13. Symposion des Mediävistenverbandes in Bamberg 2009
"Farbiges Mittelalter"?!
Farbe als Materie, Zeichen und Projektion in der Welt des Mittelalters
2. - 5. März 2009
call for papers
Deadline: 15. März 2008
Farbig - das ist wohl das letzte Attribut, das die öffentliche Einschätzung
dem angeblich doch so finsteren Mittelalter zu attestieren gewillt wäre. Und
dennoch: Farbe(n) bestimmen in wesentlicher Form den mittelalterlichen
Alltag und insbesondere den künstlerischen Gestaltungswillen seiner
kulturellen Eliten. Das Spektrum reicht von der prachtvollen Ornamentik und
farbigen Ausstattung geistlicher und weltlicher Repräsentationsbauten über
die üppig verzierten Miniaturen und Buchmalereien schon der Reichenauer
Buchkunst bis hin zu den kostbaren gefärbten Stoffen, die von den
mittelalterlichen Autoren begeistert und ausführlich in ihren Werken
geschildert werden und für die Kleidung der adeligen und klerikalen
Oberschicht ebenso Verwendung fanden wie für die Ausstattung von Wohnstätten
und Altären. Die Herstellung von Farben, der Farbstoffhandel und die
Organisation des Färbergewerbes in den Städten spiegeln wesentliche
Stationen der Entwicklung des Handels im europäischen Spätmittelalter. - Die
mittelalterliche Humoralpathologie ist ohne Bezug auf die mittelalterliche
Farbenlehre nicht denkbar, wie auch die Farbenallegorese seit jeher einen
wichtigen Gegenstand der mittelalterlichen Bedeutungsforschung darstellt.
Das Wissen um den allegorischen Gehalt von Farben fand darüber hinaus
jenseits der theologisch-wissenschaftlichen Diskurse vom Mittelalter bis in
die Neuzeit Zugang in das öffentliche Bewusstsein. Farben und Ornamentik
transportieren durch ihre Verwendung für Wappen, Waffen, Ausrüstung und
Kleidung genealogisches Wissen und weisen ihre Träger als Repräsentanten
dynastischer und politischer Bindungen aus; Farben dienen durch
Ausschließungsverbote oder Zwangsverordnungen aber auch zur hierarchischen
Strukturierung der Gesellschaft sowie zur Stigmatisierung von Randgruppen
und Außenseitern. Die Ausdifferenzierung des Farbwortschatzes in den
mittelalterlichen (Volks)Sprachen verweist auf neue
Wahrnehmungsmöglichkeiten und Benennungsbedürfnisse. Farben spielen darüber
hinaus eine zentrale Rolle in der mittelalterlichen Literatur ebenso wie für
die mittelalterliche Rhetorik ("colores rhetorici"). Farbe -"color" -
bestimmt aber auch Musik und Musiktheorie des Mittelalters, sei es in den
Notationssystemen der ars nova oder aber in den Verzierungen des
musikalischen Satzes. Die Frage nach Materialität und Funktionalität von
Farben im Mittelalter ist zugleich nicht abzulösen von
rezeptionsgeschichtlichen Aspekten. Dies betrifft die neuzeitliche
Erwartungshaltung gegenüber mittelalterlicher Kunst und speziell
Baudenkmälern ebenso wie die grundsätzliche Wahrnehmung des Mittelalters als
"finstere Zeit".
Der Mediävistenverband wird sich beim 13. Symposium seinem Thema wiederum
interdisziplinär widmen. Die Beiträge sollen zu einer fächerübergreifenden
Diskussion motivieren. Die folgenden Stichworte verstehen sich als
Denkanstöße und Anregungen. Dementsprechend können durchaus Themen behandelt
werden, die über die angeführten Aspekte hinausgehen.
1. Terminologien
- Farbwörter in den Sprachen des Mittelalters
- "color" in Musik und Rhetorik
- inter- und intrakulturelle Differenzierungen
- Farbe in mentalitäts- und emotionsgeschichtlichen Kontexten
2. Repräsentationen und Imaginationen
- Farben in repräsentativen und dynastisch-genealogischen Kontexten
(Wappen, Waffen, Ausrüstung, Kleidung)
- Theologisch-philosophische Diskurse ("Theologie des Lichts",
Eckharts "Seelenfunke"), "Lichtmetaphysik", Farbe in der Visions- und
Frömmigkeitsliteratur
- Optische Theorien und die Rezeption der griechischen und
arabischen Quellen (Avicenna, R. Bacon, etc.)
- "Farbige Texte": die Bedeutung von Farben in den Literaturen und
ihrer Verschriftlichung
- Farbe im Kontext gesellschaftlicher Einbindungs- und
Ausgrenzungsmechanismen
3. "Materialitäten"
- Erzeugung, Transport, Handel
- "Fundstücke": Farbe in archäologischen Befunden
- Die Polychromie mittelalterlicher Architektur, Skulptur und
Malerei
4. "Rezeptionsgeschichte(n)"
- "Farbige" vs "finstere" Mittelalter-Perspektiven in der Rezeption
in Film, Presse und (neuen) Medien
- Das Mittelalter als "Antike" der Rezeptionsgeschichte
Erwünscht sind Vorträge aus allen mediävistischen Disziplinen, die neben der
fachinternen Orientierung interdisziplinäre Perspektiven eröffnen. Ganz
besonders herzlich laden wir Wissenschaftlerteams (je 2 bis 4 Personen) in
interdisziplinärer Zusammensetzung ein, die sich in Kooperation einem
thematischen Aspekt aus der Sicht verschiedener Disziplinen widmen wollen,
d.h. etwa eine Sektion gemeinsam gestalten.
Die Vorträge sind auf maximal 30 Minuten (inklusive Diskussion) beschränkt.
Die Vorschläge sind zusammen mit einem Abstract im Umfang bis zu einer Seite
in Form einer MS-Word-Datei bis zum 15. März 2008 an folgende Adresse zu
richten:
Prof. Dr. Ingrid Bennewitz
Lehrstuhl für deutsche Philologie des Mittelalters
Universität Bamberg
D-96045 Bamberg
E-mail: mvb-sympuni-bamberg.de
Quellennachweis:
CFP: Farbiges Mittelalter?! (Bamberg 2-5 Mar 08). In: ArtHist.net, 28.11.2007. Letzter Zugriff 10.05.2025. <https://arthist.net/archive/29847>.