Jan 28, 2008

FORUM: Riesenrundgemaelde zur Schlacht am Bergisel

Katja Kwastek

Riesenrundgemälde zur Schlacht am Bergisel - Stellungnahme des Ludwig
Boltzmann Instituts Medien.Kunst.Forschung (Linz)

Wie aus einem offenen Brief des International Panorama Council vom
13.01.2008 hervorgeht, besteht die Gefahr einer Zerstörung des
denkmalgeschützten Innsbrucker Panoramas, bekannt als "Riesenrundgemälde
zur Schlacht am Bergisel". In Anbetracht der Tatsache, dass dieses
Ensemble (neben Den Haag, Altötting und Braine-l'Alleud) eines von nur
vier weltweit noch existierenden historisch weitgehend ursprünglichen
Panoramen ist, ist die aktuelle Diskussion um einen Transfer der
historischen Leinwand in ein neu zu errichtendes Museum (an anderer
Stelle) bei anschließender anderweitiger Nutzung der historischen
Panoramarotunde sowohl aus kunst- als auch aus medienhistorischer Sicht
höchst bedenklich.

Das Ludwig Boltzmann Institut Medien.Kunst.Forschung in Linz unterstützt
die Initiative des International Panorama Council zur Bewahrung des
historischen Ensembles ausdrücklich und möchte von seiner Seite noch
einmal dessen medienhistorische Relevanz herausstellen.

Als frühes visuelles Massenmedium stellen Panoramen einen unschätzbaren
Wert für die Mediengeschichte dar: Dass zur Ausstellung eines einzigen
Bildes ein ganzes Gebäude errichtet wurde, erscheint in Zeiten heutiger
Bilderfluten nahezu unvorstellbar. Dies gilt umso mehr, als sich auch
der an Massenmedien gewöhnte moderne Betrachter der Faszination der
historischen Panoramen kaum entziehen kann.

Als solitäre Bilderbauten und kommerziell agierende Unternehmen sind die
Panoramen Vorläufer des Kinos. In ihrer subtilen illusionistischen
Inszenierung künstlicher Welten sind sie gleichzeitig Vorläufer
aktueller immersiver Technologien, wie sie heute im Unterhaltungssektor
(Stichwort IMAX-Kino), in künstlerischen Installationen sowie für
Forschung und Entwicklung für virtuelle Simulationen genutzt werden.
Virtuelle Welten ziehen auch heute noch ein Massenpublikum an, sei es im
Cave des Linzer Ars Electronica Centers (der im Zuge des aktuellen
Museumsneubaus zu einem neuartigen 'VR-Theater' umgebaut wird), sei es
in verschiedenen Vergnügungsparks oder in Kunstausstellungen. Auch die
360°-Perspektive selbst erfährt neue Entwicklungen, wie zur Zeit
beispielsweise im Rahmen des Panorama Festivals des Karlsruher Zentrums
für Kunst- und Medientechnologie zu besichtigen.

Unsere Gesellschaft ist eine Mediengesellschaft, unser Umgang mit Medien
prägt unsere Identität und wird damit in zunehmendem Maße wichtiger
Bestandteil unserer Geschichte. Unser Mediengebrauch, die Funktion von
Medien zur Unterhaltung, Bildung, Propaganda, Erinnerung und
Kommunikation, stellen genauso wie die erstaunliche Dauerhaftigkeit des
menschlichen Traums von vollkommener illusionistischer Immersion ein
wichtiges Zeugnis unserer Medienkultur dar.

Das Innsbrucker Panorama ist eines der raren Beispiele, anhand deren
sich Besucher die Tatsache, dass es eigene Gebäude zur Beherbergung der
Panoramen gab, dass Menschen anreisten und Eintritt zahlten für die
Besichtigung eines einzigen Bildes bzw. das Eintauchen in seine
Bildwelt, eindrücklich vor Augen führen können. Die authentische
Erfahrung seiner historischen Inszenierungsstrategie lässt sich in einem
auch noch so gut gemeinten Neubau nicht kompensieren – wird der Großteil
der Besucher doch in Zeiten postmoderner Erlebnisarchitektur jegliche
Inszenierung intuitiv der Phantasie des heutigen Architekten zuschreiben
und kaum als mögliche Referenz auf die historische Präsentationsweise
verstehen. Diese Tatsache entkräftet auch von medienhistorischer Seite
die gern formulierte Rechtfertigung, die Bilder seien ja immer für
verschiedene Ausstellungen von Ort zu Ort transportiert worden. Damals
war das Panorama ein aktuelles Medium mit einer eigens dafür
geschaffenen, dem Publikum vertrauten Ausstellungs- und
Distributionsstruktur, heute jedoch ist es historisches Zeugnis, dessen
mediengeschichtlicher Kontext in einem zeitgenössischen Gebäude weder
vorhanden noch vermittelbar ist.

Gleichzeitig wird eine historische Panoramarotunde ohne Rundgemälde auf
ein städtebauliches Dekorationselement reduziert und ihres kunst-,
kultur- und medienhistorischen Wertes zur Gänze beraubt.

Der offene Brief des International Panorama Council ist abrufbar unter
http://media.lbg.ac.at/media/pdf/international-panorama-
council_20080113_off
ener-brief.pdf

Dr. Katja Kwastek
Researcher

Ludwig Boltzmann Institute
Media.Art.Research.
Kollegiumgasse 2
A-4010 Linz

phone: +43.650.7898.486
kwastekmedia.lbg.ac.at
http://media.lbg.ac.at

Reference:
FORUM: Riesenrundgemaelde zur Schlacht am Bergisel. In: ArtHist.net, Jan 28, 2008 (accessed May 9, 2025), <https://arthist.net/archive/29990>.

^