Elektrifizierte Stimmen. Zeitbilder und Identitätsbilder im interkulturellen Vergleich
Die Tagung widmet sich verschiedenen Aspekten der Stimme als einem medialen Phänomen, das zunehmend unsere Alltags- und Kunsterfahrung prägt, und damit dem Versuch, dieses aus kulturvergleichenden Perspektiven zu erschließen.
Im Mittelpunkt stehen die Reflexion über Aufgaben der elektrischen Stimmübertragung, die Mediation von gender- und berufsspezifischen Stimmstereotypen in audio- und audiovisuellen Formaten sowie Genese und Wandel dieser Stimmstereotypen in nationalen Radio- und Filmkulturen. Die Historisierung dieser Erfahrung hat eine hohe Relevanz im Hinblick auf das Verständnis von zeitgenössischen Prozessen, die durch den rasanten Technikwandel ausgelöst werden.
Folgende Fragestellungen bestimmen die Diskussion um kulturelle Besonderheiten und interkulturelle Wirkungen der Stimme: Wie etablieren sich soziale Normen der Stimmbildung, und wie werden diese Normen in verschiedenen nationalen Kontexten umgesetzt? Wie unterscheiden sich die Wirkungen und Deutungen von weiblichen und männlichen Stimmen in Bezug auf die Art von stimmlich übermittelten Informationen, etwa politischen Nachrichten, Wetterberichten oder Sport-News in der Sowjetunion, in England und Deutschland? Auf welche Art und Weise werden kommunikationsrelevante Merkmale der Stimme, z. B. eine behauchte Tongebung oder das Hochgehen der Intonation am Satzende bei Frauen, den Audioformaten der 1930er, 1960er und 1990er Jahre sowie den damaligen kommunikativen Bedürfnissen der deutschen und britischen Gesellschaft angepasst? Wie wird die soziale Deutung von Film-Stimmen durch die amerikanische und französische Literatur präfiguriert? Wie etablieren sich soziale Normen der Stimmbildung, und wie werden diese Normen in filmischen Kontexten in Japan umgesetzt? Wie reflektieren Tonfilmformate den Wandel von Stimmstereotypen? Wie konstruiert Film – zusammen mit anderen Medien – „nationale Charaktere“ in ihrer stimmlichen Verfasstheit? Was erschwert das Verständnis von kulturfremden Stimmstereotypen?
Das Programm
Mittwoch, 15.6.2011, 14 Uhr
Begrüßung und Einführung (Prof. Oksana Bulgakowa, Mainz)
14.15 Uhr: Panel I – Stimm-Techniken, Stimm-Wirkungen
Prof. Walter Sendlmeier, Berlin: Sprechwirkung – Parameter des stimmlichen Ausdrucks
Dr. Roman Mauer, Mainz: Polyphonie oder Kakophonie? Simultane Stimmen in Spielfilm und Hörspiel
Kathrin Lämmle, Mannheim: Die Stimme aus dem Off – zur Form und Funktion der Interviewerstimmein den Fernseh-Magazinen Alexander Kluges
17.30 Uhr: Kaffeepause
18.00 Uhr: Werkstattgespräch mit dem Tonmeister Matthias Lempert, Bonn (Agnes und seine Brüder, Das Parfum, Deutschland ‘09, The International, Orly, Drei, Pina u. a.)
Donnerstag, 16.6.2011
10.00 Uhr Panel II – Zeitbilder
Prof. Donald Crafton, Notre Dame, USA: The Terror of the Talkies: The Reception of Sound Motion Pictures in American Juvenile Publications, 1928-1930
Prof. Alain Boillat, Lausanne: René Clair als Widerstandskämpfer gegen die synchron gesprocheneStimme. Was die „Sprechmaschinen“ von A nous la liberté (1931) zu sagen habe
Prof. Justus Fetscher, Mannheim: Programm aus dem Hintergrund? Medien-Transformationen der Stimme von Bern 1954ff. (R. W. Fassbinder, F. C. Delius)
13:00 Uhr: Mittagspause
14:30 Uhr: Panel III – Identitätsbilder
Prof. Susan Ohmer, Notre Dame, USA: Intertextual Mickey Mouse: Disney, Sound, and Character in Film and Literature 1928-1934
Dr. Andreas Rauscher, Mainz: Voice Acting in Virtual Worlds
16:15 Uhr: Kaffeepause
16:30 Uhr: Abschlussdiskussion
Die Tagung rundet die Ringvorlesung DIE STIMME ab und wird veranstaltet von Oksana Bulgakowa. Mit freundlicher Unterstützung des Zentrums für Interkulturelle Studien (ZIS). Der Eintritt ist frei.
Quellennachweis:
CONF: Elektrifizierte Stimmen (Mainz 15 -16 Jun 11). In: ArtHist.net, 13.06.2011. Letzter Zugriff 13.05.2025. <https://arthist.net/archive/1530>.