(for English and German abstracts see below)
Wallraf-Richartz-Jahrbuch (68/2007)
Inhalt
Berichte
9 Berichte aus westdeutschen Museen
Aufsätze
73 Studien zum Bautypus der Staffelhalle
Eva Hanke
117 Die Antwerpener Figuren des Museum Schnütgen. Fragmente des Retabels
der Kölner Kreuzbrüder
Niklas Gliesmann
161 A Shattered Jigsaw Puzzle On a Partly Reconstructed Altarpiece by the
Master of the Antwerp Adoration
Peter van den Brinck
181 Jan Lievens und Pieter de Grebber
Bernhard Schnackenburg
Miszellen
221 Die Goldschmiede Godefroy und Reiner von Huy Quellen und
Rezeptionsgeschichte
Jens Rüffer
239 Hieronymus Bosch. Facts and Records Concerning his Life and Work
Paul Huys Janssen
255 Der Dichter am Grab des Malers Randbemerkungen zu Nicoletto da
Modenas Apelles und Giorgiones Tempesta
Peter Lüdemann
265 Das Antwerpener Antoniusretabel in Kempen Ein Flügelaltar mit
gestalteter Rückseite (Rekonstruktion)
Godehard Hoffmann
275 Das Retabel des ehemaligen Annenaltars in St. Martin, Euskirchen
Christoph Schaden
Ein Nachtrag
279 Unbekannte Werke von Otto van Veen
Hans Ost
295 Identifikation eines Ehepaars auf zwei Bildnissen des Franz Kessler
(15801651)
Vera Lüpkes
301 Joseph Anton Kochs Zug der Heiligen Drei Könige in Düsseldorf. Eine
Antwort auf die Nazarener?
Christian Nikolaus Opitz
311 Ein pseudepigraphisches Porträt des Tizian
Roland Krischel
319 Isa Genzken, Kinder Filmen, 2005 . Die Bildhauerin und der
kinematographische Raum
Barbara Engelbach
Zusammenfassungen
Eva Hanke
Erstmals ist der als Staffelhalle, Stufenhalle oder Pseudobasilika
bezeichnete Bautypus Gegenstand einer umfangreicheren Untersuchung. Um die
Staffelhalle eindeutig vom Bautypus der Hallenkirche abgrenzen zu können,
nimmt die hier vorgeschlagene Definition die Höhe des Gewölbeansatzes als
Kriterium. Im Anschluss an einen Überblick über das geographische und
zeitliche Vorkommen der so definierten Staffelhalle werden einige Theorien
diskutiert, die die ungewöhnliche und ästhetisch problematische Baugestalt
der Staffelhalle zu erklären versuchen.
Niklas Gliesmann
Hinweise auf die Skulpturen des Anfang des 19. Jahrhunderts zerstörten
Antwerpener Retabels der Kreuzbrüderkirche in Köln fehlten bislang. Aus
technischen, motivischen und stilistischen Vergleichen mit erhaltenen
Retabeln aus Antwerpener Produktion und den zugehörigen, im
Wallraf-Richartz-Museum bewahrten Flügelmalereien lässt sich schließen, dass
einige der im Museum Schnütgen erhaltenen Antwerpener Figurenfragmente aus
diesem Zusammenhang stammen.
Peter van den Brink
Eine kleine doppelseitig bemalte Tafel in spanischem Privatbesitz mit der
Flucht nach Ägypten auf der einen und einem Bildfragment (der Unterkörper
einer Sitzenden, die Beine eines Kindes und ein Männerfuß) auf der anderen
Seite bildet den Schlüssel zur Rekonstruktion eines Marienretabels aus der
Zeit um 1520. Es kann, auch unter Zuhilfenahme der Infrarotreflektographie,
mit einer Werkstatt in Verbindung gebracht werden, deren Arbeiten unter dem
Notnamen 'Meister der Antwerpener Anbetung' firmieren.
Bernhard Schnackenburg
Die kritische Interpretation von Jan Orlers' widersprüchlicher,
Informationen des notorisch geltungssüchtigen Protagonisten spiegelnder
Lievens-Biographie (1641) und die Analyse des Frühwerks ergaben: Jan Lievens
begann seine Ausbildung in Leiden nicht mit acht, sondern wahrscheinlich mit
elf Jahren und beendete sie, statt in Amsterdam bei Pieter Lastman, in
Haarlem in der de Grebber-Werkstatt. Pieter de Grebbers von Goltzius, Rubens
und den Utrechter Caravaggisten beeinflusstes Frühwerk wurde richtungweisend
für den sieben Jahre jüngeren Lievens. Sein in den letzten Leidener Jahren
nach de Grebbers Vorbild entwickelter Eklektizismus bezog auch Rembrandts
Stil mit ein.
Jens Rüffer
Die Überlieferungsgeschichte zur Person der, aber auch die Zuschreibung von
Werken an die Goldschmiede Godefroy und Reiner von Huy ist keineswegs
eindeutig. Teilweise stark überarbeitete bzw. restaurierte Werke erlauben
keine weiterreichenden Schlüsse. Biographien bleiben weitgehend im Dunkeln.
Die Diskussion der Quellen verweist zudem auf manche Inkonsequenz
kunsthistorischer Argumentationen.
Paul Huys Janssen
Nach Durchsicht aller bekannten Archivalien wird die Biographie des
Hieronymus Bosch (um 14501516) neu aufgerollt. Bosch war ein angesehener
Einwohner von 's-Hertogenbosch. Seine Vermählung mit Aleid van de Meervenne
(um 14501523) förderte seine Position in der Stadt. Wenig Information
liefern die Dokumente über Boschs künstlerische Arbeit, doch die Bestellung
eines Jüngsten Gerichts durch Philipp den Schönen 1504 zeugt von der
Reputation des Künstlers.
Peter Lüdemann
Nicoletto da Modenas als Apelles bezeichneter Kupferstich scheint nicht den
antiken Maler, sondern einen Dichter vor dessen imaginärem Grabmal zu
zeigen. Damit wird nicht nur die mutmaßliche kunsttheoretische Aussage des
Stiches klarer, auch ein Detail aus Giorgiones Tempesta lässt sich
kohärenter deuten.
Godehard Hoffmann
An seinem ursprünglichen Standort in der Propsteikirche in Kempen war die
Rückseite des Antoniusretabels (um 1520) zum Nordseitenschiff gewandt und
mit Gemälden bekleidet, die sich heute getrennt vom Retabel in der Kirche
und im Städtischen Kramer-Museum, Kempen, befinden. In der Kirche erhalten
sind zudem Bilder von Vorder- und Rückseite der Predella, die den
Schnitzaltar ursprünglich trug.
Christoph Schaden
Nachdem 2000 ein fragmentarisch erhaltener Schnitzaltar in der Pfarrkirche
St. Martin, Euskirchen, der Werkstatt des ðAntwerpener ManieristenÐ Adrian
van Overbeck zugeschrieben werden konnte, weist nun die Rekonstruktion auf
der Grundlage neu zugeordneter Tafelmalereien nach, dass dieser Altaraufsatz
in einem bezugreichen Geflecht einst Motive der Emerentia-, Annen- und
Marienvita vereint hat.
Hans Ost
Otto van Veen (15561629), der Lehrer des Peter Paul Rubens, war einige
Jahre für den kurkölnischen Hof unter Erzbischof Ernst von Bayern tätig. Die
hierauf bezüglichen Nachrichten werden zusammengestellt, zwei bisher
unbekannte Gemälde van Veens werden bekannt gemacht, wobei u. a. auf die
"Quinti Horati Flacci Emblemata" des van Veen Bezug genommen wird.
Vera Lüpkes
Die Identifizierung zweier Porträts des in Köln tätigen Malers Franz Kessler
anhand der Wappenschilde bzw. Hausmarken gewährt Einblicke in die
kulturelle, wirtschaftliche und religiöse Situation Kölns im ersten Viertel
des 17. Jahrhunderts ebenso wie in die europäischen Verflechtungen einzelner
Händlerdynasien.
Christian Nikolaus Opitz
Joseph Anton Kochs Zug der Heiligen Drei Könige (1820) stellt ein spätes
Kapitel in der Auseinandersetzung des Künstlers mit der italienischen Kunst
des Trecento und Quattrocento dar. Wichtige Figurenmotive des Gemäldes
lassen sich als direkte Zitate aus Werken der altitalienischen Malerei in
Assisi, Florenz und Pisa identifizieren. Daneben kann man das Bild als
kritische Stellungnahme zur Kunst der Nazarener deuten.
Roland Krischel
Gegenstand der Untersuchung ist ein 1998 aufgetauchtes unbekanntes Schreiben
Tizians: Dem venezianischen Komödianten Andrea Calmo gegenüber zeigt sich
der Maler eifersüchtig auf das Lob, das der Literat dem jungen Tintoretto
spendet. Inhaltliche Unstimmigkeiten entlarven den Brief als Fälschung in
der gelehrten Tradition antiker Pseudoepigraphie.
Barbara Engelbach
Die Installation Kinder filmen (2005) von Isa Genzken wird in die Tradition
der Pop Art und der Appropriation Art gestellt, um die Besonderheit von
Genzkens Arbeitsweise aufzuzeigen, die zwischen Bildhauerei und
kinematographischem Einfluss angesiedelt ist.
Summaries
Eva Hanke
The type of structure referred to as a 'Staffelhalle', 'Stufenhalle', and
'Pseudobasilika' respectively is the subject of an extensive study for the
first time. The definition proposed here takes the height of the vault line
as its criteria in order to clearly delimitate the ŒStaffelhalle¹ from the
hall church type of structure. After a survey of the geographical and
chronological occurrences of the so defined 'Staffelhalle', several theories
are discussed that attempt to clarify the unusual and aesthetically
problematic architectural form of the 'Staffelhalle.'
Niklas Gliesmann
We have at present no information regarding the sculptures of the Antwerp
altarpiece from the Church of the Holy Cross at Cologne which was destroyed
in the early nineteenth century. Comparisons of the technique, motifs, and
style to still-existing Antwerp altarpieces as well as to the paintings from
the wings preserved in the Wallraf-Richartz-Museum indicate that several
figural fragments in the Museum Schnütgen originate from this context.
Peter van den Brink
A small panel painted on both sides in a Spanish private collection
depicting the Flight into Egypt on one side and a fragmentary image (the
lower part of the body of a sitting figure, a child's legs, and a male foot)
on the other side forms the key to the reconstruction of an Altarpiece of
The Virgin dating from circa 1520. With the additional assistance of
infrared reflectography it is also possible to link it with the workshop of
a painter whose works are known under the name of the ŒMaster of the Antwerp
Adoration.'
Bernhard Schnackenburg
A critical reading of Jan Orlers' contradictory Lievens biography (1641)
reflecting information by the notoriously validation-craving protagonist as
well as an analysis of the early works show that Jan Lievens did not begin
his training at the age of eight in Leiden, but very probably at the age of
eleven and that he did not conclude them in Amsterdam under Pieter Lastman,
but in the de Grebber workshop at Haarlem instead. Pieter de Grebber's early
style influenced by Goltzius, Rubens, and the Utrecht Caravaggists gave
direction to the work of the seven-year younger Lievens. The eclecticism of
his last years in Leiden followed de Grebber¹s model and also integrated
Rembrandt's style.
Jens Rüffer
The traditional biographical information as well as the attribution of works
to the goldsmiths Godefroy and Reiner von Huy are by no means certain. Works
that have been reworked or restored to some extent do not allow for
conclusive answers. Biographies remain unknown to a large extent. A
discussion of the sources also points to some inconsistencies in art
historical argumentation.
Paul Huys Janssen
After studying all the known papers and documents from the archives, the
biography of Hieronymus Bosch (circa 14501516) will be re-examined. Bosch
was a distinguished resident of 's-Hertogenbosch. His marriage to Aleid van
de Meervenne (circa 14501523) advanced his position in the city. The
documents provide little information about his artistic work, but a 1504
commission from Philip the Handsome for a Last Judgement testifies to the
painter's reputation.
Peter Lüdemann
Nicoletto da Modena's engraving said to depict Apelles does not seem to
portray the painter of antiquity but rather a poet before his imaginary
tomb. This not only makes the engraving¹s conjectural art theoretical
message clearer but it also allows for a more coherent interpretation of a
detail in Giorgione's Tempest.
Godehard Hoffmann
At its original location in Kempen Collegiate Church, the reverse of the
Altar of St Anthony (circa 1520) faced the north nave aisle and was covered
with paintings that have been separated from the altar and are now located
in the church as well as in the Municipal Kramer-Museum, Kempen. Pictures
from the front and the reverse of the predella onto which the carved
altarpiece was originally placed, are preserved in the church.
Christoph Schaden
After being able to attribute a fragmentarily preserved carved altarpiece in
the Parish Church of St. Martin at Euskirchen to the workshop of the
'Antwerp Mannerist' Adrian van Overbeck in 2000, the reconstruction based on
panels recently assigned to it reveal that the retable once contained a rich
arrangement of motifs from the lives of the Virgin, St. Emerentia, and St.
Ann.
Hans Ost
Otto van Veen (15561629), the teacher of Peter Paul Rubens, worked for some
years at the court of the Cologne Elector Archbishop Ernst of Bavaria. The
relevant information has been compiled and two previously unknown paintings
are published along with some remarks on Van Veen¹s "Quinti Horati Flacci
Emblemata."
Vera Lüpkes
The identification of two paintings by the Cologne painter Franz Kessler
based on heraldic shields and house signs respectively provides insights
into the cultural, economic, and religious situation in Cologne during the
first quarter of the seventeenth century as well as the links between the
various European merchant dynasties.
Christian Nikolaus Opitz
Joseph Anton Koch¹s Journey of the Magi (1820) represents a late chapter in
the artist's dealing with Italian art of the Trecento and Quatrocentro.
Important figural motifs can be identified as direct quotations from early
Italian paintings in Assisi, Florence, and Pisa. The picture can
additionally be interpreted as a critical commentary on the art of the
Nazarenes.
Roland Krischel
The subject matter of the study is an unknown letter by Titian that surfaced
in 1998: addressing the Venetian comedian Andrea Calmo, the painter shows
himself jealous of praise offered by the writer to the young Tintoretto.
Contextual discrepancies reveal the letter to be a forgery in the scholarly
tradition of ancient pseudoepigrapha.
Barbara Engelbach
Isa Genzken's installation Kinder filmen (2005) is seen in the Pop Art and
the Appropriation Art tradition to point out distinctiveness of Genzken's
working practice that veers between sculpture and cinematographic
influences.
Quellennachweis:
TOC: Wallraf-Richartz-Jahrbuch (68/2007). In: ArtHist.net, 19.04.2008. Letzter Zugriff 11.05.2025. <https://arthist.net/archive/30319>.