CFP Jan 12, 2009

Was ist romantisch an der romantischen Kunst? (Goettingen, 27-29 Aug 2009)

Christian Scholl

Call for Papers

Tagung "Was ist romantisch an der romantischen Kunst? Kunsttheorie und
Künstlerpraxis."

Tagungsort:
Georg-August-Universität Göttingen

Zeitpunkt: 27.-29. August 2009

Organisation: Emmy
Noether-Forschungsgruppe "Romantikrezeption, Autonomieästhetik und
Kunstgeschichte" (PD Dr. Christian Scholl, Dr. Kerstin Schwedes und
Reinhard Spiekermann) in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Cordula Grewe,
Department of Art History and Archaeology, Columbia University New York

Die Tagung findet aus
Anlass des bevorstehenden Abschlusses des Emmy Noether-
Forschungsprojektes "Romantikrezeption, Autonomieästhetik und
Kunstgeschichte" statt.

Themenvorschläge mit
beiliegendem Exposé werden bis spätestens 30. März 2009 an folgende
Adresse erbeten:

PD Dr. Christian Scholl
Georg-August-Universität Göttingen
Kunstgeschichtliches Seminar
Nikolausberger Weg 15
37073 Göttingen

e-mail:
romantiktagung-goettingengmx.de

Zielsetzung der Tagung:

Die Geschichte der Kunst des 19. Jahrhunderts ist lange Zeit auf eine
sich anbahnende Moderne hin erzählt worden. Das Verständnis von
Romantik in Deutschland wurde hierdurch maßgeblich geprägt. Auf Kosten
der in ihrer Zeit erfolgreicheren Nazarener erfuhren dabei Künstler
wie Philipp Otto Runge und Caspar David Friedrich eine Neubewertung
als Vertreter einer progressiven Frühromantik. Die zunehmende
Reflexion über die in diesem Zusammenhang von der
Kunstgeschichtsschreibung geprägten Erzählmuster ermöglicht es nun,
die Frage nach einer bildenden Kunst der Romantik neu zu stellen. Ziel
der Tagung ist es, die jüngere Forschung zu Runge und Friedrich
einerseits und zu den Nazarenern andererseits zusammenzuführen, um die
Tragfähigkeit eines Romantikbegriffs für die bildende Kunst zu
verhandeln. Dabei soll das Spannungsfeld zwischen romantischer
Kunsttheorie und den im Einzelnen so unterschiedlichen künstlerischen
Praktiken vergleichend untersucht werden. Die Themenfelder reichen von
den konfessionellen Grundlagen über Theorien der Bildfindung bis hin
zum Medien- und Gattungsverständnis der Künstler und schließt auch die
Rezeptionsgeschichte mit ein.

Themenfelder der Tagung:

Der Romantikbegriff und die bildende Kunst:

Schon frühzeitig ist in der Forschung die Frage aufgekommen, ob man
angesichts der Vielfalt und Widersprüchlichkeit überhaupt von der
Romantik sprechen kann, oder ob man nicht eher den Plural "Romantiken"
verwenden müsste. Für die Malerei stellt sich diese Frage noch in
gesteigertem Maße, da traditionelle Ordnungskonzepte der
Kunstgeschichte wie etwa der Stilbegriff angesichts der divergenten
Phänomene, die man als romantisch beschreibt, offenkundig versagen.
Was man in der bildenden Kunst als Romantik bezeichnet, erweist sich
bestenfalls als eine Art Netzwerk von Künstlern, die ihr Schaffen auf
vergleichbare theoretische Prämissen gegründet haben, wobei dieses
Schaffen selbst kaum konsistente Merkmale aufweist. So ist die
Geschichte des Romantikbegriffs, die ja bereits im Bereich der
Literatur und Philosophie keineswegs geradlinig verläuft, in der
Anwendung auf den Bereich der Kunst nochmals komplizierter. Seit er um
die Mitte des 19. Jahrhunderts in der Kunstgeschichtsschreibung
gebräuchlich wird, wird er mit fließenden Grenzen eingesetzt: Er kann
etwa Künstler wie Runge und Friedrich sowie die Gruppe der Lukasbrüder
umfassen und selbst Vertreter der sogenannten Düsseldorfer Malerschule
einschließen, kann aber auch einzelne dieser Künstler oder
Künstlergruppen auslassen. Diese bis heute andauernde Inkonsistenz
ermöglicht es, den Romantikbegriff zu instrumentalisieren und
beispielsweise wie ein Gütesiegel einzusetzen, das man bestimmten
Künstlern gezielt verweigert. Aus diesem Grund ist es wichtig, diesen
Begriff in seiner historischen Entwicklung zu beleuchten und zugleich
auf seine Tragfähigkeit für die Kunstgeschichtsforschung hin zu
untersuchen. Dabei geht es speziell um den Dialog zwischen geistiger
Grundhaltung und künstlerischer Ausführung: Wie kommt es zu den
erstaunlich vielfältigen künstlerischen Antworten, wenn man einen
bestimmten Kanon an Grundfragen annimmt, der die Romantiker verbindet?
Und wie weit kann der Formenkanon ausgedehnt werden, bevor er den
Rahmen einer romantischen Kunst sprengt?

Gibt es eine Frühromantik in der bildenden Kunst?

Gerade die Kunst Runges und Friedrichs ist immer wieder mit der
Frühromantik in Verbindung gebracht worden. Die Möglichkeit, einen
Bereich aus der von vornherein doppelgesichtigen Romantik
herauszugreifen, ist jedoch nicht unproblematisch. Eine bildende Kunst
der Romantik setzt erst um 1802/03 mit Runges "Lehrstunde der
Nachtigall" und Friedrichs Sepia-Zyklus der Tages-, Jahreszeiten und
Lebensalter an. Zu dieser Zeit spricht man in der
Literaturwissenschaft nicht mehr von Frühromantik. Friedrich Schlegels
Auseinandersetzung mit der bildenden Kunst, die für die Nazarener
bedeutsam geworden ist, verläuft etwa parallel mit dessen Hinwendung
zum Katholizismus und bedeutet ihrerseits eine Abwendung von
frühromantischen Konzepten. Betrachtet man die "Herzensergießungen
eines kunstliebenden Klosterbruders" von Wilhelm Heinrich Wackenroder
und Ludwig Tieck als Gründungstext einer romantischen Auffassung zur
bildenden Kunst, so stellt sich die Frage, ob dessen retrospektive und
religiöse Züge überhaupt als "frühromantisch" bezeichnet werden
können. Insofern lohnt sich eine Auseinandersetzung darüber, ob es
überhaupt eine Frühromantik in der bildenden Kunst gibt.

Die "Konfessionen" romantischer Künstler: Katholizismus,
Protestantismus und Kunstreligion:

Für die Strukturierung der romantischen Kunst ist die Unterscheidung
zwischen den "norddeutschen Protestanten" Runge und Friedrich
einerseits und den zu "süddeutschen Katholiken" gewordenen Nazarenern
andererseits folgenreich gewesen. Die Konversion zahlreicher (aber
nicht aller) Nazarener zum Katholizismus ist von der protestantisch
dominierten Geschichtsschreibung von vornherein mit harscher Kritik
begleitet worden. Dabei kam die Vorstellung zum Tragen, das der
Protestantismus per se "progressiver" sei als der Katholizismus. Für
diese Vorstellung ist die historisch durchaus problematische
Konstruktion einer Traditionslinie zwischen Reformation und Aufklärung
bezeichnend. Die Entwicklung einer differenzierteren Sicht auf den
Zusammenhang von künstlerischem und religiösem Selbstverständnis bei
den Nazarenern gehört nach wie vor zu den Aufgaben der
Kunstgeschichtsforschung. Auch der Protestantismus Runges und
Friedrichs ist in seiner spezifischen Ausprägung zu hinterfragen.
Namentlich die Tradition des Pietismus ist in der Forschung immer
wieder hervorgehoben worden, wobei deren spezifische Wirkung immer
noch einer Klärung bedarf. Die neuerdings angenommenen Beziehungen
Friedrichs zur Freimaurerei sind schließlich ebenso zu diskutieren wie
Konzepte, die sich als "Kunstreligion" verstehen lassen.

Individuum und Gemeinschaft:

Mit der konfessionellen Differenzierung verbindet sich eine soziale:
Runge und Friedrich gelten als "Einzelgänger", während die Nazarener
als Gruppe auftreten. Als Gruppierung werden sie auch noch zu einer
Zeit aufgefasst, als die einzelnen Künstler keineswegs mehr an einem
gemeinsamen Ort wirkten. Bemerkenswert ist, dass sich diese
Konstellation auf der Rezipientenseite spiegelte: Die Kunst der
Nazarener war gemeinschaftsbezogen. Ihr religiöses Fundament war als
verbindender Mythos gedacht, während die Kunst Caspar David Friedrichs
individuell konstituiert war und sich auch an individuelle Betrachter
wendete. Bei Runge gibt es wiederum Tendenzen, die durchaus an das
nazarenische Ideal der Gesellschaftswirksamkeit erinnern. So wollte er
eine Kunstschule in Hamburg gründen und seine "Zeiten" in einem
öffentlichen Gebäude präsentieren. Das Verhältnis von Individuum und
Gemeinschaft ist daher ein wichtiger Aspekt, um bei den Künstlern der
Romantik Verbindendes und Trennendes herauszuarbeiten.

Innerlichkeit und Gestaltgebung:

Im Bereich der Kunsttheorie lassen sich zahlreiche Verbindungen
zwischen Runge, Friedrich und den Nazarenern feststellen. Hierzu
gehört die Vorstellung vom Künstler als Medium der göttlichen
Inspiration. Die Überzeugung, dass Kunst stärker von der religiösen
und moralischen Konstitution als von erlernbaren Fähigkeiten des
Künstlers abhänge, findet sich bei allen Vertretern der romantischen
Kunst. Gleichwohl unterscheidet sich deren künstlerische Praxis
radikal. Das Verhältnis von theoretischer Überzeugung und
Gestaltfindung muss daher mit seinen Spannungen und Paradoxien
thematisiert werden. In diesem Zusammenhang ist auch die Frage nach
dem Stellenwert schriftlich überlieferter Selbstzeugnisse nochmals neu
zu verhandeln, die namentlich in der Friedrich-Forschung immer wieder
diskutiert worden ist.

Die Medien der romantischen Kunst:

In einer Zeit, in der die Ästhetik die spezifischen Möglichkeiten und
Grenzen der jeweiligen Medien und Gattungen auslotete, entwarfen die
Romantiker ein Kunstkonzept, bei dem diese Grenzen bewusst
überschritten werden sollten. Das Verhältnis von Kunsttheorie und
Künstlerpraxis wird hiervon ganz unmittelbar berührt: Nicht nur die
Gattungshierarchie wird von den Romantikern in Frage gestellt, sondern
auch die Abgrenzung zur Poesie und zur Musik. Nahezu alle romantischen
Künstler bezogen Texte in ihre Bilder ein. Runge träumte von einem
poetischen Kommentar zu seinen Zeiten und dichtete selbst, um sich
seinen "poetischen Furor" zu bewahren. Friedrich Overbeck sah kein
Problem darin, sein Lehrgemälde "Der Triumph der Religion in den
Künsten" mit einem Kommentar zu versehen und zeigt in diesem Gemälde
Maria als Allegorie der Poesie.

Das Leitbild der Poesie stellt eine wichtige Verbindung zwischen
Künstlern der Romantik dar, während sich die jeweilige Auffassung und
Umsetzung dieses Leitbildes deutlich unterscheidet. In dieser Hinsicht
ist auch das Funktionsverständnis von Bildern zu behandeln, das die
Wirkung der jeweiligen Medien einerseits einbezieht, deren
Differenzierung andererseits aber bewusst durchschlägt.

Die Gattungen der romantischen Kunst:

Das Gattungsverständnis ist für die romantische Kunstpraxis wie auch
für die Rezeptionsgeschichte der Romantik von großer Bedeutung. Runge
und Friedrich gingen von der Landschaftsmalerei aus, die sie mit
Potenzierungsstrategien aufwerteten, welche im Sinne der
traditionellen Gattungshierarchie geradezu eine Überforderung
bedeuteten. Die Nazarener gingen demgegenüber von der Historienmalerei
aus, die alle Gattungen umfassen sollte. Letztlich konnte dies zu
einer Erneuerung der Gattungshierarchie führen, welche als Abkehr von
früheren romantischen Grundüberzeugungen verstanden werden kann.
Allerdings erreichten die Nazarener gerade mit dem Ausbau der
Historienmalerei eine Diskursfähigkeit, die als eigene Qualität
untersucht werden muss.

Die rezeptionsgeschichtliche Sicht: Verbindungen und Differenzierungen:

An der Formierung von Romantik hat die zeitgenössische Kunstkritik von
Beginn an einen erheblichen Anteil gehabt. Namentlich Romantik-Gegner
wie die "Weimarer Kunstfreunde" Goethe und Meyer haben anfangs dazu
beigetragen, Künstler in eine Verbindung zu bringen, deren
künstlerische Praxis durchaus differierte. Dies erscheint für eine
positive Definition von Romantik problematisch, entspricht aber
durchaus der spezifischen Qualität dieser Bewegung. Das Romantische
wurde ja nicht zuletzt als Gegenentwurf zum Klassischen entwickelt und
entzog sich einer immanenten Definition bereits von seiner Anlage her.
Später lässt sich die Differenzierung und Aufspaltung der romantischen
Bewegung ihrerseits als rezeptionsgeschichtlicher Vorgang erfassen,
der Friedrich und Runge von den Nazarenern abkoppelte, aber auch
innerhalb der Nazarener (etwa zwischen Cornelius und Overbeck)
Gewichtsverlagerungen vornahm.

Reference:
CFP: Was ist romantisch an der romantischen Kunst? (Goettingen, 27-29 Aug 2009). In: ArtHist.net, Jan 12, 2009 (accessed May 10, 2025), <https://arthist.net/archive/31217>.

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