CFP 03.02.2010

Kommunikation sozialer Mobilitaet (Marburg, 9-10 Jul 10)

AG Frühe Neuzeit

Call for Papers

Kommunikation sozialer Mobilität

Philipps-Universität Marburg,

9. - 10. Juli 2010

Soziale Mobilität ist in der Frühen Neuzeit ein allgemeines, die
Gesellschaftsstrukturen prägendes Phänomen im gesamten europäischen Raum,
welches bisher noch nicht systematisch und in der Breite seiner verschieden
Ausprägungen und Implikationen untersucht worden ist: Die Frühen Neuzeit
wird zwar noch immer mit dem recht starren Begriff der "Ständegesellschaft"
in Verbindung gebracht, obgleich längst gezeigt werden konnte, dass die
"Gesellschaftsschichten" durchlässig waren. Zentral hierbei waren
Institutionen, deren hierarchische Prinzipien die nötige Flexibilität
besaßen, um Aufsteigertum zu begünstigen, etwa Kirche, Militär, Höfe.
Daneben existierte das Finanzgeschäft, welches es Ambitionierten
ermöglichte, Land und Titel zu erwerben. Auch Ereignisse wie Kriege und
Epidemien, lösten sozialen Wandel aus und konnten somit Aufstiege
ermöglichen. So sicherte der im großen Umfang betriebene Verkauf von
Adelstiteln europaweit die gefüllten Kriegskassen.
Den diversen Aufstiegskanälen entsprechend lassen sich verschiedene soziale
Herkunftsgruppen des Aufstiegs unterscheiden. Während sich die Forschung den
Standeserhöhungen des Adels bereits in verschiedenen Studien gewidmet hat,
fehlen Untersuchungen zu weniger privilegierten Gesellschaftsschichten, etwa
des Bürgertums oder rechtlich unterprivilegierten Gruppen wie Juden. Die
neue gesellschaftliche Position mündete für die Aufsteiger natürlich nicht
sofort in konkreten Privilegien und einer faktischen Gleichstellung mit dem
etablierten Adelsschichten, sondern es mussten Anerkennungsstrategien
entwickelt werden. Spezifische Repräsentationsstrategien - Repräsentation
wird hier als Kommunikation sozialer Relationen wie Macht und Status
Begriffen - wurden nötig.

Hier setzt die Tagung "Kommunikation sozialer Mobilität" an, welche die
Arbeitsgruppe "Frühe Neuzeit: Herrschaft - Kommunikation - Transfer" des
Graduiertenzentrums Geistes und Sozialwissenschaften der
Philipps-Universität Marburg organisiert. Um den Begriff der sozialen
Mobilität und der mit ihr verbundenen kommunikationsbezogenen Implikationen
auch theoretische zu schärfen, sollen die folgenden Fragen im Zentrum der
Tagung stehen:

- Mit welchen Strategien verfolgten die Aufsteigerfamilien mit ihrer
Aufstiegspolitik? Was sind die historischen Hintergründe?
- Welche Bereiche der Repräsentation (etwa genealogische Bestrebungen,
bildkünstlerische Repräsentationsmittel, Zeremoniell, Textproduktion, usw.)
weisen einen eindeutigen "Kurswechsel" nach Titelerhalt auf?
- Was sind die visuellen, textuellen und handlungsbezogenen Implikationen
sozialen Aufstiegs? Gibt es aufsteigerspezifische Repräsentationsmuster?
Welchen Wirkungskreis entfalten diese?
- Reagierten die Etablierten in ihrer Repräsentation auf die
möglicherweise entstehende Konkurrenzsituation? Welche
repräsentationsbezogenen Auswirkungen gibt es für die Etablierten?
- Wird der Titelerwerb bzw. Verkauf einerseits in den Repräsentationen
von Aufsteigern und Etablierten thematisiert? Wie sieht auf der anderen
Seite das Verhältnis zur ursprünglich eigenen Sozialgruppe aus?
- Welche Arten von Individual- und Massenaggregationen gibt es?
- Konnte die intendierte Gleichstellung der sogenannten Aufsteiger mit
den Etablierten überhaupt erreicht werden? Über welchen Zeitraum und mit
welchen Mitteln wurde der Prestigekampf geführt, bis die Aufsteiger ihrem
Status angemessen von den Standesgenossen als ebenbürtig akzeptiert wurden?
Auf die theoriebezogene Fundierung der Fallstudien und ihre systematische
Einordnung in das Tagungsthema wird besonders Wert gelegt.

Die bisherige Forschung hat immer wieder versucht, die Repräsentation der
Aufsteiger im Bezug zu ihren Zielgruppen dem antithetischen Begriffspaar
Innovation/Imitation zuzuordnen und beschränkte sich dabei auf eine
bilaterale Beziehung zwischen Aufsteigern und Etablierten. Neuere
Forschungsergebnisse zeigen jedoch, dass dies zu kurz greift. Was die
Kulturtransferforschung bereits für den künstlerisch-kulturellen Transfer
über territoriale Grenzen erkannt hat (Krems 2007), soll in dieser Tagung
für den Transfer über soziale, statusbedingte Grenzen fruchtbar gemacht
werden. Begrüßt werden Beiträge, welche daher folgende Thesen
berücksichtigen:
- Innovation und Imitation, Tradition und Moderne sollen als Pole eines
breiten Spektrums begriffen werden, in welchem sich ein Normentransfer
zwischen den sozialen Gruppen bewegen kann.
- Repräsentation wird nicht nur von einer bilateralen Beziehung zwischen
Aufsteigern und Etablierten, sondern von einem multilateralen Spannungsfeld
weiterer sozialer Gruppen bestimmt, so dass von einer mehrgleisigen
Rezeption gesprochen werden muss.
Für Beiträge sind jeweils 30 Minuten Vortragszeit und 15 Minuten Diskussion
eingeplant. Eine Veröffentlichung der Vorträge ist vorgesehen. Die Bitte um
Vortragsskizzen richtet sich ausdrücklich auch an jüngere
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus allen geistes- und
spezialwissenschaftlichen Disziplinen mit einem Frühneuzeitbezug. Reise- und
Übernachtungskosten werden vorbehaltlich der Mittelfreigabe übernommen.

Abstracts mit einem Umfang von nicht über 800 Wörter und einem Lebenslauf
(beides im .doc-Format) können bis zum 5. März 2010 per Mail an
annika.hoeppnerstaff.uni-marburg.de eingereicht werden. Die Bewerber können
mit den Zu- und Absagen ihrer Abstracts bis zum 5.April 2010 rechnen.

Ansprechpartner:
Annika Höppner
Adresse
annika.hoeppnerstaff.uni-marburg.de
Weitere Informationen finden Sie auf der Homepage der Arbeitsgruppe "Frühe
Neuzeit":
http://www.uni-marburg.de/gsw-graduiertenzentrum/arbeitsgruppen/gruppe13

Quellennachweis:
CFP: Kommunikation sozialer Mobilitaet (Marburg, 9-10 Jul 10). In: ArtHist.net, 03.02.2010. Letzter Zugriff 07.07.2025. <https://arthist.net/archive/32347>.

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