XXIX. Deutscher Kunsthistorikertag
Universität Regensburg, 14.-18. März 2007.
CALL FOR PAPERS
Einsendeschluß für Exposés: 24. April 2006
Der 29. Deutsche Kunsthistorikertag wird, noch von Jörg Traeger eingeladen,
in Regensburg stattfinden. Er verzichtet nach einhelligem Beschluß von
Vorstand und Regionalkomitee diesmal auf ein Motto und versteht dies
programmatisch: Die Tagung soll ganz im Zeichen einer sachlich-nüchternen
Hinwendung zu einer Vielzahl von Fragen und Themen stehen, die sich aus der
aktuellen Lage des Faches, durch den Veranstaltungsort und das besondere
Engagement der Vertreter des Regionalkomitees ergeben. Der Situation der
Denkmalpflege - Anlaß großer Sorge - gilt dabei besondere Aufmerksamkeit.
Die Struktur der Tagung mit drei Plenumssitzungen, in denen Impulsreferate
aus allen 15 (halbtägigen) Sektionen vereint werden, wird hoffentlich dazu
beitragen, der sich immer mehr verfestigenden Spezialisierung in unserem
Fach entgegenzuwirken und Gelegenheit geben, methodische Standpunkte und
grundsätzliche Fragen zur Orientierung des Faches gemeinsam zu diskutieren.
Einige Sektionen setzen zudem einen dezidierten Akzent gegen das zunehmende
Auseinanderdriften von Universität, Museum und Denkmalpflege. Ein klarer
Schwerpunkt liegt auf dem in Regensburg so präsenten Mittelalter, wie auch
die Sektionen zu neuzeitlichen Verwandlungen mittelalterlicher Bauten, zum
Synagogenbau und zum verehrten Bild in Spätmittelalter und früher Neuzeit
in besonderer Affinität zum genius loci stehen. Der Grundlagenforschung an
Museen und der Bedeutung von neuen Technologien für eine integrierte
Architekturforschung gelten weitere Sektionen. Erstmals ist die
Filmforschung vertreten, seit langem Desiderat wie auch die Sektion zu den
graphischen Künsten. Methodische Fragen im Kontext der Kunstliteratur und
unter den Bedingungen der digitalen Revolution sollen ebenso behandelt
werden wie Gegenwartskunst sub specie der Künstlerausbildung. In einer
Sektion zur Erforschung europäischer Kunstgeschichte in Asien wollen wir
Fragen einer globalen Perspektive unseres Faches ansprechen. Eine
Podiumsdebatte zur Situation der Denkmalpflege, offene Gesprächsforen zu
Teilgebieten des Fachs (Italienforschung, Film, Graphik u.a.), Ortstermine
zu einzelnen Sektionen, Postersektion und Exkursionen ergänzen das
Programm.
Interessierte Kolleginnen und Kollegen sind herzlich aufgefordert, ihr
Exposé (1-2 Seiten) an die Geschäftsstelle des VDK zu senden:
Verband Deutscher Kunsthistoriker e.V.
Geschäftsstelle c/o Kunsthistorisches Institut der Universität Bonn
Regina-Pacis-Weg 1
D-53113 Bonn
Die Auswahl der Vorschläge (pro Sektion sind fünf 30-minütige Vorträge
möglich) nehmen in gemeinsamer Sitzung die Sektionsleiter/innen und die
Vorstandsmitglieder vor. Einsendeschluß für Exposés: 24. April 2006.
Darüber hinaus soll eine Postersektion jüngeren Kolleginnen und Kollegen
Gelegenheit geben, ihre Forschungsprojekte einer breiteren
Fachöffentlichkeit zu präsentieren. Eingeladen sind wie immer Magistranden,
Doktoranden und soeben Promovierte, ihre Vorschläge einzuschicken. Die
Poster im Format A1 werden mit drei Preisen prämiert. Einsendeschluß für
Postervorschläge: 30. Oktober 2006.
Der Vorstand des Verbands Deutscher Kunsthistoriker
und das Regionalkomitee Regensburg/Erlangen/Nürnberg/Passau
Die mittelalterliche Kathedrale als vernetztes System
-----------------------------------------------------
Eine mittelalterliche Kathedrale erforderte die Organisation einer
Großbaustelle mit hohem logistischem Aufwand. So mußten die Arbeitsprozesse
aufeinander abgestimmt werden, von der Beschaffung des Baumaterials bis hin
zum fristgerechten Einsatz. Dazu kam die Koordination der Bau- und
Kunsthandwerker, nicht nur im technischen Ablauf, sondern auch in der
ästhetischen Kompatibilität. Der Architekt durfte nicht nur seine
baukünstlerischen Ideen umsetzen, sondern hatte auch für sinnvolle
Wartungsabläufe zu sorgen. Die Bauhütten entwickelten sich zu einer
komplexen Zentrale für die Gesamtabwicklung der Bautätigkeiten und für neue
technisch-konstruktive Errungenschaften; der Wissenstransfer von Bauhütte
zu Bauhütte umspannte ganz Europa. Die am Skulpturenschmuck der Portale und
an der Innenausstattung beteiligten Künstler mußten nicht nur die oft
ausgefeilten theologischen Bildprogramme umsetzen, sondern hatten auch
Privatwünsche von Stiftern zu berücksichtigen. Genauso aufwendig war die
Finanzierung des Projekts mit der Beschaffung der nötigen Geldmittel sowie
einem langfristigen Ausgabenplan und dessen buchhalterischer Überwachung.
Außerdem durfte die liturgische Nutzung während des Baus nicht unterbrochen
werden.
Die wissenschaftliche Bearbeitung eines derartigen Bauwerks ist im Grunde
ähnlich kompliziert und bedarf einer fachübergreifenden Zusammenarbeit,
wenn man zu einer ganzheitlichen Erfassung kommen will. Für diese Sektion
werden Beiträge erwartet, die paradigmatisch aufzeigen, um wie viel
größer - gegenüber der Einzelforschung - der Erkenntnisgewinn sein kann,
wenn man in interdisziplinärer Vernetzung arbeitet.
Achim Hubel / Manfred Schuller
Mittelalterliche Wandmalerei im Spiegel staatlicher Denkmalpflege.
Restaurierungsgeschichtliche Bilanz und methodische Perspektiven
------------------------------------------------------------------
Der Umgang mit den Resten mittelalterlicher Wandmalerei, die seit dem
späten 19. Jh. vermehrt freigelegt wurden, stand bereits in den ersten
Jahren einer institutionalisierten Denkmalpflege im Zentrum der
Fachdiskussion. Beim 4. Tag für Denkmalpflege in Erfurt (1903) war die
Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit in der Restaurierungspraxis
ein zentrales Thema, ebenso zwei Jahre später in Bamberg. Nach gut hundert
Jahren erscheint die Fragestellung für eine Geschichte der Disziplin so
lehrreich wie notwendig.
Die kunsthistorische Aufarbeitung mittelalterlicher Wandmalerei muß indes
noch immer als unzureichend gelten. Corpus-Bände gibt es für Deutschland
nicht, was gewiß nicht zuletzt mit Unsicherheiten gegenüber dem jeweiligen
Erhaltungszustand zu erklären ist. Die wenigen Ansätze einer stets nur
partiellen und regionalen Erfassung im letzten Jahrzehnt zeigen zudem, wie
sehr es hierzu interdisziplinärer Zusammenarbeit mit Restauratoren und
Historikern bedarf und wie selten dieser Anspruch nach wie vor eingelöst
wird. Dabei hat gerade die Restaurierungswissenschaft in den letzten
Jahrzehnten durch methodische und technische Fortschritte brauchbare
Vorgaben für ein gemeinschaftliches Vorgehen geschaffen, indem ungeahnte
Untersuchungs- und Konservierungsmöglichkeiten entwickelt und durch
systematische Dokumentation der Maßnahmen vielfach solide Arbeitsgrundlagen
bereitgestellt wurden. Auch die inzwischen etablierte Hochschulausbildung
für Restauratoren bietet neue Anreize zur Kooperation.
Die Sektion will die verschiedenen Initiativen zusammenführen und das
Spektrum der heutigen Möglichkeiten vor dem Hintergrund einer an
Fehlentwicklungen reichen Restaurierungsgeschichte vorführen. Dabei sollen
auch methodisch innovative Ansätze in Datierungsfragen zur Sprache kommen,
wie sie sich aus der Einbeziehung der modernen Bauforschung oder aus der
restauratorischen Analyse komplexer Schichtenpakete bei den
Architekturoberflächen ergeben, etwa hinsichtlich einer Trennung von Bau
und Ausmalung oder einer Differenzierung verschiedener Gestaltungsphasen.
Matthias Exner
Vergleich - Austausch - Transfer
---------------------------------
Die Kunstwissenschaft teilt mit dem human- und sozialwissenschaftlichen
Fächerspektrum den komparatistischen Forschungsansatz. Sie muß sich daher
am fächerübergreifenden Diskurs um den Vergleich als wissenschaftliche
Methode, über die Definition der dem Vergleich zugrunde liegenden
Einheiten, deren Grenzen bzw. Entgrenzung und über die Erweiterung der
traditionellen Komparatistik durch neue Fragestellungen beteiligen. Es geht
darum, im Vergleich beobachtete künstlerische Zusammenhänge als aus einem
wechselseitigen Austausch hervorgegangen zu verstehen, im
grenzüberschreitenden kulturellen Kontext zu verankern und die
Übertragungsleistung eines Transfers herauszuarbeiten. Während sich für die
Bezeichnung künstlerischer Austauschprozesse der 1985 von Michel Espagne
und Michael Werner in die Forschung eingeführte, methodenkritisch
motivierte Begriff "Kulturtransfer" bereits in der kunstwissenschaftlichen
Literatur eingebürgert hat, stehen theoretische Reflexion und Erarbeitung
eines methodologischen Rahmens noch aus.
Die intensiven künstlerischen Austauschprozesse des Mittelalters hier als
Arbeitsfeld zu erschließen, wird lohnend und fruchtbar sein: als
Repräsentanten einer "europäischen" Kultur vor und jenseits nationaler
Grenzen, im Prozeß des sich formenden Europa, stellen sie auch neue Fragen
an die Komparatistik.
In der Sektion stehen Beiträge zu Theorie und Methoden sowie Fallstudien,
insbesondere aus dem Mittelalter, zur Diskussion.
Heidrun Stein-Kecks
Das verehrte Bild im Spätmittelalter und der Frühen Neuzeit
------------------------------------------------------------
Sakrale Bildwerke und ihre Verehrung werden seit langem von der
Kunstgeschichtsschreibung beachtet, momentan mit steigender Intensität in
Hinblick auf bildwissenschaftliche Probleme (Hans Belting u. a.). Das
sakrale Bild steht damit im Zentrum differierender Forschungsinteressen.
Gerade deshalb ist es zentral, die Beschäftigung mit den Objekten selbst
sowie den kritischen Umgang mit den Quellen zu stärken.
Die Sektion wird ihren Schwerpunkt in der "westlichen" Kunst des
Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit haben, da in dieser Epoche und in
diesem Raum das sakrale Bild einen außerordentlich hohen Stellenwert
besaß - nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Reformation. Gleichzeitig
setzten sich damals neue Bildkonzepte und auch neue Medien durch, die das
sakrale Bild veränderten. Die Gemälde, Skulpturen und Graphiken, die in
Verbindung mit der Regensburger Wallfahrt zur "Schönen Maria" entstanden
sind, belegen diese Zusammenhänge in überregional bedeutender Weise.
Für die Sektion ergeben sich verschiedene Fragestellungen, bei denen es im
Kern immer um die Aufgabe des sakralen Bildes geht. Ein erster Themenkreis
könnte sich mit dem verehrten Bild als Bestandteil bzw. als Fremdkörper in
der Liturgie befassen. Ebenso wichtig sind systematische Überlegungen zu
typischen und untypischen verehrten Bildern. Von großer Bedeutung ist
ferner die konfessionelle Situation der Zeit, besonders die Frage nach dem
Bild in Theorie und Praxis des Protestantismus.
Christian Hecht
Forschungsresultate ohne Spekulationen. Kunsthistorische Forschungsarbeit
an Museen
--------------------------------------------------------------------------
Museen haben in der Erforschung von Werken der Bildenden Kunst häufig einen
Vorteil durch ihren direkten Zugriff auf den Forschungsgegenstand und sind
daher in der Lage, neben Grundlagenforschungen (z.B. technologischen
Untersuchungen) auch zusammenfassende kunsthistorische Darstellungen zu
liefern, was den Forschungsstand auf einer gesicherten Basis und ohne sonst
häufig nötige Hypothesen und Spekulationen deutlich verbessern kann.
Die Sektion soll an fünf Beispielen die museale Forschungsarbeit und ihre
Bedeutung für die Kunstgeschichte darstellen, sei es in der Form aktueller
und besonders wichtiger Forschungen, sei es in Zusammenhang mit der
museumstypischen Art der Präsentation, der Dauerausstellung und ihrer
wissenschaftlichen Grundlage. Ziel ist es, den Austausch zwischen der
universitären und der musealen Kunstgeschichtsforschung zu beleben. Die
vorzuschlagenden Themen sollten sich möglichst im Bereich des späten
Mittelalters und der frühen Neuzeit bewegen, um einen inhaltlichen
Schwerpunkt neben die Methodendiskussion zu stellen.
Ulrich Großmann
Neuzeitliche Adaptionen und Transformationen mittelalterlicher Bauwerke
--------------------------------------------------------------------------
Zwischen 1600 und 1800 wurden zahlreiche Sakral- und Profanbauten
substantiell umgestaltet - in der Regel "barockisiert", manchmal aber auch
in den vorhandenen Stilformen erneuert. Ältere Sinnstrukturen wurden dabei
in aller Regel selektiv bewahrt, insgesamt jedoch modifiziert und neu
präsentiert. Fast immer kam es zu Bedeutungsverschiebungen, jedoch kaum zu
radikalen Kontinuitätsbrüchen, es sei denn durch Purifikationen, die in
dieser Sektion gleichfalls Gegenstand von Untersuchungen sein können. Die
Spannweite der Veränderungen reicht von einzelnen Räumen über
Kirchenbauten, Kloster- und Residenzanlagen bis zur Umgestaltung ganzer
Städte.
Während früher besonders die "Barockisierung" von Sakralräumen im
Mittelpunkt des Interesses stand, sollten nunmehr verstärkt auch profane
Bauten und Anlagen berücksichtigt werden. Für alle Bereiche können sich
daraus nicht zuletzt auch Fragen der Denkmalpflege sowohl in der
Vergangenheit wie in der Gegenwart ergeben.
Neben der Behandlung von einzelnen bedeutenden Objekten wäre es
wünschenswert, übergreifende Strukturprinzipien der "Barockisierung"
offenzulegen.
Karl Möseneder
Graphik zwischen Experiment und Norm
-----------------------------------------
Der weit gefaßte Titel der Sektion zielt auf das besondere Charakteristikum
der Graphik, die - als Querschnittsmedium - wesentliche Aspekte der jeweils
zeitgenössischen Visualität bestimmt und reflektiert.
Die graphischen Künste verkörpern in ganz besonderer Weise das kulturelle
Gedächtnis und umfassen dabei nicht nur das schöpferisch weit
vorausweisende Meisterwerk, sondern auch den Transfer künstlerischer,
stilistischer oder ikonographisch wegweisender Bildentwürfe unter Einschluß
naturwissenschaftlicher Denk- und Darstellungsweisen. In Zeichnung und
Druckgraphik begegnen sich die privatesten und die öffentlichen Aspekte der
künstlerischen Arbeit. Überkommene ästhetische Konventionen werden
fortgeschrieben oder verändert. Im Spannungsfeld der persönlichen
zeichnerischen Formulierung und der meist schon auf die Verbreitung
weisenden Übersetzung auf die Platte sind wesentliche Aspekte des
Verhältnisses von Künstler und Publikum auszumachen. Graphik zeichnet sich
in besonderer Weise durch ihre differenzierten Funktionen, ihren
dokumentarischen oder affirmativen Charakter, ihre Rolle als Medium
stilistischer und technischer Neuerungen aus.
Die Beiträge der Sektion sollen exemplarisch die innovativen oder
kodifizierenden Funktionen von Graphik analysieren. Auch sind etwa
akademische Normen in Bezug auf die Druckgraphik und ihre Techniken im
Laufe der Jahrhunderte zu thematisieren sowie Begrifflichkeit, Funktion und
Form der Zeichnung.
Eckhard Leuschner / Anette Michels / Rainer Schoch
Synagogen in Deutschland
---------------------------
In den letzten Jahren hat die Synagogenforschung in Deutschland erheblich
zugenommen. Die Kenntnis mittelalterlicher Synagogen konnte durch Grabungen
präzisiert werden. Die der Reichspogromnacht 1938 zum Opfer gefallenen
Bauten werden historisch erforscht oder wenigstens virtuell oder als
Modelle rekonstruiert. Zudem entstehen anspruchsvolle, zukunftsweisende
Neubauten. Denkmalämter, bau- und kunsthistorische oder theologische
Universitätsinstitute, selbst Landesbibliotheken erforschen die lange Zeit
vernachlässigte Bauaufgabe der Synagoge. Es ist an der Zeit, die
methodischen Standards der Bearbeitung zu diskutieren und die wichtigsten
neuen Ergebnisse bekannt zu machen.
Der Kongreß in Regensburg, wo in jüngster Zeit wichtige neue Entdeckungen
zum Synagogenbau gelungen sind, bietet dazu willkommene Gelegenheit. Das
2005 vollendete Relief von Dani Karavan, über den Resten der
mittelalterlichen Synagoge in Regensburg errichtet, bietet für die
Aktualität der Synagoge ein anregendes Beispiel.
Hans-Christoph Dittscheid / Ronald Kecks / Harmen H.
Thies
Stadtplanung und Denkmalpflege nach 1945
--------------------------------------------
Die Sektion beleuchtet ein nicht selten als prekär empfundenes Verhältnis:
das eher unverbundene Nebeneinander oder gar Gegeneinander denn
Miteinander, wie z.B. ein Papier des Deutschen Städtetages 1965 bedauernd
konstatierte. Wo Formalismus und nüchterne Sachlichkeit in die Struktur
historisch geprägter Stadtkerne hineinregierten, Wirtschaft, Verkehr und
andere "Sachzwänge" das schützenswerte Objekt in seiner Existenz bedrohten,
mußte auch das Gesellschaftsbild des Stadtplaners in Verruf geraten, so am
deutlichsten vielleicht in den Schriften der Mitscherlich-Schülerin Heide
Berndt. Die Interesse- und Teilnahmslosigkeit der Denkmalpflege (Stichwort:
Wettbewerb Gesamtbebauung Pellerhaus Nürnberg, 1953) ist die andere,
weniger häufig thematisierte Seite der Medaille. Nur auf den ersten Blick
scheint es um den Wiederaufbau der kriegszerstörten historischen Stadtkerne
in Deutschland zu gehen. Doch ist eine solche Einengung nicht intendiert.
Denn auch für das Gebiet der DDR sind verschiedene Strömungen zu
beobachten. Neben den offiziell angestrebten "sozialistischen"
Stadtzentren, die in der Regel unter Verzicht auf die nach den
Kriegszerstörungen erhaltenen städtebaulichen Strukturen geplant und
teilweise auch geschaffen wurden, gab es seit den 1950er Jahren modellhafte
Bemühungen zur Stadtsanierung und städtebaulichen Denkmalpflege (Görlitz).
Spätere, dem unzureichend entwickelten Bauwesen geschuldete großflächige
Abbruchplanungen in den historischen Stadtkernen wurden glücklicherweise
nur zum Teil verwirklicht und ließen bis 1990 einen in der Regel zwar
geschädigten, aber noch sanierungsfähigen Bestand zurück.
Über 30 Jahre nach der Vortragsreihe "Veränderung der Städte. Urbanistik
und Denkmalpflege" im Zentralinstitut für Kunstgeschichte in München soll
das Thema unabhängig von örtlichen Präferenzen einer Revision unterzogen
werden, zumal es bis heute von seiner Brisanz nichts verloren hat.
Hartmut Ritschel / Wolfgang Schöller
Akademie und Avantgarde. Aporien der Künstlerausbildung im 20. Jahrhundert
--------------------------------------------------------------------------
Immer wieder müssen Kunstakademien ihre Existenzberechtung gegenüber
grundsätzlichen Anfechtungen erweisen: Was rechtfertigt die
Ausbildungsinstitutionen, wenn doch "Kunst" nach allgemeinem Verständnis
nicht lern- und lehrbar ist? Wenn weder eine technische Ausbildung noch
kunsttheoretische Konzepte Gewißheit für die Qualitätssicherung geben
können? Wenn nurmehr ein verschwindend geringer Anteil der Studierenden im
Berufsleben als Künstler erfolgreich ist?
Die Sektion will Fallstudien zusammentragen, in denen die Selbstbehauptung
und die Kritik einer zentralen Institution des Kunstbetriebs und womöglich
Alternativen zu den herrschendenPraktiken greifbar werden.
Hans Dickel /Peter Johannes Schneemann
Kunstliteratur im 20. Jahrhundert
---------------------------------
"Kunstliteratur", nach dem von Julius von Schlosser geprägten Begriff,
umfaßt historische, kritische ebenso wie theoretische Formen der
schriftlichen Auseinandersetzung mit visueller Gestaltung. Im 20.
Jahrhundert ist sie neben dem Museum einer jener Kontexte, in welchen
öffentlich verhandelt wird, was als Kunst zu gelten hat. Sie dokumentiert
und begleitet den Kunstbetrieb nicht nur, sondern gestaltet diesen mit,
definiert und überliefert Rezeptionsformen der Kunst. Dies gilt für alle
ihre Ausformungen, die im 20. Jahrhundert als Künstlertheorie, Kunstkritik
und Kunstgeschichte ihre jeweiligen Grenzen schärfer ziehen, gleichwohl
aber in einem übergreifenden Interesse verbunden und im engen Austausch
bleiben.
Als gemeinsamer Fokus steht der Begriff einer "Wissenschaft der Kunst" im
20. Jahrhundert zur Debatte. Mit diesem Leitgedanken soll im Rahmen der
Sektion einerseits der Blick nach innen gerichtet werden, auf die Frage
nach der möglichen Unterscheidung jener konkurrierenden Diskurse, die zur
Kunstliteratur gerechnet werden. Auf welcher Grundlage läßt sich eine
"Künstlertheorie", läßt sich "Kunstkritik" von einer "wissenschaftlichen
Theorie" der Kunst unterscheiden? Wie gestalten sich die Diskurse
sprachlich und visuell aus? Wie erscheinen die verschiedenen Formen von
Kunstliteratur im Kunstbetrieb? Welchen Erkenntnisanspruch haben sie?
Indem sich die aktuelle Diskussion immer stärker in Richtung einer
allgemeinen, interdisziplinären Bildwissenschaft oder "Visual Studies"
bewegt, scheint es aber auch angebracht, den Blick auf die Verbindungen der
Kunstliteratur des 20. Jahrhundert zu anderen Wissensbereichen und -formen
zu werfen. Es soll demnach auch nach dem Verhältnis der Kunstliteratur -
insbesondere der Kunstwissenschaft/Kunstgeschichte - zu anderen Diskursen
gefragt werden, zur Philosophie, zur Historie, zu den Naturwissenschaften,
aber auch zu künstlerischen Formen, seien sie nun literarischer oder
visueller Art, die in jüngster Zeit gehäuft mit einem "Forschungsanspruch"
auftreten.
Hubert Locher
Die Konstruktion und Reflexion filmischer Räume. Ansätze zu einer
kunsthistorischen Film- und Medienwissenschaft
-------------------------------------------------------------------
Die Schlüsselposition des Films und seiner Nachfolgemedien in der Kunst und
Alltagskultur des 20. und 21. Jahrhunderts läßt jede Kunstgeschichte der
Moderne fragmentarisch erscheinen, die sich nicht mit der spezifischen
Struktur des bewegten Bildes auseinandersetzt. Ziel der Sektion ist es, im
Rahmen der bildwissenschaftlichen Diskussion aktuelle Forschungen zu einer
kunsthistorischen Filmanalyse vorzustellen. Um dem Medium gerecht zu
werden, ist über traditionelle Arbeitsgebiete (z. B. Motivgeschichte)
hinaus auszuloten, inwiefern bisherige medien- und filmtheoretische Ansätze
durch bildorientierte Zugangsweisen erweiterbar sind. Als
Kristallisationspunkt bietet sich die Konstruktion und Reflexion der
filmischen Raumgestaltung an, und zwar unter zwei Aspekten:
1. Filmische Räume: Was im Gemälde als simultane Einheit gestaltet wurde,
kombiniert der Film durch Mise-en-Scène, Kameraarbeit und Montage.
Ausgehend von der Analyse des continuity-Systems des klassischen
Hollywood-Erzählkinos ist einerseits anzuknüpfen an die
filmwissenschaftliche Diskussion über das Verhältnis des filmischen Raums
zur Tradition des perspektivischen Bildes. Andererseits ist zu fragen,
inwiefern sich mit der Ausdifferenzierung in verschiedene Genres
normbildende Ausformulierungen manifestiert haben - etwa spezifische
Raumartikulationen des Western oder des Kriminalfilms.
2. Genrefilm und Avantgarde: Welche alternativen Raumkonzepte zum
klassischen Hollywood-Kino haben sich entwickelt - auch im Rekurs auf frühe
Raumparadigmen des Kinos - und wie wurden sie gegebenenfalls von diesem
assimiliert? Mit welchen Strategien reflektieren Avantgarde- und Kunstfilm,
das Genrekino selbst sowie seine elektronischen und digitalen Nachfolger
die Stereotypen filmischer Räume? Welche Mittel und Ziele kommen dabei in
Betracht, z. B. in Bezug auf die Offenlegung der filmischen Techniken oder
die besondere Gestaltung von Wiederholungsstrukturen?
Regine Prange
Neue Technologien in der Architekturforschung
------------------------------------------------
Neue Technologien kommen u.a. in der Bauarchäologie, in der
Entwurfsforschung und bei der dreidimensionalen Veranschaulichung von Bau-
und Planungszuständen zur Anwendung. Ihre Verknüpfung mit dem gesamten
Methodenspektrum einer gewissermaßen integrierten historischen
Architekturgeschichte ist äußerst vielversprechend, scheint aber generell
stärkungsbedürftig, auch in organisatorisch-institutioneller Hinsicht.
Gefragt ist nach Beiträgen, die eine integrierende und damit besonders
ergebnisreiche Anwendung solcher Technologien exemplarisch vorstellen.
Georg Satzinger
Digitale Kunstgeschichte
-------------------------
Das Digitale - in Feuilleton und Zukunftsstudie allgegenwärtig - wird im
Kern der kunsthistorischen Fachkultur bislang mit einer gewissen Skepsis
wahrgenommen. Aber an deren Peripherie haben verschiedenste Initiativen
damit begonnen, die weitreichenden Implikationen für Publikationswesen,
Vermittlung in der Lehre, Werkanalytik und Kommunikation zu vermessen.
Gefragt sind in der Sektion weniger Beschreibungen einzelner Projekte,
vielmehr sollen strukturelle Aspekte des nicht mehr ganz so neuen Mediums
im Zentrum stehen. Insbesondere medienrechtliche und didaktische Probleme
finden sich momentan auf der Tagesordnung. Aber auch grundstürzende (?)
Möglichkeiten der direkten Bildadressierung im Digitalen können
thematisiert werden. Wird das Fach, sobald es erst einmal seine
Untersuchungsgrundlagen digitalisiert hat, überhaupt noch die Fragen
stellen, die eine historisch orientierte Wissenschaft seit 200 Jahren zu
stellen gewohnt ist?
Hubertus Kohle
"Asien blickt auf Europa". Europäische Kunstgeschichte aus der Sicht der
asiatischen Forschung
--------------------------------------------------------------------------
Mit der ökonomischen und weltpolitischen Expansion asiatischer Staaten
weiten und differenzieren sich dort auch die wissenschaftlichen Interessen;
auch eine wachsende Beschäftigung mit der Geschichte und Kunst Europas
zeichnet sich ab. Durch diesen Blick von außen kann unsere Disziplin nur
gewinnen: Er fördert die Wahrnehmung einer europäischen Kunstgeschichte in
einer globalisierten Welt. Umgekehrt eröffnen sich durch überraschende
Fragestellungen aus andersartig geprägten Kulturen neue Perspektiven auf
altbekannte Gegenstände. Vermutlich wird die Auseinandersetzung mit fremden
Positionen auch dazu zwingen, sich der eigenen Kernbereiche und Paradigmen
neu zu vergewissern. Zudem besteht in Phänomenen wie der Chinoiserie oder
der Kolonialarchitektur sogar eine verbindende, teilweise aber auch
vernachlässigte materielle Basis, das Verhältnis zwischen Asien und Europa
kunstwissenschaftlich zu reflektieren.
Kolleginnen und Kollegen, die sich in asiatischen Ländern in Forschung und
Lehre der Kunstgeschichte Europas widmen, sind eingeladen, ihre Ergebnisse
vorzustellen und damit die Diskussion über die Bedingungen und Probleme des
Themas "Asien blickt auf Europa" zu eröffnen. Zentrale Themen der
europäischen Kunstgeschichte kommen dafür ebenso in Frage wie die Bereiche
von bildender Kunst und Architektur, in denen der Austausch zwischen Asien
und Europa bereits zum Tragen kam.
Ulrich Fürst
Quellennachweis:
CFP: XXIX. Dt. Kunsthistorikertag (Regensburg, 14-18 Mar 07). In: ArtHist.net, 15.03.2006. Letzter Zugriff 12.05.2025. <https://arthist.net/archive/28058>.