Park und Garten als komplementärer Bezugsrahmen für
die höfische Kommunikation - Potsdam / Reckahn
10/04
x-post: H-Soz-u-Kult
Universität Potsdam / Institut für Germanistik, Potsdam / Reckahn
08.10.2004-09.10.2004, Universität Potsdam / Schloß Reckahn
Die Regierenden der Frühen Neuzeit waren ständig bemüht, ihr
herrschaftliches Handeln sinnlich wahrnehmbar zu machen: Andere
Regenten, Diplomaten und nicht zuletzt auch das einfache Volk sollten
mit aufwendigem Zeremonialgeschehen, mit prachtvollen Inszenierungen auf
Opernbühnen, mit figurenreichen Gemälden oder mit imposanten
Architekturen und Parkanlagen von der göttlichen Legitimation der Macht
überzeugt werden. Allerdings tritt diesem selbstbewussten Anspruch immer
auch eine bedeutsame Konkurrenz entgegen: die Natur! Die Natur als das
Göttliche, bisweilen auch Dämonische, Unbeherrschbare und somit
möglicherweise als die noch mächtigere Instanz könnte die irdischen
Allmacht relativieren und muß daher immer, sei es offen oder verdeckt,
in die Repräsentationskonzepte eingebunden sein.
Von den konkreten Raumdekorationen, die Natur aufgreifen, stilisieren
und zitieren, über die Probleme der Körpernatur (Affekt und
Affektregulierung, Bewegung und Bewegungslehre, Tanz und Körper, Rede
und Körper, sakrale Macht und physische Gebrechlichkeit, ja
Hinfälligkeit) bis hin zur Konfrontation des gebauten Herrschaftsraumes
mit der Natur in der Park- und Landschaftsgestaltung zeigt sich hier ein
unerschöpfliches Dialogfeld zwischen Fürst und Kosmos.
Die interdisziplinäre Tagung lädt Kunstwissenschaftler, Historiker und
Philologen ein, ihre jeweiligen Beobachtungen zum Thema auszutauschen.
Anhand des konkreten Falls der brandenburgischen Hohenzollern sollen
Objekte, Texte, Ereignisse und Personen mit Brandenburg-Bezug diskutiert
werden. Zweifellos dürfte das Spezifikum des calvinistischen Hofes als
Zentrum im lutherischen Flächen bzw. Fleckenstaates hier ganz besondere
Reize bieten. Wie stellt sich hier ein so fernab von jedem natürlichen
Rahmen künstlich gefügtes Staatswesen wie das werdende Preußen dar? Wie
vermittelt sich das zentralistische Herrscherhaus im märkischen
Naturraum?
Die Konferenz findet im Rahmen der Ausstellung "Leben, Lust und Tod in
Gärten um 1800" statt, die vom 28.8.-29.11.2004 im Schloß Reckahn bei
Brandenburg zu sehen ist.
Die Ausstellung thematisiert einen wichtigen, bisher kaum untersuchten
Aspekt von Reckahn als kulturellen Gedächtnisort. Aufgeklärte Land- und
Gartenbesitzer wie Friedrich-Eberhard von Rochow (1734-1805) suchten im
Blick auf den Wörlitzer Landschaftsgarten, die ökonomische Verbesserung
ihrer Gutsherrschaft mit dem Wunsch nach einem heiteren und kultivierten
Leben in der Natur zu verbinden. Rochow und Fürst Franz von
Anhalt-Dessau (1740-1817) waren befreundet. Dies zeigen regelmäßige
Besuche von Rochow im Wörlitzer Gartenreich und nachgewiesenen 15
Besuche des Fürst Franz im Rochowschen Herrenhaus in Reckahn.
Die Ausstellung ist in vier Schwerpunkte gegliedert:
- Das Reich der Venus - Gärten als Lustorte
- Sport, Spiel und Gedächtnis - Gärten als Erziehungsraum
- Der naturmystische Kreislauf - Zeugung, Fruchtbarkeit und Tod
- Tod und Erinnerung - Gärten als Memorialorte
Projektträger der Sonderausstellung ist der Verein "Rochow-Museum und
Akademie für bildungsgeschichtliche Forschung an der Universität Potsdam
e. V."
Für Idee und Konzept zeichnen Dr. Annette Dorgerloh
(Humboldt-Universität zu Berlin), Dr. Michael Niedermeier
(Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften) und Prof. Dr.
Hanno Schmitt (Universität Potsdam) verantwortlich. Die Gestaltung
übernahm das Frey Aichele Team aus Berlin.
Die Ausstellung wird gefördert mit Mitteln des Ministeriums für
Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg, durch den
Fonds neue Länder der Kulturstiftung des Bundes den Landkreis
Potsdam-Mittelmark, den Trägerverein Historisches Reckahn e. V. und die
Familie von Rochow-Litscher, Genf.
Öffnungszeiten: Di.-Fr. und So. 10 - 17 Uhr, Sa. 10-18 Uhr; ab 1.11.04
Di.-So. 10-16 Uhr
Weitere Informationen: www.rochow-museum.de , Tel. 033835-60672.
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Vorläufiges Programm (11.09.04)
8.10.2004
Tagungsort: Universität Potsdam
9.30 Begrüßung und Eröffnung
I. Hofkultur zwischen Soziologie, Theologie und Philosophie
9.45 PD Dr. Walter Delabar (Hannover, Berlin): Norbert Elias: Kritische
Lektüre und methodische Implikationen
10.30 Dr. Mark Michalski (Athen): Reich der Gnade, Reich der Preussen.
Zur politischen Theologie bei Gottfried Wilhelm Leibniz
11.15 Kaffeepause
II. Naturvermittlung im gelehrten Diskurs
11.30. Dr. Andreas Keller (Potsdam): Johann Bödikers "Nymphe Mycale":
Natur, Dichtkunst und Herrschaftsdiskurs
12.15 Dr. Elke Lösel (Potsdam): Wenn Blumen sprechen! - ein
"Chur=Brandenburgisches Todten=Kräntzlein", gebunden von Johann Knopff
anläßlich des Todes der Kurfürstin Luise Henriette 1667
13.00 Mittagessen
III. Licht, Körper und Bewegung im Binnenraum
14.30 Prof. Dr. Sara Smart (Exeter): Architektur und Natur in Johann von
Bessers Hochzeitsbeschreibung im Jahre 1700.
15.15 Dr. Annette Dorgerloh: Inszenierte Räume: Natur und Garten im
höfischen Porträt
16.00 Kaffeepause
16.15 Dr. Käthe Klappenbach (Potsdam): Natur-Illusionen bei der
Illumination. Lichtträger als Natur- und Gartenimitationen.
17.00 Dr. habil. Marie-Thérèse Mourey (Paris): Höfisches Ballett und
Zeremoniell am Brandenburger Hof (1680-1710)
IV. Topographie und naturbedingte Raumbeziehungen
17.45 Plogmeier, Friedhild M.A. (Berlin): Charlottenburger Hofleben um
1700 und die Lust am Fremden
9.10.2004
Tagungsort: Schloß Reckahn
10.00 Ines Elsner M.A. (Berlin) "Ob ich mich zwahr von einem ohrt nach
dem andern begebe, so bin darumb doch nicht rechte wol" - Friedrich I.
und die Lust und Last des Reisens um 1700
10.45 Prof. Dr. Marcus Köhler (Neubrandenburg): Das Zeremoniell im
Garten. Neue Erkenntnisse aus den hannoverschen Ceremonialbüchern
11.30 Kaffeepause
V. Liebe, Tod und Park
12.00 Dr. Christiane Caemmerer (Berlin): Der Park als Ort der wahren
Gefühle.
12.45 Prof. Dr. Michael Seiler (Potsdam): Marlygarten, Friedensgarten
und östlicher Lustgarten - als verschlüsselte Bekenntnisse zu Religion,
Natur und Geschichte.
13.30 Mittagessen
14.15 Veronika Rücker M.A. (Dresden): Der Fürst im Spannungsfeld
metaphysischer Kräfte: Prodigien in den Grabinschriften der
Hohenzollern.
15.00 Dr. Michael Niedermeier (Berlin): Vor- und Frühgeschichtliche
Gräber in der Gartenkunst und deren sinnstiftende genealogische
Vereinnahmung in Brandenburg-Preußen
16.00 Silke Siebrecht M.A.: Führung durch den Park und die
Sonderausstellung "Leben, Lust und Tod in Gärten um 1800"
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Information und Anmeldung:
Dr. Andreas Keller
Email: kellerrz.uni-potsdam.de
URL zur Zitation dieses Beitrages
<http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/termine/id=3073>
Quellennachweis:
CONF: Naturraum und Zeremonialordnung (Potsdam, 8.-9. Okt. 2004). In: ArtHist.net, 14.09.2004. Letzter Zugriff 10.05.2025. <https://arthist.net/archive/26592>.