Schweizerische Gesellschaft für Stadtgeschichte
PD Dr. Dorothee Rippmann (dorothee.rippmannbluewin.ch)
Prof. Dr. Wolfgang Schmid (Trier)
PD Dr. Katharina Simon-Muscheid (simonmuscheidtiscali.ch)
Brunnentagung
1./2. April 2005
Call for Papers
Von der Antike bis ins 20. Jahrhundert lässt sich die Multifunktionalität
öffentlicher Brunnen nachzeichnen, die sich mit den drei Themenfeldern
Wasserversorgung, Soziabilität und Repräsentation umschreiben lässt. Am
Thema "Brunnen" und den damit assoziierten Wortfeldern "Jungbrunnen",
"Brunnenkuren", aber auch "Brunnenvergiftung" lassen sich nicht nur
Hygiene- und Krankheitsdiskurse vom Mittelalter bis in die Moderne
herausarbeiten, sondern ebenso die mit Brunnen verbundenen Hoffnungen und
Ängste.
1. Mehr oder minder aufwendige Leitungssysteme versorgten städtische und
dörfliche Brunnen, deren Wasser zum Trinken, Tränken des Viehs, Waschen
und Kochen diente und gleichzeitig von verschiedenen Gewerben genutzt
wurde. Wer nicht über eine private Wasserzufuhr (Privatbrunnen, Zisterne,
Quelle, Bach) verfügte, war auf öffentliche Brunnen angewiesen.
Obrigkeitliche/nachbarschaftliche Reglementierungen zur Verhinderung von
Trinkwasserverschmutzung und Nutzungskonflikten einerseits, Prozesse und
ausgehandelte Kompromisse andererseits liefern Aufschlüsse über die
Funktionen von Brunnen und die Wassernutzung. In der Moderne fand eine
grundlegende Erneuerung der Wasserversorgung im Zusammenhang mit dem neuen
Hygienediskurs statt.
2. Öffentliche Brunnen galten als zentrale Orte der Soziabilität, an denen
beim Anstehen um Wasser und beim Arbeiten Informationen ausgetauscht, Ehen
angebahnt und Konflikte ausgetragen wurden. Hier "vertrödelten" männliche
wie weibliche Dienstboten ihre Arbeitszeit, wie der stereotype Vorwurf
lautete. Wie der Markt und das Waschhaus figurierten Brunnen in der Liste
der spezifisch "weiblichen Geschwätzorte", während das Wirtshaus als
Treffpunkt und Kommunikationsort der Männer galt. In der Moderne vollzog
sich ein Funktionsverlust der Brunnen und damit ein Bedeutungswandel der
öffentlichen Brunnen.
3. Öffentliche Brunnen waren Elemente, die den städtischen/dörflichen Raum
gliederten und die zur Betonung bestimmter Plätze oder Strassenabschnitte
errichtet wurden. Als Träger obrigkeitlicher oder nationaler
Repräsentation wurden solche Brunnen mit
symbolischen/mythischen/historischen Bildprogrammen künstlerisch
ausgestaltet, zur Verherrlichung einer historischen Epoche, eines
Herrschers oder der gesamten Nation.
4. Das positive Bild vom Brunnen als alltäglichem Wasserspender, überhöht
als Gesundheits- und Jugendbrunnen hatte seine Kehrseite. Diese machte
immer wieder die Verletzbarkeit einer Gemeinschaft durch Angriffe auf ihr
Wasser deutlich und grub sich in die kollektiven Vorstellungen und Ängste
ein. Es waren dies Verschwörungsängste und Projektionen (angebliche
Brunnenvergiftung durch Lepröse und Juden), aber auch reale Erfahrungen
mit Krankheiten aus dem Brunnenwasser (Trauma der Cholera).
Wir bitten um Beiträge zu diesen vier angesprochenen Aspekten der
Brunnengeschichte:
· Funktionen
· Soziabilität
· Träger obrigkeitlicher/nationaler Bildprogramme
· "Gesundheit oder Gift" - Kollektive Vorstellungen und Ängste;
medizinisch-hygienische Diskurse.
Skizzen von einer Seite Umfang sind bis zum 15. Juli 2004 erbeten an
Dorothee Rippmann oder Katharina Simon-Muscheid (Adressen wie oben). Der
Verein wird bis Herbst 2004 aus den eingereichten Skizzen diejenigen
auswählen, die zu einem Tagungsbeitrag ausgearbeitet werden sollen.
Reference:
CFP: Brunnentagung (1-2 Apr 05). In: ArtHist.net, Apr 12, 2004 (accessed Feb 10, 2025), <https://arthist.net/archive/26327>.