CONF 06.08.2003

Architektur und Assimilation (FU Berlin, 10.-13.9.03)

H-ArtHist (Iris Mahnke)

Expose zum Symposium

Architektur und Assimilation.
Die juedischen Baumeister Berlins

10. - 13. September 2003, Clubhaus der Freien Universitaet Berlin,
Goethestr. 49, 14163 Berlin-Zehlendorf

Wissenschaftliche Leitung
Prof Dr. Harold Hammer-Schenk, Kunsthistorisches Institut der Freien
Universitaet Berlin

Wissenschaftliche Konzeption und Organisation
Sylvia Claus, M.A., ETH Zuerich, Institut gta, 8093 Zuerich, Telefon
0041-1-6332890 oder
0041-1-2727577, clausgta.arch.ethz.ch
Dr. Ulrich Maximilian Schumann, Karlsruhe, 0721-8305915,
U.M.Schumannt-online.de

Inhalt und Ziel Seit der ersten Haelfte des 19. Jahrhunderts, anfangs
vereinzelt, waren juedische Architekten in Deutschland taetig. Sie
praegten zunaechst das Bauen der juedischen Gemeinden und ihrer
Mitglieder, gewannen aber schon um die Mitte des Jahrhunderts
christliche Auftraggeber und beeinflussten, ja praegten bis 1933 die
Baukultur Deutschlands.

Dies gilt in besonderem Masse fuer Berlin. Die groesste juedische
Gemeinde Deutschlands entwickelte eine innerjuedische,
emanzipatorische Kraft im architektonischen Schaffen, der als
wesentlich staerkere Komponente die assimilatorische Attraktion der
Grossstadt mit ihren Moeglichkeiten der Entfaltung, der Karriere und
des Aufstiegs zur Seite stand. Namen wie Friedrich Hitzig, Cremer &
Wolffenstein, Alfred Messel, Erich Mendelsohn, Erwin Gutkind, Harry
Rosenthal belegen dies stellvertretend. Einflussreich war der Beitrag
juedischer Kritiker und Theoretiker zur architektonischen Diskussion,
darunter Fritz Stahl, Walter Curt Behrendt, Oskar Bie, Paul Westheim
oder Max Osborn.

Ueber die Namen und Hauptwerke der Prominenten hinaus bleibt
allerdings unsere Kenntnis von diesem Kristallisationspunkt im
deutsch-juedischen Kulturleben bei weitem hinter seiner Bedeutung
zurueck - vor allem im Vergleich mit anderen Kuensten. Die
Veranstalter sind sich der Problematik einer juedischen Identitaet
bzw. der Zuweisung einer solchen in den unterschiedlichen Phasen des
zu behandelnden Zeitraumes bewusst. Ein erheblicher Teil der zu
beruecksichtigenden Kuenstler war konvertiert, stammte aus schon
lange konvertierten Familien oder war religioes indifferent. Die
Einfluesse des Wissens von einer juedischen Vergangenheit oder
Identitaet auf Lebensstruktur, Lebens- und Arbeitsvorstellungen, auf
(kuenstlerische) Durchsetzungsstrategien, Leistungsvorstellungen und
Anpassungsvorgaenge geben dem Thema Spannung. Gerade die aufgegebene
oder nicht mehr aktuelle Zugehoerigkeit zum Judentum bildet vielfach
den Keim des Identitaetsproblems.

Die Tagung ueber "Architektur und Assimilation - Die juedischen
Baumeister Berlins" will als erstes Ziel Einzelforschungen
versammeln, welche unser Bild konkretisieren. Sie sollen den Weg von
"Juden" in diesem Beruf und an diesem Ort exemplarisch umreissen. Ein
vollstaendiges Bild laesst sich nicht zeichnen, aber bei einer
gezielten Einbindung des Beispiels laesst sich ein repraesentativer
Ausschnitt aus dem Kontext gewinnen. Eine wesentliche Aufgabe der
Tagung ist es, auf diese Weise ein Forschungsfeld zu umreissen,
vielleicht auch zu definieren. Der Berufsweg eines juedischen
Architekten war auch noch im fruehen zwanzigsten Jahrhundert in
ungleich staerkerem Masse von der Selbstbehauptung bestimmt als der
seiner christlichen oder nichtjuedischen Kollegen, wobei Urteil,
Vorurteil und Selbstbild von der gelebten, bewussten oder
aufgezwungenen Identitaet bestimmt blieben.

Die Ueberlegungen der Tagung werden sich also auf die Fragen
konzentrieren: Gibt es individuelle oder gemeinsame Reaktionen,
Merkmale, Besonderheiten, die Werke und Gestaltungen
charakterisieren, die aus dieser Problematik erklaerbar sein koennen?
Lassen sich ueber mehrere Generationen hinweg im individuellen Werk
besondere Strukturen feststellen, die aus der religioesen
Zugehoerigkeit, aus dem Status der Minderheit, aus dem
Anpassungsbemuehen oder aus einem besonderen Fluchtreflex aus dem
Status der ungeliebten Minderheit erklaerbar oder ableitbar sind?
Aehnliche Fragen sind auch an die Struktur der Auftraggeber zu
stellen, wobei vielfach ein spezifisches, oft aber auch ein eher
diffuses Sympathieverhalten zu beobachten ist, das letztlich, trotz
aller vordergruendiger Assimilation, juedischen Architekt und
juedischen Bauherr zusammenfuehren. Solche Fragen dringen in eine
Problemfeld ein, das durch die Befragung des individuellen
Selbstverstaendnisses, der institutionellen Einbindung und der
Auftraggeberschaft, trotz aller Psychologismen, mit historischen und
kunsthistorischen Methoden entscheidend erhellt werden kann.

Programm

Die Tagung ist in vier Sektionen gegliedert:
I. Bauverwaltung oder Privatbureau
II. Von der Emanzipation zur Integration
III. Zwischen juedischer Renaissance und Normalitaet
IV. Der Blick auf die Architektur

Mittwoch, 10. September 2003

17.30 Begruessung der Teilnehmer

Eroeffnungsvortrag
18.00 - 20.00 Stefi Jersch-Wenzel
Juden in neuen Berufsfeldern

20.00 Apéro

Donnerstag, 11. September 2003

Sektion I: Bauverwaltung oder Privatbureau

9.15 - 10.15 Oliver Sander, Koblenz
Juedische Architekten im preussischen Staatsdienst:
Der Fall Salomo Sachs

10.15 - 11.15 Ita Heinze-Greenberg, Rohrdorf
Ueber Leben und Werk des Preussischen Regierungsbaumeisters
Alexander Baerwald

11.45 - 12.45 Isabel Haupt, Zuerich
Cremer & Wolffenstein - Eine Erfolgsgeschichte 1882 - 1919

12.45 - 14.15 Mittagspause

Sektion II : Von der Emanzipation zur Integration

14.15 - 15.15 Harold Hammer-Schenk, Berlin
Synagogenbau vor dem I. Weltkrieg

15.15 - 16.15 Joerg Alexander Kuhn, Berlin
Das Kriegerehrenfeld von Alexander Beer auf dem III. Friedhof der
Juedischen Gemeinde zu Berlin in Berlin-Weissensee im Kontext
der Reformbewegung innerhalb der Sepulkralarchitektur nach 1900

16.45 - 17.45 Robert Habel, Berlin
»Alfred Messel!«

17.45 - 18.45 Ulrich Maximilian Schumann, Karlsruhe
Der Adel und die Juden. Breslauer & Salinger und ihre Kundschaft

Freitag, 12. September 2003

Sektion III: Zwischen juedischer Renaissance und Normalitaet

9.15 - 10.15 Antje Hansen, Wuppertal
Oskar Kaufmann und die Architektur der Grossstadt

10.15 - 11.15 Regina Stephan, Darmstadt
Zionismus versus Assimilation. Die Position Erich Mendelsohns

11.45 - 12.45 Sylvia Claus, Zuerich
Kulturelle Identitaeten? Religioese Aspekte im Werk des Architekten
Harry Rosenthal

12.45 - 14.15 Mittagspause

14.15 - 15.15 Volker Welter, Santa Barbara
At Home with Freud

15.15 - 16.15 Annette Bussmann, Marburg
Zu Adaption und Demontage von Architekturgeschichte im "Neuen Bauen"
der Weimarer Republik: Alfred Gellhorn (1885-1972). Bauten und
Projekte bis 1933.

16.45 - 17.45 Claudia Marcy, Berlin
Industriebau: Martin Punitzer und Korn & Weitzmann

17.45 - 18.45 Christina Thomson, Berlin
Hauptstadtarchitekten: Erwin Gutkind und Rudolf Fraenkel

Samstag, 13. September 2003

Sektion IV: Der Blick auf die Architektur

9.15 - 10.15 Gert Mattenklott, Berlin
Geschriebene Grossstadtarchitektur: Franz Hessel, Siegfried Kracauer,
Walter Benjamin

10.15 - 11.15 Matthias Schirren, Berlin
Fritz Stahl und die Kunstliteratur der fruehen zwanziger Jahre

11.45 - 12.45 Kai Gutschow, Pittsburgh
Zwischen Amt und Kritik: Arbeiten zu einer deutschen Moderne in der
Architekturpublizistik Walter Curt Behrendts

12.45 - 14.00 Mittagspause

14. 00 - 18.00 Exkursionen

Schlussvortrag
18.00 - 20.00 Werner Oechslin, Zuerich
Moderne, internationale und postmoderne Architektur und die
»innerliche Analogie mit dem Judentum«

Quellennachweis:
CONF: Architektur und Assimilation (FU Berlin, 10.-13.9.03). In: ArtHist.net, 06.08.2003. Letzter Zugriff 14.01.2025. <https://arthist.net/archive/25800>.

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