Landschaft am »Scheidepunkt«. Evolutionen einer Gattung in Kunsttheorie,
Kunstschaffen und Literatur um 1800
Tagung des Sonderforschungsbereiches 482: »Ereignis Weimar-Jena. Kultur
um 1800«
28.-30. September 2006, Jena
Landschaftsmalerei lässt sich aufgrund der Vielfalt natürlicher
Erscheinungen und landschaftlicher Konfigurationen nur schwer
regulieren und systematisieren. Ihre vergleichsweise weiten
Gestaltungsspielräume werden in den Jahrzehnten um 1800 zum Gegenstand
künstlerischer Experimente und ästhetischer Debatten. Parallel vollzieht
sich eine Aufwertung der Landschaftsdarstellung auch in der
Literatur; hier wird nicht nur eine unmittelbarere Orientierung am
Naturvorbild eingefordert, sondern die Landschaft als ein dem
menschlichen Seeleninneren analoger Raum begriffen.
Sechs ernüchternde Jahre arbeiteten Johann Wolfgang Goethe und Heinrich
Meyer an den Weimarer Preisaufgaben, die der Hebung der zeitgenössischen
Historienmalerei dienen sollten. In seinem »Entwurf einer
Kunstgeschichte des 18. Jahrhunderts« (1805) erhoffte Meyer schließlich
von der Landschaftsmalerei, daß sie den »Übergang vom Realen zum
Idealen, vom bedungenen Nachahmen zum freien Denken« bewältigen möge:
»Vielleicht ist jetzt der Moment freier Wahl noch vorhanden, der,
verständig benutzt, uns zum Besten leiten wird; vielleicht sind wir eben
an den bedeutenden Scheidepunkt gelangt, zu welchem einmal verfehlten
Pfad keine Wiederkehr statt fände und alsdann das rechte Ziel auf immer
unerreichbar bleiben würde.«
Indem die Landschaftsmalerei um 1800 in das Zentrum des ästhetischen
Diskurses rückt, steigt die Verantwortung sowohl der Künstler als auch
der ihre Tätigkeit reflektierenden Theoretiker. Wenn sich »alles zur
Landschaft drängt«, so 1802 der junge Philipp Otto Runge, muß die
Gattung selbst neue Formen des Ausdrucks finden. Theorien der
Landschaftsmalerei sind unter diesen Umständen nicht mehr nur marginale
Beiträge zur Ästhetik; die Landschaftsmalerei selbst muß sich ihrer
Voraussetzungen und Ziele bewußt werden, so daß auch das Kunstschaffen
theoriebildend wird. In dem Maße, wie Literatur und Gartenkunst, aber
auch die Musik versuchen, mit ihren jeweils eigenen Mitteln bildhafte
Effekte zu erzielen, werden sie ebenfalls mit veränderten Erwartungen
konfrontiert; zugleich erweitern sie das Feld der Kunstformen, auf dem
der Landschaftsdiskurs verhandelt wird.
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Programm:
Donnerstag, 28. September 2006
14.00 Uhr: Begrüßung
14.15 Uhr: Hilmar Frank (Berlin)
Die Neuerungsdynamik der Landschaftskunst um 1800. Ein Überblick
15.00 Uhr: Constanze Baum (Berlin)
Rousseaus Elysium. Von der Landschaft in der Literatur zur literarischen
Landschaft
15.45 Uhr: Kaffeepause
16.15 Uhr: Cornelius Ludwig (Jena)
» ... das Gemüth in ästhetische Stimmung versetzen«. Zu Carl Ludwig
Fernows Aufsatz »Über die Landschaftmalerei«
17.00 Uhr: Steffen Egle (Heidelberg)
»... für Freundinnen und Freunde der Kunst«. Traktatliteratur und
Anleitungsbücher als Phänomen der Gattungsemanzipation und
Popularisierung von Landschaftskunst um 1800
19.15 Uhr (Abendvortrag): Élisabeth Décultot (Paris)
Die Landschaftsmalerei in den deutschen Kunsttheorien zwischen 1760 und
1790 und deren Einfluß auf die klassisch-romantische Diskussion um 1800
Freitag, 29. September 2006
9.15 Uhr: Detlef Altenburg (Weimar/Jena)
»Mehr Ausdruck der Empfindung als Mahlerey«. Über die Schwierigkeiten
der zeitgenössischen Musikästhetik mit dem malenden Genre
10.00 Uhr: Thomas Schipperges (Leipzig)
Zur Idylle in der Musik um 1800
10.45 Uhr: Kaffeepause
11.15 Uhr: Harald Tausch (Jena)
Der Garten als Ruine in der Landschaft
12.00 Uhr: Nikolas Immer (Jena)
Krisen im Grünen. Zum Funktionswandel der Landschaft beim frühen Ludwig
Tieck
12.45 Uhr: Mittagspause
14.30 Uhr: Reinhard Wegner (Jena)
Carl Blechen. Dramatische Landschaften
15.15 Uhr: Michael Maurer (Jena)
Wales. Die Entdeckung einer Landschaft
16.00 Uhr: Kaffeepause
16.30 Uhr: Markus Bertsch (Berlin)
Ossian in Rom. Zur Wirkungsgeschichte von Asmus Jakob Carstens\' Gemälde
»Fingals Kampf mit dem Geist von Loda«
17.15 Uhr: Thomas Lange (Amsterdam)
»Landschaft« als erste Erprobung der Abstraktion. Über das Verhältnis
von Bildtheorie und Geschichtstheorie im Werk Philipp Otto Runges
Samstag, 30. September 2006
9.30 Uhr: Klaus Manger (Jena)
Wie gelangt der Wanderer aus Klopstocks oder Goethes Landschaft in die
Landschaft Eichendorffs?
10.15 Uhr: Michael Thimann (Berlin/Florenz)
Blick in das Gelobte Land: Zur Transzendierung der Naturform in der
Landschaft der Nazarener
11.00 Uhr: Kaffeepause
11.30 Uhr: Johannes Grave (Basel)
»...zwischen mir und dem Bilde...«. Landschaft als Bildkritik bei Caspar
David Friedrich und den Nazarenern
12.15 Uhr: Schlußdiskussion
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Tagungsort: Rosensäle, Fürstengraben 27, 07743 Jena
Tagungsleitung:
Prof. Dr. Reinhard Wegner
Markus Bertsch, M.A.
Cornelius Ludwig, M.A.
Kontaktadresse:
Cornelius Ludwig, M.A.
Kunsthistorisches Seminar und Kustodie der
Friedrich-Schiller-Universität
Fürstengraben 18
07743 Jena
Tel.: 03641/944-176
Fax: 03641/944-172
Email: cornelius.ludwiguni-jena.de
Sonderforschungsbereich 482
»Ereignis Weimar-Jena. Kultur um 1800«
SFB-Zentrum: Humboldtstraße 34, 07743 Jena
Tel.: 03641/944-050
Fax: 03641/944-052
Homepage: http://www.uni-jena.de/ereignis
Quellennachweis:
CONF: Landschaft am Scheidepunkt (Jena 28-30 Sept 06). In: ArtHist.net, 15.09.2006. Letzter Zugriff 28.01.2025. <https://arthist.net/archive/28505>.