CONF 17.02.2018

Der Auftritt. Performanz in der Wissenschaft (Cologne, 3-5 May 18)

Köln, Thyssen-Stiftung, Apostelnkloster 13-15, 03.–05.05.2018
Anmeldeschluss: 31.03.2018

Thomas Etzemüller

Der Auftritt. Performanz in der Wissenschaft

Die Wissenschaft erforscht alles und jeden, nur vor sich selber macht sie Halt. In Studien zur Performanz beispielsweise werden alle möglichen Professionen unter die Lupe genommen, die Wissenschaft selbst glänzt durch Abwesenheit. Martin Kohli hat diese Haltung unter dem Diktum "Von uns selber schweigen wir" zusammengefasst, und Günter Burkart hat begründet, warum es keine Soziologie der Soziologie geben dürfe: Die eigenen Grundlagen offenzulegen drohe, ein Fach zu entauratisieren. Das Schweigen ist demnach Selbstschutz. Wissenschaftliche Erkenntnisse haben unabhängig von einem subjektiven "Ich" zu bestehen, um ihre "objektive" Geltung verteidigen zu können. Das Schweigen bedeutet faktisch aber auch Verschleierung, denn Ausschlüsse potenzieller WissenschaftlerInnen auf Grund sozialer Kriterien sind an der Tagesordnung, entgegen den Prinzipien der Wissenschaft, dass allein Befähigung erlaube, wissenschaftliche Tatsachen zu produzieren.

Die Wissenschaftssoziologie hat die Bedeutung sozialer Prozesse für die Erkenntnisproduktion bereits seit längerem im Blick, und die Körper und Praktiken der WissenschaftlerInnen seit neuestem auch. Es wird zunehmend deutlich, dass Wissenschaftler (als geschlechts-etc.-neutral imaginiert) nicht einfach ihr Handwerkszeug anwenden und dadurch zu Erkenntnis gelangen, sondern zuvor muss Irgendjemand in einem langen sozialen Prozess geformt werden und sich selbst formen zur spezifischen "Persona" des Wissenschaftler, dem "Vf.", der lernt, sich wie Seinesgleichen in einem Feld zu bewegen, zu sprechen, zu handeln. Wer sich erfolgreich in die sozialen und professionellen Konventionen einer Gemeinschaft einschmiegt und einschreibt und zugleich eine hinreichende Originalität (und Qualität) beweist, wird als Wissenschaftler anerkannt.

Performanz, performance, self fashioning gehören zu den wichtigsten Instrumenten, sich hineinzuarbeiten oder aus der Wissenschaft herauszuschießen. Performanz ist mehr als nur eine trügerische Oberfläche. Durch den Auftritt setzt man sich vor aller Augen der Prüfung aus, ob man eingefügt ist. Ohne inhaltliche Qualität wird man sich nicht lange in der Wissenschaft halten. Ohne Performanz kann man zwar wissenschaftliche Leistungen erbringen – wird aber von notwendigen Ressourcen und Rezeption mehr oder weniger drastisch abgeschnitten. Performanz substituiert nicht wissenschaftliche Qualität, sie ist Voraussetzung und Werkzeug, im Kollektiv der Gleichsubjektivierten das hervorzubringen, was Professionelle anderer Subsysteme nicht vermögen: wissenschaftliche Wahrheit. Das macht sie zu einer paradoxen Sache: Performanz muss für alle sichtbar sein, aber eigentlich unbemerkt bleiben, um ihren instrumentellen Charakter zu verschleiern.

Der Workshop soll das Phänomen auf folgenden Themenfelder beleuchten, nämlich durch:

- Vorträge, die Performanz, self fashioning usw. in der Wissenschaft explizit beleuchten,
- den Entwurf von "Parallelfiguren" in anderen Feldern und Professionen, um performative Praktiken zu kontrastieren und zu konturieren,
- die Expertise von Künstlern, die Performanz, self fashioning usw. in der Wissenschaft abbilden/gestalten (bzw. Instrument wissenschaftlicher Selbststilisierung sind),
- (auto-)biografische Beiträge, die zu diesen Fragen eine subjektive Binnenperspektive bieten,
- die Analyse von Formen der Darstellung performativer Praktiken z.B. in Campus-Romanen,
- Beiträge, die Praktiken und Mechanismen der Anerkennung und Ausschließung in den Blick nehmen,
- Analysen von Räumen und Bühnen der Performanz.

Ideal wäre es, wenn der Workshop eine intensive Diskussion über Disziplingrenzen und Medientypen hinweg, changierend zwischen Analyse und Alltagsbericht, Text und Bild und Körper und Auftritt, in Gang setzen würde. Aus der Tagung soll eine Publikation hervorgehen, die diese Vielfältigkeit abbildet.


PROGRAMM

Donnerstag, 3.5.2018

14.30 Uhr
Begrüßung

15.00 Uhr
Einführung: Performanz → Evidenz. Der Auftritt in der Wissenschaft (Prof. Dr. Thomas Etzemüller, Kulturgeschichte der Moderne, Univ. Oldenburg)

"Whenever she came in, the thing developed into a party": Eileen Power's persona construction during the heyday of her career (Rozemarijn van de Wal, Geschichtswissenschaft, Univ. Groningen)

Pause

16.45 Uhr
Zwischen Homestory und Bildagentur: Wie Wissenschaft sich (und ihre Familie) rund um die Universität präsentiert (Prof. Dr. Elisabeth Timm, Europäische Ethnologie, Univ. Münster)

Performative Spiegelungen: (Selbst-)Inszenierungen von KunsthistorikerInnen, KünstlerInnen, WissenschaftlerInnen in der Gegenwartskunst (PD Dr. Anja Zimmermann, Kunstgeschichte, Univ. Oldenburg)


Freitag, 4.5.2018

09.00 Uhr
Repräsentationen von Macht und Geschlecht in der Wissenschaft (Dr. Sandra Beaufaÿs, Soziologie, Univ. Essen-Duisburg)

Zur performativen Herstellung akademischer Subjekte in Berufungsverfahren (Dr. Julian Hamann, Soziologie, Univ. Bonn)

Pause

10.45 Uhr
Anti-Professorale Professorabilität. Über den Habitus der Nach-Achtundsechziger (Prof. Dr. Thomas Alkemeyer, Soziologie, Univ. Oldenburg)

Professor spielen. Ein Selbstversuch (Dr. phil. habil. Christian Demand, Chefredakteur "Merkur", Berlin)

Pause

12.15 Uhr
Performanz und performance: Richard Buckminster Fuller denkt laut über sein Leben nach (Dr. David Kuchenbuch, Geschichtswissenschaft, Univ. Gießen)

Mittagspause

14.00 Uhr
Gesprächsrunde: N.N. (FotografIn), David Ausserhofer (Fotograf, Berlin), Horst Bredekamp (Prof. Dr., Kunstgeschichte, HU Berlin) und Dieter Simon (Prof. Dr. ehem. Präsident der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin) über Darstellung und Stilisierung von Wissenschaftlern in Fotografien

Pause

15.15 Uhr
"Vielen Dank für Ihren anregenden Vortrag..." Darstellungen des Praktikenkomplexes Tagung in deutschsprachiger Universitätsprosa der Gegenwart (Sabrina Deigert, GK "Selbst-Bildungen", Univ. Oldenburg)

(Zu Schriftstellern) (N.N.)

Pause

17.00 Uhr
Abgelesen. Der wissenschaftliche Vortrag als performative Prognose (Dr. Sybille Peters, Medienwissenschaft, Univ. Gießen)

17.45 Uhr
Filmvorführung


Samstag, 5.5.2018

09.00 Uhr
Zur Mimesis einer Disziplin und ihrer Scientific community. Beobachtungen am Beispiel der "Volks-Kunde" (Dr. Herbert Nikitsch, Europäische Ethnologie, Univ. Wien)

Der weiße Kittel als symbolische Objektivation der Wissenschaftskultur in unterschiedlichen Handlungszusammenhängen (Zuzanna Papierz, Kunst und Materielle Kultur, TU Dortmund)

Pause

10.45 Uhr
Initiationsrituale wider Willen. Der Körper des Ethnologen an der Schwelle zum Text (Björn Bertrams, GK "Selbst-Bildungen", Univ. Oldenburg)

WissenschaftlerInnen, singend: Schnittstellen wissenschaftlicher und musikalischer Performanz in Wissenschaftsopern (Dr. Anna Langenbruch, Musikwissenschaft, Univ. Oldenburg)

Pause

12.15 Uhr
Performanz kann man lernen. Zur akademischen Coaching-Industrie (Prof. Dr. Julika Griem, KWI Essen)

13.00 Uhr
Abschlussdiskussion

Mittagessen und Tagungsende


Veranstalter:
Prof. Dr. Thomas Etzemüller, Kulturgeschichte der Moderne, Institut für Geschichte, Univ. Oldenburg

Mitveranstalter:
Graduierten-Kolleg 1608 "Selbst-Bildungen. Praktiken der Subjektivierung in historischer und interdisziplinärer Perspektive", Univ. Oldenburg

Die Tagung wird finanziert durch die Thyssen-Stiftung sowie das Graduierten-Kolleg 1608.

Sie steht Interessierten offen. Um verbindliche Anmeldung wird bis zum 31.3.2018 gebeten (thomas.etzemuelleruni-oldenburg.de).

Quellennachweis:
CONF: Der Auftritt. Performanz in der Wissenschaft (Cologne, 3-5 May 18). In: ArtHist.net, 17.02.2018. Letzter Zugriff 19.03.2024. <https://arthist.net/archive/17308>.

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