Forum Kunstgeschichte Italiens
Call for papers
Zweite Arbeitstagung
Bonn, 26.-27. März 2010
Organisation:
Institut für Kunstgeschichte und Archäologie, Abteilung Kunstgeschichte
der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität, Bonn, in Zusammenarbeit
mit den beiden Max-Planck-Instituten für Kunstgeschichte,
Bibliotheca Hertziana, Rom, und Kunsthistorisches Institut, Florenz
Auf dem Forum 'Italienforschung' des 29. Deutschen Kunsthistorikertages
im März 2007 in Regensburg wurde beschlossen, zur Beförderung des
Austausches der an Universitäten, Museen und Forschungsinstituten sowie
freiberuflich tätigen Italienforscherinnen und -forscher einen
Arbeitskreis einzurichten, der sich regelmäßig jährlich trifft: auf den
jeweiligen Kunsthistorikertagen im Rahmen der Foren und in den Jahren
dazwischen zu Arbeitstagungen an wechselnden Orten mit wechselnden
Organisatoren. Auf dem Treffen des Forums anlässlich des
Kunsthistorikertages in Marburg wurde beschlossen, unsere zweite
Arbeitstagung in Bonn (Organisation: Roland Kanz / Georg Satzinger)
abzuhalten und dabei nicht - wie bei der ersten Tagung in Würzburg - ein
einziges Thema in den Mittelpunkt zu stellen, sondern mit drei Sektionen
mehreren aktuellen Arbeitsfeldern Gelegenheit zur Präsentation zu geben.
Aus den in Marburg vorgestellten Vorschlägen hat die Versammlung die
folgenden ausgewählt:
I. Einbettungen. Die Deutung von Objekten durch materiale Fassung
Die materiale Einbettung von historisch entfernten oder fremden Dingen
soll im Zentrum dieser Sektion stehen. Rahmung, Inkorporierung, Fassung
und Verbauen von materialen Objekten mit einem besonderen Zeugniswert,
ob er nun historisch oder heilsgeschichtlich bedingt ist, wurde in den
vergangenen zwanzig Jahren vor allem in den Forschungsfeldern zu
Reliquien und Spolien gut untersucht. Dabei war bisher das Mittelalter
der verbindliche Bezugsrahmen. Ohne eine künstliche Trennwand zwischen
den Epochen zu errichten, soll die Frage einer Geschichts-Auslegung ohne
Worte in die frühe Neuzeit getragen werden, eine Epoche also, in der
historische Bezüge durch das Aufkommen philologischer und antiquarischer
Methoden kritisch beleuchtet werden und sich zugleich ein zunehmend
autonomer Kunstdiskurs herausbildet.
Im Zentrum der Diskussion soll dabei die Koinzidenz der Herausbildung
von anspruchsvollen Begriffen von Geschichte (sei sie nun antiquarisch
oder philologisch) und Kunst (mit aller notwendigen Differenzierung) und
ihre jeweils spezifischen Möglichkeiten für die Interpretation
überkommener materialer Objekte stehen. Wie verändert sich der
Zeugniswert von Objekten durch den ihnen gegebenen neue materiellen
Rahmen? Welche Folgen zeitigt das jeweils neue Umfeld der Objekte für
den herkömmlichen Bezugsrahmen von Reliquie, Spolie und Trophäe?
Entzaubern die historischen und antiquarischen Diskurse die materialen
Objekte? Oder entsteht durch den Kunstbegriff ein neuer 'Schutzraum' des
Fiktionalen? Diese Fragen sollen an der konkreten, materialen Fassung
von Objekten - seien es Baureste, Vorgängerbauten, Körperreliquien oder
Trophäen - erörtert und diskutiert werden. Dabei ist sowohl an eine
tatsächliche materiale Einbettung der Dinge in einen neuen Zusammenhang
wie an eine fiktionale Wiedergabe solcher Objekte, etwa in Malerei,
gedacht.
Mögliche Themen sind unter anderen
- die Fassung, Rahmung, Inkorporation und Reproduktion von Münzen,
Medaillen, Reliquien, Gemmen, Exotica, Bildern, Ikonen, überhaupt von
Sammlungsstücken;
- der Umgang mit Vorgängerbauten und verbauten Objekten in der
Architektur;
- Restaurierung und Anstückung von antiken Statuen sowie deren
Darstellung;
- die fiktionale Repräsentation bzw. drucktechnische Reproduktion (im
weitesten Sinne also auch Siegel, Abdruck, etc.) von historisch
entfernten oder fremden Dingen;
- die Aufbewahrung, Fassung und Kontextualisierung von Freundschafts-
und Liebesgaben;
- die Fälschung von 'historischen Objekten' und deren Inszenierung;
- die Neupräsentation exhumierter frühchristlicher Heiliger.
Die Vorträge sollten 20 Minuten nicht überschreiten und thesenbezogen
sein, Abstracts den Umfang einer Dreiviertelseite haben.
Konzept und Koordination:
Urte Krass, urte.krass (at) kunstgeschichte.uni-muenchen.de
Matteo Burioni, matteo.burioni (at) kunstgeschichte.uni-muenchen.de
II. Die Leben der Künstler: Historische und aktuelle Perspektiven der
Künstlerbiographik
Bekanntlich ist an Vasaris monumentalen Vitenwerk (1550,1568) die
Prägekraft des biographischen Schreibens nicht nur hinsichtlich des
hierdurch vermittelten Bildes der Künstler, sondern auch im Hinblick auf
historische Konstruktionen von Kunst und ihrer Geschichte in der
modernen Forschung mehrfach thematisiert worden. So hat Hans Belting
bereits 1983 deutlich gemacht, wie sehr sogar aktuelle Entwürfe einer
Geschichte der Kunst von den Viten Vasaris geprägt wurden. Nicht zuletzt
dank der jüngsten, von Alessandro Nova begleiteten Neuübersetzung der
Viten Vasaris geriet verstärkt in den Blick, wie dieses Modell das Bild
der besprochenen Künstler formte bzw. es bis in die moderne Forschung
hinein prägte, obwohl die Viten einer zum Teil heftigen zeitgenössischen
Kritik ausgesetzt waren. Verantwortlich für die Wirkung Vasaris war
nicht von ungefähr sein Modell biographischen Schreibens über Kunst, das
am Leitfaden der antiken Biographik die Künstler in den Rang großer
historischer Persönlichkeiten erhob, deren Werke sie zu Marksteinen
eines biologistischen Entwicklungsmodells der drei Zeitalter und
teleologischen Prinzipien folgenden Geschichtsverständnis machte.
Kaum ein Genre in den Geistes- und Kulturwissenschaften ist jedoch
größeren Anfeindungen und begründeter Kritik ausgesetzt als die
Biographik, die trotz alledem wie kaum ein anderes Genre
kunsthistorischer Schriften blüht. Auch nach der Verkündung des "Todes
des Autors" durch die poststrukturalistische Literaturtheorie zählen
Monographien und Biographien nach wie vor zu den beliebtesten
kunsthistorischen Buchformaten und offerieren auch weiterhin Deutungen,
die Künstler als Subjekte und Identifikationsfiguren epochaler
Neuerungen erscheinen lassen. Dabei hat es auch im Fach nicht an
relevanten Versuchen gefehlt, das biographische Schreiben kritisch zu
reflektieren: Julius von Schlossers Ghiberti (posthum 1941), Roberto
Zapperis Annibale Carracci. Ritratto di artista da giovane (1989) und
Anthony Graftons Leon Battista Alberti (2000) markieren Versuche, das
Ganzheitsgebot der Biographik mit den spezifischen Anforderungen
kunsthistorischen Arbeitens auf originelle Weise zu verknüpfen.
Die Sektion möchte die Relevanz künstlerbiographischen Schreibens sowohl
in historischen als auch in aktuellen Sondierungen untersuchen. Dabei
sollen vor allem historische Analysen über die Weiterentwicklung des
literarischen Genres der Viten nach Vasari (z. B. Bellori, Malvasia und
Baldinucci) und der damit transportierten künstlerischen Leitbilder, wie
auch der aktuelle Umgang mit biographischem Material bis in das 19.
Jahrhundert in den Blick genommen werden. Gerade in der kritischen
Auseinandersetzung mit Vasari proklamieren Kunstschriftsteller des 17.
und 18. Jahrhunderts (oft implizit) neue historiographische Modelle
sowie neue Zentren und Leitbilder - so etwa Giovanni Pietro Bellori, der
sehr forciert (den von Vasari Michelangelo untergeordneten) Raffael zum
Bezugspunkt der Künstler seit dem späten Cinquecento aufbaut, dabei aber
keine explizite Geschichtsteleologie entwirft.
Darüber hinaus wird in historischer Perspektive grundsätzlich gefragt:
Wird hier nicht auch das Problem der Affirmation und Transformation des
Kanons greifbar? Und inwieweit sind diese als Folge eines veränderten
Geschmacks oder aber als Versuche der Destruktion historiographischer
Setzungen zu verstehen? Hier verdient der Übergang von der Forschung zum
Künstlerindividuum zu allgemeinen geschmackshistorischen Problemen
besonderes Interesse. Wie verändert sich die Spannung zwischen Leben und
Werk in der lebensgeschichtlichen Schilderung über den Künstler? Welche
Topoi werden in den Sentenzen, Anekdoten und Legenden transportiert und
welche kommen neu hinzu? Dabei sind vor allem die kleinen und großen
Formen des Erzählens von Belang: Wie finden Sentenzen, Anekdoten und
Legenden - trotz der von Kris/Kurz 1934 eingeleiteten kritischen Wende -
ihr Nachleben in der modernen Monographik? Wie geht der heutige
Kunsthistoriker bzw. die heutige Kunsthistorikerin mit 'biographischem
Füllmaterial' um? Welche Formen autobiographischen Schreibens werden von
der Biographik kritisch reflektiert? Wie reflektiert die Kunstgeschichte
den "Tod des Autors" und theoretische Strömungen wie New Historicism und
Gender Studies in ihrer biographischen Praxis?
Die Vorträge sollten 20 Minuten nicht überschreiten und thesenbezogen
sein, Abstracts den Umfang einer Dreiviertelseite haben.
Konzept und Koordination:
Elisabeth Oy-Marra, oymarra (at) uni-mainz.de
Valeska von Rosen, valeska.vonrosen (at) rub.de
Michael Thimann, thimann (at) khi.fi.it
III. Le Città visibili. Stadtforschung in kunsthistorischer Perspektive
Kaum eine europäische Kultur gilt als so "städtisch" wie diejenige
Italiens, wo die Eigenständigkeit urbaner Gebilde früh hervortrat. Sie
blieb auch nach solchen Phasen erkennbar, in denen die Städte politisch
an Bedeutung verloren hatten, und konnte europaweit als Modell und
Vorbild dienen. Nach wie vor vermitteln italienische Städte etwas von
dieser Komplexität, die sich nicht zuletzt in der architektonischen
Ausdrucksform wie auch in der Kunstproduktion zeigt. Für die
Kunstwissenschaft war die Stadt daher als Umfeld vieler ihrer Artefakte
stets präsent, sie wurde jedoch weniger häufig selbst oder in ihrer
Modellhaftigkeit zum Gegenstand der Forschung. Das hat verschiedene,
auch fachgeschichtliche Gründe, von denen einige auf der Tatsache
beruhen, dass die Stadt ein tendenziell "offenes Werk" ist, das
ständigen Veränderungen unterliegt und damit sowohl räumlich wie
zeitlich oftmals schwer einzugrenzen ist. Diese Prozessualität als
bedeutungskonstitutiv zu verstehen, Zeit als Aufbaufaktor und nicht nur
als chronologische Größe zu begreifen, ist eine der methodischen
Anforderungen, die sich kunsthistorischer Stadtforschung stellt.
Architektur und ein hoher Anteil der künstlerischen Produktion ereignen
sich hier nicht im abstrakten Raum des musée imaginaire, sondern sie
gestalten konkrete Räume, in denen fast immer verdrängt, überbaut,
verdichtet wird. Was man in diesem Sinn die longue durée der Stadt
nennen könnte, betrifft nicht nur das Italien der antiken Traditionen in
der Frühen Neuzeit, sondern auch Neugründungen, etwa in den Kolonien.
Die Sektion möchte zu Vorträgen ermutigen, die Städte oder auf sie
bezogene Artefakte als kunstwissenschaftliche Aufgaben reflektieren.
Gewünscht ist insbesondere die Erörterung räumlicher Probleme. Diese
finden oft keine explizite schriftliche Niederlegung und fordern vor
allem formanalytische Möglichkeiten der Kunstwissenschaft, die andere
Ansätze integrieren können. Beispiele für Themenfelder sind: Vorgänge
der Grenzziehung, der Besetzung und Zentrumsbildung, Verhältnisse von
Inklusion und Exklusion, Ausübung räumlicher Kontrolle. Städtische Räume
werden gekennzeichnet durch Überlagerungen und mehrfache
Beanspruchungen, die der Soziotop Stadt als jeweils spezifische Gestalt,
als individuelle Situation hervorbringt. Diese "Eigenlogik" der Stadt -
so ein Begriff der Soziologie - zeigt sich nicht nur in den jeweiligen
Architekturen selbst, sondern vor allem in den räumlichen Bezügen, die
zwischen diesen entstehen und bedeutungskonstitutiv werden. Wenn die
Stadt dabei Momente von Konstanz wie auch starker Veränderung aufweist,
sind solche Unterschiedlichkeiten interpretationsbedürftig. Gefragt ist
hier nicht nur die Analyse von Architektur und urbanistischen
Strukturen, sondern auch diejenige bildlicher Gattungen. Diese
beschränken sich nicht auf Veduten oder Städtebilder, sondern umfassen
sämtliche zeichnerische, malerische oder skulpturale Thematisierungen
von Stadt sowie einzelne performative Strategien (Einzüge, Theater).
Hinzu kommen Medien, die durch visuelle oder gestalterische Aufbereitung
das Wissen über Stadt generierten (Karten, Modelle) und damit auf deren
Wahrnehmung zurückwirkten.
Vorschläge für Referate können die Epochen vom frühen Mittelalter bis
heute thematisieren. Die Vorträge sollten 20 Minuten nicht überschreiten
und thesenbezogen sein, Abstracts den Umfang einer Dreiviertelseite
haben.
Konzept und Koordination:
Cornelia Jöchner, Joechner (at) khi.fi.it
Elisabeth Kieven, Kieven (at) biblhertz.it
Alessandro Nova, dirnova (at) khi.fi.it
Gerhard Wolf, dirwolf (at) khi.fi.it
Exposés/Abstracts werden bis zum 30. November erbeten an:
forum-bonn (at) italien.kunsthistoriker.net
Inhaltliche Fragen richten Sie bitte an die Koordinatoren der jeweiligen
Sektionen.
Die Einladungen ergehen im Laufe des Dezember.
Dir Organisatoren sind bemüht, auch diesmal eine Reisekostenerstattung
für die Referentinnen und Referenten zu ermöglichen.
Forum Kunstgeschichte Italiens
http://www.italien.kunsthistoriker.net/
Mailingliste zur Kunstgeschichte Italiens
Eine Mailingliste des Forums Italienforschung, die einem noch breiteren
Informationsaustausch und einer besseren Vernetzung dienen soll, ist
startbereit unter:
http://www.kunsthistoriker.org/mailingliste-italien.html
Bitte tragen Sie sich ein und reichen Sie diese Informationen auch im
interessierten Kollegenkreis weiter!
Quellennachweis:
CFP: 2. Arbeitstagung Forum Kunstgeschichte Italiens (Bonn, 26-27 Mar 10). In: ArtHist.net, 04.11.2009. Letzter Zugriff 19.10.2025. <https://arthist.net/archive/32065>.