ANN 27.11.2009

Abendschule: "Vergleichendes Sehen. Heute" (Berlin, Dec 09)

Denhart von Harling

Abendschule
Vergleichendes Sehen. Heute

Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelte der schweizer Kunsthistoriker
Heinrich Wölfflin das Vergleichende Sehen als kunsthistorische Praxis. Mit
Hilfe von zwei Diaprojektoren zeigte er zwei Kunstwerke nebeneinander, um
sie dezidiert zu vergleichen. Die seinerzeit revolutionäre Herangehensweise
ist, trotz PowerPoint, bis heute gängige Methode in der Kunstgeschichte.
Die Abendschule holt nun diese wissenschaftliche Praktik in den
Ausstellungskontext, befreit sie vom doktrinären Gebrauch und stellt die
Vorgehensweise in Frage. Sie fordert zu unerwarteten Versuchsanordnungen
auf und gibt Raum für die Methodik stützende oder stürzende Vergleiche.

Donnerstag, 03. Dezember 2009, 19 Uhr
Charlotte Klonk: Sehen im Museum
Beatrice von Bismarck: Vorher ­ Nachher

Charlotte Klonk: Sehen im Museum
Wie Brian O'Doherty schon 1976 bemerkt hat, ist der andachtsvolle
Betrachter vor einem einzelnen Meisterwerk in der sakralen Stille eines im
sanften Weiß zerfließenden Ausstellungsraumes die größte Museumsphantasie
des 20. Jahrhunderts. Trotz steigender Besucherzahlen und Blockbusterzwänge
träumt noch heute so mancher Museumsdirektor von diesem Ideal. Ein Blick in
die zweihundertjährige Vergangenheit der öffentlichen Kunstausstellungen
zeigt jedoch, dass man ohne vergleichendes Sehen nicht auskommt. Welche
Arbeit aber auf welche trifft und wie diese gehängt oder gestellt sind, ist
von zeitbedingten und nicht selten unbewussten Sehgewohnheiten abhängig.
Diesen auf den Grund zu gehen, lohnt sich, denn sie bestimmen das
Seherlebnis im Museum mindestens ebenso stark wie jede individuell gesuchte
Zwiesprache mit einem einzelnen Werk.

Charlotte Klonk lehrt seit 2006 Kunstgeschichte an der Humboldt- Universität
zu Berlin. Sie war Kuratorin im Museum für zeitgenössische Kunst in Gent,
anschließend Research Fellow in Oxford und Lecturer an der University of
Warwick. 2005/06 kam sie als Fellow an das Wissenschaftskolleg zu Berlin.
Gerade ist ihr jüngstes Buch Spaces of Experience: Art Gallery Interiors
from 1800 to 2000 (2009) bei Yale University Press erschienen.

Beatrice von Bismarck: Vorher ­ Nachher
Die Blickbewegung von einem Bild zum anderen und zurück will das
Betrachtete nicht selten selbst in Bewegung versetzen und ihm eine ­
modernistisch verstandene ­ Entwicklungsdynamik unterschieben. Im Sinne
eines “Vorher-Nachher³ rückt dabei das Fehlende als ausschlaggebendes
Kriterium in den Vordergrund. Was, wenn sich genau das Fehlende dem Blick
entzieht?

Beatrice von Bismarck, Professorin für Kunstgeschichte und
Bildwissenschaft, Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig. 1989 bis
1993 Städelsches Kunstinstitut, Frankfurt/Main Abteilung 20. Jahrhundert.
1993 bis 1999 Universität Lüneburg, Mitbegründerin und - leiterin des
“Kunstraum der Universität Lüneburg³. Seit 2000 Programmleiterin der
Galerie der HGB Leipzig sowie Mitbegründerin und - leiterin des
/D/O/C/K-Projektbereichs. 2009 Initiatorin des Studiengangs "Kulturen des
Kuratorischen".

Weitere Veranstaltungen in der Reihe "Abendschule":

Dienstag, 08. Dezember 2009, 19 Uhr
Mona Schieren: Raster rastern
Jan Verwoert: Motifs of Motion: Lies, Games, Creatures, God, Irony

Donnerstag, 10. Dezember 2009, 19 Uhr
Jörg Trempler: Wie im Katastrophenfilm? Die Fernsehbilder von 9/11
Peter Geimer: Das Unvergleichbare

Dienstag, 15. Dezember 2009, 19 Uhr
Michael Diers: Vergleiche hinken, oder: Die Lehre des Teufels
Sabeth Buchmann: Vergleichsweise abstrakt

Donnerstag, 17. Dezember 2009, 19 Uhr
Lena Bader: Doppelte Bilder vergleichend gesehen
Ursula Frohne: Anamorphosen des Kinos

Quellennachweis:
ANN: Abendschule: "Vergleichendes Sehen. Heute" (Berlin, Dec 09). In: ArtHist.net, 27.11.2009. Letzter Zugriff 02.08.2025. <https://arthist.net/archive/32057>.

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