CFP Feb 1, 2008

Serialitaet und Reproduzierbarkeit (Giverny, 9-13 Jun 08)

Hubertus Kohle

Internationales Netzwerk für Kunstgeschichte
6. Internationale Frühjahrsakademie

Das Eine und das Viele: Serialität und Reproduzierbarkeit
Giverny, 9. bis 13. Juni 2008

Aufruf zur Bewerbung

Ausgehend von Claude Monets gemalten Serien – der Getreideschober und
der Pappeln in Giverny, dann der Kathedralen von Rouen – bis zu Marcel
Duchampsi Großer Schachtel war die Frage nach dem Einen und dem Vielen,
nach Serialität und Reproduktion für die zeitgenössische Kunst eine
Herausforderung. Das Thema spielt mindestens seit 1945 in den
transatlantischen Kunstbeziehungen eine Rolle. Frühere Stadien lassen
sich in der Normandie und in den Sammlungen des Musée des Beaux-Arts
(Rouen) exemplarisch studieren. Die Serien von Monet, der diejenigen
von Hokusai gesammelt hatte, erfuhren eine Neuinterpretation durch Roy
Lichtenstein. Dieser ersetzte den Pinselstrich des Malers durch die
Rasterstruktur der Photogravüre und reproduzierte sie großformatig. Der
durch Farbdruck vervielfältigte Angelus von Millet wurde für Salvador
Dali zu einem „tragischen Mythos“, aus dem er seine
„paranoisch-kritische Methode“ herleitete.

Reproduzierbarkeit ist ebenso wichtig für die Geschichte der Graphik –
man denke an Vorlagensammlungen für Totentänze, Reproduktionen von
Stichen, Lithographien und Fotos für Banknoten, Briefmarken, Postkarten
– wie für die Geschichte der Malerei. Durch die Studien von Stephen Bann
und durch die Veröffentlichungen des Musée Goupil (Bordeaux) avancierte
sie zum Kern der Forschungen über das Zeitalter des industriell
hergestellten Bildes. Über Bilddatenbanken und virtuelle Museen rückte
Reproduzierbarkeit in den Mittelpunkt des Bildsystems im aktuellen
Globalisierungsprozess. Reproduktion bzw. Reproduzierbarkeit schreibt
sich jedoch auch ein in eine Kunstgeschichte der langen Dauer: Abdrücke
von Händen erscheinen bereits in den prähistorischen Felsmalereien; die
Münzprägung verbreitet das Bild oder das Symbol von Macht, obwohl sie
dieses von einer zur anderen Neuausgabe verändert; die Skulptur wendet
sich dem Abdruck oder dem Abguss eines Modells zu, das sich in völlig
übereinstimmender oder in verkleinerter Form vielfach reproduziert
findet. Reproduzierbarkeit durchzieht schließlich die Kulturen seit den
Kacheln von Iznik und der Armee tönerner Krieger von Xi’an.

Dieses Phänomen ließ Gustave Flaubert, der sich doch über Klischees
lustig machte, in seinen Stil eingehen. Theoretisiert wurde es von Paul
Valéry (ausgehend vom Klang), Walter Benjamin (ausgehend von der
Fotografie, vom Film, von der Aura) und André Malraux (ausgehend vom
fotografierten Kunstwerk, das über den Kunstband Eingang findet in das
Musée imaginaire). Serialität, die mit Wiederholung und Variation
spielt, erlaubt, den traditionellen Gegensatz zwischen einzigartigem
Kunstwerk und Abbildung zu hinterfragen. Der herkömmlich angenommene
Gegensatz zwischen Original und Vervielfältigung verkehrt sich, wenn das
Original zur Vervielfältigung und die Vervielfältigung zum Original
wird. Serialiät gehört zur Geschichte der Buchherstellung und der
Ausstellungspraxis sowie zur Geschichte der Kunst und der Medien, aber
auch zur Musik- und Literaturgeschichte.

Serialität in der Interaktion mit Reproduzierbarkeit, d.h. die Frage
nach dem Einen und dem Vielen, ist der Gegenstand, dem das
Internationale Netzwerk für Kunstgeschichte in Zusammenarbeit mit der
Fondation Terra seine 6. Internationale Frühjahrsakademie widmet. Die
Veranstaltung wird vom

9. bis 13. Juni 2008 in Giverny

stattfinden (mit einer eintägigen Exkursion nach Rouen am 11. Juni). Die
Internationale Frühjahrsakademie ermöglicht Doktoranden aus
verschiedensten Fachgebieten, ihre Forschungen, Ansätze und Befunde vor
einem Publikum vorzustellen, das ohne jegliche Hierarchie aus
fortgeschrittenen Studierenden und anerkannten Wissenschaftlern
zusammengesetzt ist.

Bewerben können sich Magistranden, Doktoranden oder Post-Doktoranden.
Die Vorschläge für Referate sollten in engem Bezug zum Gegenstand ihrer
derzeitigen Forschungen stehen. Die Beiträge können jedem
geographischen Raum, jeder Zeit, jeder menschlichen Ausdrucksform
gelten. Die Exposés sollten nicht mehr als 1800 Zeichen oder 300 Worte
umfassen. Sie können in Deutsch, Englisch, Französisch oder Italienisch
verfasst sein. Ein kurzer Lebenslauf mit Informationen zum
Ausbildungsgang sollte beigefügt werden.

Die Unterlagen werden bis zum 29. Februar 2008 an

Frau Dr. Iris Lauterbach
Zentralinstitut für Kunstgeschichte
Meiserstrasse 10
80333 München
(I.Lauterbachzikg.lrz-muenchen.de)

erbeten. Das endgültige Programm wird dann in Absprache mit dem
international besetzten wissenschaftlichen Komitee erstellt.

Reference:
CFP: Serialitaet und Reproduzierbarkeit (Giverny, 9-13 Jun 08). In: ArtHist.net, Feb 1, 2008 (accessed May 11, 2025), <https://arthist.net/archive/30106>.

^