichte im Spätmittelalter und
der Reformation
Pause: 12:30 - 14:00
14:00 - 15:30
Wim François (Leuven)
Carthusians, Modern Devouts and Vernacular Bible Reading in Late
Medieval Low Countries
Birgit Ulrike Münch (Trier)
»... umb der kinder und einfeltigen willen« oder: »Neuer Wein in alten
Schläuchen«?
Luthers Betbüchlein mit Passional als Substitut der altgläubigen
Heiligenlegenden zur privaten Frömmigkeitsübung
Pause: 15:30 - 16:00
16:00 - 16:45
Walter S. Melion (Atlanta, GA)
"Spectator ardens discere". The Visual Poetics of Scriptural Meditation
in Benito Arias Montano's "Humanae salutis monumenta" of 1571
Schlussdiskussion / Final discussion: 16:45 - 17:30
Die Tagung wird großzügig gefördert durch die Gerda Henkel Stiftung und
den Schroubek Fonds Östliches Europa.
Information und Anmeldung / Information and registration:
Dr. Maria Deiters
maria.deiterst-online.de
Dr. Agnieszka Madej-Anderson
madejandersono2online.de
Quellennachweis:
CONF: Haeuslich - persoenlich - innerlich (Leipzig, 8-10 Jul 10). In: ArtHist.net, 28.05.2010. Letzter Zugriff 04.07.2025. <https://arthist.net/archive/32714>.