Arbeitstagung
Ultravision. Zum Wissenschaftsverständnis der künstlerischen Avantgarden,
19101930
Do, 29.03.2007 bis Sa, 31.03.2007
Ort: Zentrum für Literatur- u. Kulturforschung, Schützenstr. 18, 10117
Berlin, 3. Et., Trajekte-Tagungsraum 308
Konzeption und Organisation: Dr. Sabine Flach und Dr. des Margarete
Vöhringer
Bildende Künste adressieren die Wahrnehmung. Als sich im 19. Jahrhundert
auch die Physiologie, Psychologie, Psychophysik und Psychotechnik derselben
annahmen und begannen, sie zu vermessen und zu trainieren, bildeten sich
Bündnisse sowohl hin zu den technisch präformierten Visualisierungsverfahren
als auch zu den Erkenntnisinteressen der zeitgenössischen
Lebenswissenschaften. Es entstand eine Situation, die sich durch den
Austausch von Ideen, Apparaten, Fragestellungen, Lehrprogrammen und
Praktiken insbesondere zwischen Avantgarde-Künstlern und
Lebenswissenschaftlern kennzeichnen lässt.
In diesem Sinne sollen für die Arbeitstagung "Ultravision" die Themen,
Praktiken, Werke, Methoden und Institutionen der Künstlerischen Avantgarde
zwischen 1910 und 1930 als eine groß angelegte Experimentalanordnung der
Sinneskulturen und Wahrnehmungsweisen untersucht werden. Mit dieser
Perspektive rückt die Frage nach dem Künstlerischen Forschen im Vergleich zu
den Erkenntnisweisen der Lebenswissenschaften in den Fokus.
Geht man mithin davon aus, dass das künstlerische Wissen dem
wissenschaftlichen Wissen vergleichbare Kompetenzansprüche artikulierte,
stellt sich die Frage nach seinem epistemischen Status. Der Mehrwert
künstlerischer Arbeit und ihre spezifische Erkenntnisweise, d.h. ihr Beitrag
zu und ihre Intervention in die wissenschaftlichen Diskurse sollen im
Zentrum der Vorträge und Diskussionen stehen. Mit Blick auf den gewählten
Zeitraum und den skizzierten Themenhorizont sind dabei folgende
Fragestellungen besonders zu berücksichtigen:
- Wie definierte sich das spezifische Wissen der Künste?
- Welche Theorien wurden von Künstlern entwickelt, um ihr spezifisches
Wissen in Zusammenhang zu den Lebenswissenschaften zu bringen?
- Welche Methoden und Verfahren wurden vom Künstler für seine Tätigkeit
gewählt und welchen Einfluss hatten diese auf den jeweiligen
Erkenntnisgewinn?
- Hatte der Austausch zwischen Künstlern und Wissenschaftlern Folgen für
beider Fragestellungen, Experimentalanordnungen und Erklärungen?
- Auf welche experimentellen Wissenschaften bezogen sich die Künste und
umgekehrt, welche Möglichkeiten boten die Künste diesen Wissenschaften?
- Inwiefern wirkten sich die künstlerischen Experimente und etwaige
Synergieeffekte durch kooperierende Disziplinen tatsächlich auf die
Bild- und Textproduktion der Zeit aus und mit welchen Konsequenzen für
die klassische Trias Künstler-Werk-Betrachter?
- Und schließlich, wie verhielt sich all dies zu den Leitmedien der Zeit
- Photographie und Film?
Die Arbeitstagung will den verschiedenen Transfers von praktischem und
theoretischem Wissen zwischen Künstlern und Wissenschaftlern nachgehen, um
zu sehen, welche Praktiken in welchen Disziplinen angewandt wurden, um mit
ihnen die Wahrnehmung zu analysieren.
PROGRAMM
Donnerstag, 29.3.2007
14:00 Uhr Begrüßung/Einführung: Sabine Flach, Margarete Vöhringer
15:00 Uhr HÖREN + SEHEN I (Moderation: Justus Fetscher)
Margareta Tillberg (MPIWG Berlin): 360° Extended Vision. M. Matiushin's
perception experiments in 1920s Leningrad.
Julia Kursell (MPIWG Berlin): Virtuoses Spiel. Zu N. A. Bernsteins
Psychophysiologie des Klaviers.
17:00 Uhr HÖREN + SEHEN II (Moderation: Ulrike Vedder)
Lars Blunck (Institut für Kunstgeschichte, TU Berlin): 'Points de vue' -
Überlegungen zu Marcel Duchamps Präzisionsoptik.
Otniel Dror (Hebrew University of Jerusalem): Technologies of the Blush
and the Visualization of Emotions.
Freitag, 30.3.2007
10:00 Uhr DYNAMISCHES SEHEN (Moderation: Inge Münz-Könen)
Vorträge mit Filmpräsentation
Margarete Vöhringer (ZfL Berlin): Auto-Lenkrad und Kino-Wahrheit - Dziga
Vertov im Kontext der Arbeitswissenschaften.
Oksana Bulgakova (ZfL Berlin): Bewegung Sprache Film: Über die
Zusammenarbeit von Sergej Eisenstein und Alexander Luria.
14:00 Uhr SYNÄSTHESIE (Moderation: Christina Pareigis)
Birgit Schneider (Helmholtz Zentrum für Kulturtechnik, Hu Berlin):
Interferenz der Sinne. Ton-Bild-Experimente in Kunst und Technik um 1925.
Cornelius Borck (McGill University, Montreal): Sinnesmontage. Zu Raoul
Hausmanns Prothesenvision.
15:30 Uhr INTUITION (Moderation: Martin Treml)
Karin Leonhardt (Institut für Kunstgeschichte KU Eichstätt-Ingolstadt):
Klima-Räume: Kandinsky und die Biometeorologie.
Ohad Parnes (ZfL Berlin): The Invention of Intuition 1900-1930.
19:00 Uhr ABENDVORTRAG (Moderation: Sabine Flach)
Linda Dalrymple-Henderson (University of Texas, Austin): Objects of
'Ultravision': The Fourth Dimension and the Ether of Space as the
Meta-Realities of Modernism.
Samstag, 31.3.2007
10:00 Uhr OPTISCH UNBEWUSSTES (Moderation: Uwe Wirth)
"Damit die alte Vorstellung vom Maler schwindet und an dessen Stelle der
Maler als Wissenschaftler tritt". Kasimir Malevich und die
Wahrnehmungswissenschaft seiner Zeit.
Alexandré Métraux - Teil 1
Sabine Flach - Teil 2
12:00 Uhr TELEPATHIE/ GEDANKENEXPERIMENTE (Moderation: Katrin Solhdju)
Ute Holl (Institut für deutsche Literatur, HU Berlin): Eine Lehre von
den Reflexen als politische Topologie. Zu Vladimir von Bechterevs
objektiver Psychologie.
Vladimir Velminski (Helmholtz Zentrum für Kulturtechnik, HU Berlin): Die
Macht der Gedanken. Interferenzen zwischen Literatur und Telepathie
15:00 Uhr Abschlusskommentar (Moderation: Margarete Vöhringer)
Carlo Barck (ZfL Berlin)
Ende: 16:30 Uhr
Kontakt:
Sabine Flach, flachzfl.gwz-berlin.de, 030/20192-178
Margarete Vöhringer, voehringerzfl.gwz-berlin.de, 030/20192-183
Quellennachweis:
CONF: Ultravision (Berlin, 29-31 Mar 07). In: ArtHist.net, 14.03.2007. Letzter Zugriff 27.12.2024. <https://arthist.net/archive/29089>.