Space Oddities. Die homerische Irrfahrt in Bildkünsten und Populärkultur vom ausgehenden 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart
Interdisziplinäre Tagung der Institute für Kunstgeschichte und Klassische Philologie der Justus-Liebig-Universität Gießen
organisiert von Semjon Aron Dreiling und Katrin Dolle
Homer schuf mit „Ilias“ und „Odyssee“ zwei Epen, die ältere Heroengesänge aus der Zeit griechischer Migration und Kolonisation vereinten, ausgestalteten und schriftlich fixierten und die griechische Bildung, Wissenschaft, Kultur und Ethik prägten wie kein anderes Werk der Antike. Die unbestimmte Fahrt des in der „Odyssee“ zunächst namenlos bleibenden Mannes, der als Niemand scheitert und reüssiert, die anachronistische Erzählweise sowie die markanten Schlüsselelemente (Irrfahrt und Heimkehr, Heimat und Faszination des Fremden, Liebe und Sehnsucht, Versuchung und Gattentreue, göttliche Fügung und eigene Hamartia, List und Duldsamkeit) machen den Text zu einem bis in die Gegenwart aktuell gebliebenen Stoff.
Gerade in der heutigen Zeit einer gesteigerten Mobilität in der von Migrationsbewegungen geprägten globalisierten Welt, der Suche nach dem stets Neuen, aber auch nach Spiritualität und Heimat, erscheint Homers „Odyssee“ als ein gleichsam zeitloses, für unterschiedliche Bereiche adaptierbares Konstrukt. Odysseus wird in Allegoresen gedeutet oder auf ein Charakteristikum reduziert, sodass sein Name schließlich selbst als Synonym für die Irrfahrt steht. Der Mythos wird transformiert oder modernisiert, und – spätestens seit dem 19. Jahrhundert – verstärkt auch in die Komik transponiert.
Die Rezeption der „Odyssee“ ist in der Forschung – insbesondere seitens der Literatur – mehrfach aufgearbeitet worden, einen interdisziplinären, gleichermaßen literatur- und bildwissenschaftlichen Ansatz hat aber keiner der vorliegenden Forschungsbeiträge. An dieser Stelle setzt die Tagung an, indem sie einen weitreichenden Überblick über die Rezeption des Sujets in den unterschiedlichsten Gattungen (Malerei, Theater, Film, Performancekunst, Textillustration und Comic-Kultur) aus verschiedenen kulturellen Kontexten von Europa bis Nord- und Südamerika liefert. Es gilt diachrone Veränderungen und Gemeinsamkeiten wie auch synchrone Parallelen aufzuspüren und die geistes- und kulturgeschichtlichen Bedingungen für das Aufgreifen dieses Sujets zu untersuchen.
Die Konferenz wird gefördert durch die Fritz Thyssen Stiftung und die Gießener Hochschulgesellschaft.
PROGRAMM
Donnerstag, 4. April 201913:00 Semjon Aron Dreiling / Katrin Dolle: Eröffnung der Tagung
Sektion: Belebte Odysseen: Dimensionen von Zeit und Raum
Moderation: Peter von Möllendorff
13:30 Michaela Stark (Gießen): Das Schweigen der Sirenen – Ambivalenz eines Helden von der Antike bis zur Moderne
14:15 Marcus Becker (Berlin): Bewegtes Bildnis des jungen Dichters als alter Dichter als Odysseus. Albert Ehrensteins Kinodrama „Der Tod Homers“ und der frühe Film zwischen Text- und Bildtradition15:00 Kaffeepause
15:30 Katrin Dolle (Gießen): Odysseische Architekturen und Stanley Kubricks „2001: A Space Odyssey“16:15 Karola Drews: Führung in Schloss und Park
17:00 Abendessen
Keynote Lecture (öffentlicher Abendvortrag):
19:00 Henry Keazor (Heidelberg): Eine (echte) Odyssee im Weltraum. Die italo-britische Science-Fiction-Serie „Space: 1999“ (1975 – 1977)
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Freitag, 5. April 2019
Sektion: Steinbruch Antike: Aneignung, Visualisierung und InstrumentalisierungModeration: Helge Baumann
09:00 Matthias Weiß (Berlin): Völlig losgelöst? Zinnfigurenserien zur Odyssee zwischen Epigonalität und Emanzipation
09:45 Maurice Parussel (Bochum): Die Text-Bild-Korrelation der Odyssee-Nacherzählung in den Ausgaben von Gustav Schwabs „Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums“ im Wandel der Zeit
10:30 Kaffeepause
11:00 Matthias Memmel (München): Pro Wand ein Gesang – Der Odyssee-Zyklus in der Münchner Residenz
11:45 Katharina Ute Mann (Köln): Eine ästhetische Auseinandersetzung der Künstlerbewegung Młoda Polska mit Homers Epen
12:30 Mittagessen
Moderation: Rebekka Marpert
14:00 Semjon Aron Dreiling (Gießen): Polyphem und Odysseus: Gemalte Giganten und gigantomanische Künstler
14:45 Susanne Lang (Darmstadt): Ulysses im Punch
15:30 Kaffeepause
16:00 Stephanie Schlörb (Heidelberg/Florenz): Aufbruch oder Rückkehr? – Die homerische Irrfahrt bei Giorgio de Chirico und Alberto Savinio
16:45 Jennifer Jäger (Gießen): Blinde Seher? Salvador Dalís „Apotheose des Homer“ („Tagtraum von Gala“)18:00 Abendessen
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Samstag, 6. April 2019Sektion: Superheld/innen? Heroisierung, Verführung und Gender
Moderation: Sigrid Ruby
09:00 Thierry Greub (Köln): Barnett Newman: Die Einsetzung des homerischen Helden als ‚vir heroicus sublimis‘
09:45 Arnold Bärtschi (Bochum): Ungeheuer oder Mobbing-Opfer? Die ambivalente Charakterisierung des antiken Kyklopen in modernen Medien
10:30 Kaffeepause
11:00 Harald Schulze (München): Kalypso, Kirke und die Sirenen: Motive der „Odyssee“ bei Max Beckmann und seinem Meisterschüler Ottokar Gräbner
11:45 Oliver Moisich (Paderborn): An Odder Odyssey: Aspekte von Genre und Gender in Comic-Adaptionen von Homers „Odyssee“
12:30 Mittagessen
Sektion: Epos und Erfahrungsraum: Aspekte von Verkörperung und FortschreibungModeration: Lisa Beißwanger
13:30 Janna-Mirl Redmann (Genf/Kassel): Penelopes Traum – Die Sammlung des Griechischen Museums für Gegenwartskunst auf der documenta 14 in Kassel
14:15 Philipp Schulte (Frankfurt am Main): Welt als Komplex bei Homer, Moreira, Jatahy. Zwei aktuelle Bühnenadaptionen der „Odyssee“ aus Brasilien
14:45 Kaffeepause
15:15 Dirk Vanderbeke (Jena): Sehen und gesehen werden: Zur Visualisierung von James Joyces „Ulysses“16:00 Schlussplenum
WEITERE INFORMATIONEN
Anmeldung und Tagungsmodalitäten: www.uni-giessen.de/space-oddities
Quellennachweis:
CONF: Space Oddities: homerische Irrfahrt in Bildkünsten (Gießen, 4-6 Apr 19). In: ArtHist.net, 26.02.2019. Letzter Zugriff 12.04.2025. <https://arthist.net/archive/20256>.