CFP 23.12.2005

Celle und die Residenzen (Celle, 6-8 Okt 06)

Heiko

Call for Papers zur gemeinsamen Tagung

Bomann-Museum Celle - Residenzmuseum im Celler Schloss
Rudolstädter Arbeitskreis zur Residenzkultur e.V.

Celle und die Residenzen im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation. Hof
und Medien im Spannungsfeld von dynastischer Tradition und politischer
Innovation zwischen 1648 und 1714

6. - 8. Oktober 2006, Celle, Residenzschloss

In der Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg waren Hofkultur und
Selbstverständnis der Fürsten im Alten Reich durch ein in dieser Intensität
vorher nicht gekanntes Spannungsverhältnis zwischen Tradition und Innovation
geprägt. Dieses lässt sich in nahezu allen Bereichen der Residenzkultur
beobachten. Es dürfte in den Statusveränderungen der Landesfürsten 1648
begründet liegen. Zur dynastisch-fürstlichen Tradition kamen jetzt
Anforderungen an die neuen Souveräne, die zu Problemen führten, die nach
neuen Lösungen verlangten. Zu denken wäre hier an nun notwendige
Veränderungen im Zeremoniell, in der Architektur der landesherrlichen
Schlösser und nicht zuletzt in der landesherrlichen Verwaltung. Doch auch im
Bereich von Musik, Literatur und Mode können einschneidende neue Impulse
festgestellt werden. Mit aller Vorsicht kann zudem konstatiert werden, dass
die deutschen Landesherren sich aufgrund der gewandelten Anforderungen immer
seltener an italienischen und dafür stärker an französischen Vorbildern
orientierten. Ebenso erscheint es sehr wahrscheinlich, dass sich der
Gegensatz in der Hofkultur zwischen Protestanten und Katholiken immer mehr
verwischte und der Gegensatz zwischen Landesherren und übrigem Adel auch in
den kulturellen Äußerungen immer größer und nun eigens betont wurde.

Seinen Beginn fand dieser Prozess der Neubestimmung mit dem Westfälischen
Frieden, der die Souveränität der deutschen Fürsten begründet. Ein
Wettbewerb wurde in Bewegung gesetzt, der von den Kurfürsten über die
Fürsten im Laufe der Zeit auch Grafen und Herren erfasste. Am Beginn der
Entwicklung stand das dynastische Herkommen im Vordergrund, am Ende der
Entwicklung die tatsächliche Macht des Staates. Höfischer Aufwand bestimmte
nicht mehr die außenpolitische Stellung, sondern manifestierte nur noch den
dynastischen Rang. Vor dem Hintergrund fallweiser realer Machtverluste wurde
es nun immer wichtiger, das Ansehen der Dynastie zu wahren. Ein vorläufiger
Abschluss war kurz nach 1700 erreicht. Das Gefüge innerhalb des Reiches war
nun austariert und hatte für nahezu 50 Jahre Bestand. Die Entwicklungen
hatten sich soweit verfestigt, dass es zu einer Kodifizierung kam.
Beispielhaft kann hier das Zeremonialwesen genannt werden.

Gefragt werden soll auf der Tagung nach Beispielen für die Modernisierung
und Erneuerung in der Tradition einer Dynastie. Ebenso wichtig ist aber auch
der bewusste Rückgriff auf Traditionen. Diese darf nicht als Anachronismus
missverstanden werden, sondern als unabdingbare Anknüpfung an Herkommen und
Rang. Beides manifestiert sich in der Gestaltung des höfischen Raums.

Unter diesem ist nicht nur das Schloss zu verstehen, sondern auch die
Residenzstadt und das gesamte Territorium. Wie werden Architekturen wie etwa
Jagdschlösser und Amtshäuser, aber auch Brückenbauten oder Meilensteine
medial zu Vermittlung herrschaftslegitimierender Botschaften eingesetzt? Wie
wandelt sich die Nutzung des Raumes? Es ist eine These der
Tagungsveranstalter, dass gerade das Territorium des jetzt souveränen
Fürsten eine neue Qualität erhält und von einer punktuellen Zeichensetzung
zu einer flächenhaften Vernetzung übergegangen wird.

Natürlich ist nicht nur die Architektur als Medium zu verstehen. Literatur
und Musik, Singspiel, Ballett und Theater, Jagd und Fest kommen ebenfalls
eine tragende Rolle in der Welt der höfischen Zeichen zu. Besondere
Berücksichtigung finden sollen darüber hinaus auch solche Ausdrucksformen
der höfischen Kultur, die als Medien der Selbstinszenierung der höfischen
Gesellschaft relativ flexibel auf aktuelle Bedürfnisse und Erwartungen
reagieren können. Dazu gehören das höfische Fest als Ganzes wie auch
einzelne seiner Bestandteile, insbesondere die Formen des Theaters und
Musiktheaters, Festbeschreibungen u.a. Gerade die Texte können als Orte sich
überschneidender Diskurse gelesen werden, an welchen sich die Codes der
höfischen Gesellschaft und ihr Umbau beobachten lassen. Auch hier soll es
nicht ausschließlich um den Wandel, sondern ebenso um die Anforderungen
durch die höfische Welt und die Funktion, die im Dienste der Dynastie
erfüllt werden sollte gehen. Der Aspekt des

Kulturtransfers erhält dabei eine hohe Bedeutung. Doch darf sich die Antwort
hier nicht in der Suche nach Vorbildern erschöpfen. Vielmehr geht es um die
Wirkung, die durch den Import des Neuen oder die Verschmelzung von Neu und
Alt erreicht werden soll.

Als Tagungsort wurde die Residenzstadt Celle gewählt, da sich hier viele
dieser Vorgänge exemplarisch aufzeigen lassen. Celle ist eine der ältesten
und traditionsreichsten Residenzstädte Niedersachsens und des Alten Reichs
überhaupt. Hier steht zudem das älteste, heute noch erhaltene
Residenzschloss der Welfen. Es war von 1433 bis 1705 ständige herzogliche
Residenz. Immer wieder umgebaut und modernen Erfordernissen angepasst, ist
es nicht nur eine steingewordene Chronik höfischer Kultur, sondern auch eine
vorzügliche Quelle für die sich immer wieder dynamisch wandelnde Evolution
dynastischer Selbstdarstellung.

Das heute noch erhaltene Residenz-Ensemble von Schloss, Stadt und
fürstlicher Grablege geht in weiten Teilen auf die Zeit um 1700 zurück, als
Herzog Georg Wilhelm (1624-1705) und seine Gemahlin Eléonore d'Olbreuse
(1639-1722) den Bau erneuern, modernisieren und ausbauen ließen. Viele der
Räume wie etwa die Paradeappartements sind in der wandfesten Ausstattung
unverändert erhalten. Mit der Neuausstattung des Residenzschlosses und der
Einrichtung neuer Appartements in Celle um 1700 wurden die aktuellen
Entwicklungen des Zeremoniells in eine architektonische Form gefasst.

Bezeichnenderweise wurde bei diesem Wandel die Tradition bewusst sichtbar
erhalten. Dies offenbart sich in den Resten des mittelalterlichen Wohnturms,
der "Gotischen Halle", der Schlosskapelle des 15. und 16. Jahrhunderts mit
unverändert erhaltener frühprotestantischer Ausstatttung, dem
Renaissancefestsaal und der stadtseitigen Fassade des 16. Jahrhunderts.
Somit ist das Celler Schloss zugleich exemplarisches Beispiel für die
Modernisierung und Erneuerung in der Tradition eines Ortes.

Auch die Stadt ist in ihrer Struktur weitgehend unverändert und damit eine
vorzügliche Quelle. In der Stadtkirche - dem Schloss direkt gegenüber
gelegen - hat sich mit Epitaphien, Gruft und Prunksärgen zudem die Grablege
der Celler Linie erhalten. Darüber hinaus legen Gärten und Neustädte Zeugnis
vom Gestaltungswillen des Hofes auch außerhalb des engeren Schlossareals ab.

Herzog Georg Wilhelm hatte ausgedehnte Reisen nach Frankreich und Italien
unternommen. Die meisten der von ihm engagierten Künstler stammten aus
Italien. Seine Gemahlin Eléonore d’Olbreuse war eine Hugenottin aus dem
Poitou und zog zahlreiche Hugenotten an den Celler Hof und in die
Residenzstadt. Damit ist Celle ein hervorragendes Beispiel für die
Internationalität der damaligen Hofkultur und den Kulturtransfer. Gerade
Theater und Ballett erhielten in Celle eine wichtige Rolle.

Im Mittelpunkt der Tagung sollen die Veränderungen in der Hofkultur der 2.
Hälfte des 17. und am Begin des 18. Jahrhunderts stehen. Dies soll sowohl am
Beispiel Celles wie auch anderer Residenzen untersucht werden. Wie drücken
sich Status und Tradition in Residenz und Territorium, in bildender und
darstellender Kunst aus? Spiegeln sich Innovation und Tradition in der
Architektur des Hofes wider? Spiegeln sich Qualität und Status der Dynastie
innerhalb des Reiches in der Qualität ihrer Residenzschlösser wider? Wurde
auf sie in dynastischen Verbindungen, Hausverträgen oder Glaubensfragen
Bezug genommen?

Als Folie ist aber auch das Land der Stände zu berücksichtigen. Denn das
Territorium und die Dynastie waren nicht deckungsgleich, ein deutscher
Landesherr herrschte nicht absolut. Wie also artikulierte sich der
landständige Adel im Gegensatz zur oder in Anlehnung an die
Landesherrschaft? Verfügten die Landstände kollektiv über eigene Bauten und
wie waren diese gestaltet? Nutzten sie weitere Medien? Und nicht zuletzt:
Wie gingen sie mit der neuen Souveränität der Fürsten um, die den Abstand
zum übrigen Adel weiter vergrößerte?

Als Literaturhinweise werden empfohlen:

Matthias Müller: Das Schloß als Bild des Fürsten. Herrschaftliche Metaphorik
in der Residenzarchitektur des Alten Reichs (1470-1618) (= Historische
Semantik; Bd. 6), Göttingen 2004.

Werner Paravicini (Hg.): Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich.
Ein Handbuch. Teil 1: Ein dynastisch-topographisches Handbuch, Teil 2:
Bilder und Begriffe. 4 Bde (= Residenzenforschung; Bd. 15 I.,1; 15 I.,2; 15
II.,1; 15 II.,2), Ostfildern 2004/05.

Vinzenz Czech: Legitimation und Repräsentation. Zum Selbstverständnis
thüringisch-sächsischer Reichsgrafen in der frühen Neuzeit (= Schriften zur
Residenzkultur; Bd. 2), Berlin 2003.

Peter-Michael Hahn / Ulrich Schütte: Thesen zur Rekonstruktion höfischer
Zeichensysteme in der Frühen Neuzeit. Download:
http://www.rudolstaedter-arbeitskreis.de/thesen/thesen.html.
Dieser Text kann als Broschüre bezogen werden über die Geschäftsstelle des
Rudolstädter Arbeitskreises zur Residenzkultur: Dr. Vinzenz Czech,
Historisches Institut, Universität Potsdam, PF 601553, 14415 Potsdam, Tel.:
0331/977-1805, E-Mail: vczechrz.uni-potsdam.de.

Exposés von 1 - 2 Seiten werden erbeten bis zum 6. März 2006 an
Heiko Laß
Thüringisches Landesmuseum Heidecksburg
Schlossbezirk 1
07407 Rudolstadt
heiko.lassgmx.de

Quellennachweis:
CFP: Celle und die Residenzen (Celle, 6-8 Okt 06). In: ArtHist.net, 23.12.2005. Letzter Zugriff 27.04.2024. <https://arthist.net/archive/27780>.

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