CFP 19.05.2008

Körpernormierungen zwischen Temporalität und Medialität

Sigrid Ruby

Call for Papers

Interdisziplinäre Tagung: "'Für Dein Alter siehst Du gut aus'.
Körpernormierungen zwischen Temporalität und Medialität"

Justus-Liebig-Universität Gießen, 12. und 13. Dezember 2008

Die kulturelle Normierung von Körpern und Körperbildern ist sowohl in
historisch spezifische Körpertechnologien als auch in historisch
spezifische Zeitkonzepte eingebunden. Als Körpertechnologien gelten
Praktiken der "Arbeit am Körper", die als Investitionen in den Körper
bzw. in das Körperbild erachtet werden, wie z.B. Sport, Diät, Kleidung
und Kosmetik. Körpertechnologien meint aber auch Eingriffe in den
Körper im Sinne von physischen Interventionen, wie sie gegenwärtig
insbesondere durch die plastische Chirurgie, aber auch durch
Entwicklungen im Bereich der Gen- und Reproduktionsmedizin ermöglicht
werden.
Bezogen auf den "Kulturkörper" spätmoderner Gesellschaften, der als
ein formbarer und zu gestaltender erscheint, ist außerdem ein Zugleich
divergierender Zeitkonzepte festzustellen. Unterschieden wird zwischen
dem "tatsächlichen Alter" oder "Lebensalter", das sich nach dem
urkundlich dokumentierten und bevölkerungsstatistisch erfassten Tag
der Geburt mathematisch in Jahren berechnet, und dem so genannten
"biologischen Alter", das nach dem jeweiligen Zustand des
individuellen Organismus bestimmt wird, der als unabhängig von dem in
Zeit bemessenen "Lebensalter" gilt.

Diese Zeitkonzepte konkretisieren sich wiederum in unterschiedlichen
Feldern und Praktiken des normierenden Umgangs mit Körpern und
Körperbildern, die sowohl auf Ebene der Bevölkerung wie auch auf der
der Individuen zu verorten sind und auf noch genauer zu bestimmende
Weise ineinander greifen. In biopolitischer Hinsicht sind unter
anderem die Risikomarkierungen des staatlichen Gesundheitswesens und
die Bemessungsgrundlagen der Versicherungs- und Sozialsysteme zu
nennen, die sich am Konzept des "tatsächlichen Alters" orientieren.
Die Körperdisziplinierung der/des Einzelnen scheint wiederum zunehmend
an die Vorstellung von einem der Zeit tendenziell enthobenen
"biologischen Alter" gekoppelt zu sein, in dem sich Gesundheitsnormen
(im Sinne körperlicher und geistiger Leistungsfähigkeit) mit vor allem
ästhetisch kodierten Normen von Jugendlichkeit und Schönheit kreuzen.
Im Unterschied zum Konzept des "tatsächlichen Alters", das auf der
tradierten Vorstellung einer regelhaften Korrelation von in Jahren
gemessener Zeit und dem Zustand bzw. Bild des menschlichen Körpers
aufbaut, stehen hier die Differenzen in der Relation von
"Lebensalter" und Körper/Körperbild im Vordergrund. Diese Relation
scheint durch individuelle Investitionen in den Körper beeinflussbar.

Im Rahmen der interdisziplinär angelegten Tagung sollen folgende
thematische Schwerpunkte und damit einhergehende Fragenkomplexe
bearbeitet und diskutiert werden:

Verfahren/Strategien der Normierung
In welcher Weise werden Normierungen, die auf den Bevölkerungskörper,
und Normierungen, die auf die Disziplinierung des individuellen
Körpers zielen, in den Konzepten des 'tatsächlichen' und
'biologischen' Alters miteinander verknüpft

Was sind die 'Anreize' für die Individuen, sich diesen Normierungen
(aktiv) zu unterwerfen

Medialität/Körperbild
Wie oder inwiefern sind diese (Zeit-bezogenen) Normierungen des
"Kulturkörpers" an Bilder, also an Medien und Strategien der
Visualisierung gebunden

Wie wird der junge/alte/alternde/zeitlose Körper in der visuellen
Kultur zu sehen gegeben

Über welche Bilder/bildgebenden Verfahren wird Alter(n) visuell
inszeniert
Sind bestimmte Medien zur Darstellung der
jungen/alten/alternden/zeitlosen Körpers geeigneter als andere

Welche Rolle spielen medial vermittelte und historisch variable
Schönheitsideale bei der Normierung eines 'altersgerechten'
Körperbildes
Welche Differenzen ergeben sich in Bezug auf die
Kategorien Geschlecht, Ethnie, Klasse und Sexualität

Körperbilder/Identitäten
In welcher Weise sind bzw. werden Identitäten an das Bild und das
Alter des Körpers gebunden

Wie werden diese Verknüpfungen in den Konzepten des 'tatsächlichen'
und des 'biologischen' Alters her- und dargestellt

Körperbilder/Differenzen/Hierarchien
Zeichnet sich eine Angleichung der Geschlechter, der Ethnien und der
sozialen Milieus in Bezug auf die Normierung des Körpers/Körperbildes
ab

Lassen sich Tendenzen zu einer Infragestellung (der Relevanz) des
biologischen Geschlechts und seiner Bedeutung für das Körperbild oder
aber zu einer Stilisierung der heterosexuellen Geschlechterdifferenz
beobachten

In welcher Weise wird der junge/alte/alternde/zeitlose Körper als
Markierung sozialer Differenzierungen und Hierarchisierungen
eingesetzt

Normierung/Devianz/Subversion
Judith Butlers Konzept der Subversion von Normen bezieht sich u.a. auf
die Unmöglichkeit die Norm zu verkörpern, wobei Abweichungen von der
Norm sowohl auf die Instabilität von Normen/ Normierungsverfahren als
auch auf den Konstruktionscharakter der Norm/des 'Natürlichen' selbst
verweisen. Inwieweit wird dieses Subversionskonzept durch
Körpertechnologien, die direkt und materiell am Körper ansetzen und
eine weitgehende Angleichung an die Norm in Aussicht stellen, in Frage
gestellt

Ist der Verweis auf den Konstruktionsscharakter der Norm/des
'Natürlichen' angesichts neuer Körpertechnologien noch 'subversiv'

Welche Implikationen ergeben sich für das Verhältnis von Norm und
Abweichung, wenn Abweichungen von der Norm nicht mehr 'sichtbar' sind
bzw. verhindert oder gar ausgelöscht werden können

Wir bitten um Zusendung von Vortragsvorschlägen (abstracts, max. 1.600
Zeichen) aus dem Bereich der Kunstgeschichte sowie der Kultur-,
Geschichts- und Sozialwissenschaften zu den genannten
Themenschwerpunkten für den Zeitraum ab ca. 1960 bis in die Gegenwart.

Bitte schicken Sie Ihren Vorschlag bis spätestens 29. Juni 2008 an:
genderstudiessowi.uni-giessen.de.

Bei Rückfragen wenden Sie sich gerne auch direkt an die
Organisatorinnen der Tagung:
Dr. Sabine Mehlmann, Arbeitsstelle Gender Studies/Institut für
Politikwissenschaft, JLU Gießen,
sabine.mehlmannsowi.uni-giessen.de
Dr. Sigrid Ruby, Institut für Kunstgeschichte, JLU Gießen,
sigrid.rubygeschichte.uni-giessen.de

Das Konzept der Tagung (work in progress) ist in Kürze auf der
Homepage der Arbeitsstelle Gender Studies der
Justus-Liebig-Universität Gießen abrufbar unter:
www.uni-giessen.de/genderstudies

Quellennachweis:
CFP: Körpernormierungen zwischen Temporalität und Medialität. In: ArtHist.net, 19.05.2008. Letzter Zugriff 05.07.2025. <https://arthist.net/archive/30432>.

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