CFP 23.11.2016

Evidenzen des Expositorischen (Berlin, 29 Jun-1 Jul 17)

Freie Universität Berlin, Kunsthistorisches Institut, 29.06.–01.07.2017
Eingabeschluss : 15.01.2017

Charlotte Wagner

[English version below]

Evidenzen des Expositorischen. Wie in Ausstellungen Wissen, Erkenntnis und ästhetische Bedeutung erzeugt wird

Eine Tagung des DFG-Transfer-Projekts „Evidenz ausstellen. Praxis und Theorie der musealen Vermittlung von ästhetischen Verfahren der Evidenzerzeugung“ an der Freie Universität Berlin in Kooperation mit dem Kupferstichkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin

„…und da kommt jetzt die Evidenzhängung ins Spiel…“ - Diese Formulierung von Harald Szeemann, die er für ein bestimmtes Hängekonzept seiner legendären documenta 5 (1972) verwendete, nimmt die geplante Tagung zum Ausgangspunkt, um der Frage nachzugehen, wie in Museen, Galerien und Ausstellungen allgemein durch spezifische Konstellationen von Kunstwerken eigene Evidenzen generiert werden, die genuine, neue Dimensionen von Wissen, Erkenntnis und ästhetischer Bedeutung eröffnen.
Diese Fragestellung ist aktuell von besonderer Relevanz, da Museen und Ausstellungskuratoren unter dem Druck von Ökonomisierung, Globalisierung und Digitalisierung vor der Herausforderung stehen, ihre Aufgaben und Ziele, Adressaten und Vermittlungsformen grundlegend zu hinterfragen und neu zu justieren. Welche ästhetischen Erfahrungen und Erkenntnisse vermitteln die Exponate mit ihrer spezifischen Präsenz in Ausstellungen? Wie werden sie in unterschiedlichen Formen des Displays zu Wissens- und (Be)Deutungsgeneratoren? Wie können Kunstwerke so präsentiert werden, dass ihr Zusammenspiel für Besucher mit ganz unterschiedlichen Voraussetzungen und Erwartungen Sinn erzeugt, etwa, indem das Thema der Ausstellung anschaulich wird, indem die Objekte aber auch jenseits solcher inhaltlichen Engführungen einen Mehrwert an Sinn und Bedeutung produzieren? Diese Fragen haben zugleich eine historische Dimension, denn die Geschichte des Ausstellens zeigt, dass unterschiedliche Zeigeordnungen jeweils mit unterschiedlichen Intentionen und Bedeutungen verknüpft waren.
Die Museum Studies und Curatorial Studies widmeten sich in den vergangenen 30 Jahren eingehend den verschiedenen Handlungsfeldern des Museums. Im Fokus standen dabei vor allem der Status und die Praktiken der Kuratoren, Strategien und Semantiken von Inszenierungsmodi sowie institutionskritische, epistemologische und vermittlungsorientierte Ansätze. Doch die Frage, wie sich in Ausstellungen der Akt des Erkennens, Verstehens und Deutens innerhalb des komplexen Zusammenspiels von Kunstwerken, Räumen und verschiedenen Akteuren vollzieht, ist bisher noch nicht hinreichend untersucht worden.
Ziel der Tagung ist es, solche methodisch-theoretischen Ansätze aufzugreifen und weiterzuentwickeln, in denen Ausstellungen als komplexe Konfigurationen einer ästhetischen Bedeutungserzeugung und -vermittlung beschrieben und analysiert werden. Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei den vielfältigen Beziehungen zwischen den Kunstwerken als Exponaten in ihrer ästhetischen und semantischen Verfasstheit und der Art und Weise, wie sie präsentiert werden. Diesem theoretischen Zugriff werden Fallbeispiele aus der historischen und aktuellen Ausstellungspraxis an die Seite gestellt, um auch Formen und Verfahren eines nichtbegrifflich verfassten kuratorischen Wissens einzubinden.
Betrachtet werden soll dabei das ganze Spektrum der für das Ausstellen relevanten Aspekte ? von der Ausstellungsarchitektur über Hängekonzepte, Licht- und Soundtechnik, Ausstellungsgrafik, Rahmung und andere Präsentationsmittel bis hin zu Publikationen, Marketingmaßnahmen oder personalen und technischen Vermittlungsformen. Die Verknüpfung von theoretischen Perspektiven und praktischen Erfahrungen trägt dazu bei, die multiplen Relationen, Prozesse und Dynamiken sowie die ganz unterschiedlichen Wissensformen und -kategorien, die im Medium der Ausstellung in Erscheinung treten, zusammenzudenken.
Die Tagung will Beiträge aus der Museums-, Display-, Vermittlungs- und Objektforschung zusammenführen und unter den folgenden Leitgedanken diskutieren:

1. Zeigen und Inszenieren
Dieser Schwerpunkt widmet sich den Grundlagen des Expositorischen aus produktionsästhetischer Perspektive. Wie werden Kunstwerke durch Inszenierungen in neue Bezüge gestellt und mit Korrespondenzen oder Bedeutungen versehen, über die sie allein nicht verfügen oder die an ihnen alleine nicht bemerkt worden wären? Auf welche Weise fördern, affirmieren, stabilisieren oder aber behindern, verschleiern und unterlaufen museale Präsentationsformen das ästhetische Gefüge der Objekte und ihre genuinen Formen der Sinnerzeugung? Wie lassen sich unterschiedliche Präsentationsformen terminologisch fassen und kategorisieren? Wie wirken sich medien- und ortspezifische Zeigemodi auf die Erscheinung und Wahrnehmung der Exponate aus? Und welche Konsequenzen ergeben sich in diesem Zusammenhang aus der zunehmenden Virtualisierung der Objekte durch die Digitalisierung?

2. Verstehen und Erkennen
Einen zweiten Schwerpunkt bildet die rezeptionsästhetische Ebene. Wie steuern unterschiedliche Präsentationsformen den Blick und die körperliche Bewegung der Ausstellungsbesucher im Raum? Wie wirkt sich die Art und Weise des Betrachtens, der spezifischen Blickeinstellung, auf die Form der sinnlichen und kognitiven Wahrnehmung aus? Wenn eine ästhetische Inszenierung sich dadurch auszeichnet, dass sie eine Gegenwart erzeugt, die für vielfältige, zunächst unbestimmte sinnliche Erfahrungen offensteht, wie vollzieht sich darin der Wechsel zu interpretativen und reflexiven Handlungen? Welche Rolle spielen unterschiedliche Formen der Betrachteransprache (narrativ, affektiv, distanzierend, etc.) in der musealen Vermittlung von Wissen und Bedeutung?

3. Deuten und Bedeuten
Gegenstände des dritten Schwerpunktes sind die Ausstellung als metadiskursive Struktur und die Frage nach adäquaten Analysemethoden. In einer Ausstellung tritt jedes Exponat in ein Verhältnis sowohl zu den anderen Exponaten als auch zur Form des Displays, die alle wiederum auf die Bedeutungskonstitution des Einzelobjekts zurückwirken. So werden im Zusammenspiel mehrerer Werke Evidenzen erzeugt, die über die Semantik des einzelnen Werks hinausgehen. Wie lassen sich diese Wechselbeziehungen anhand konkreter Beispiele beschreiben und analysieren? Wie gelingt es, den Besuchern Zugänge zu diesen ästhetischen und semantischen Strukturen zu eröffnen? Und wie wäre eine Ausstellungsanalyse als Methode zu konzipieren, die die Untersuchung und Deutung solcher Zusammenhänge ins Zentrum rückt?
Konzeption: Prof. Dr. Klaus Krüger, Dr. Elke Anna Werner

Bitte schicken Sie Ihre Themenvorschläge (ca. 1500 Zeichen) für Vorträge (30 Minuten) mit einem kurzen Lebenslauf an elke.wernerfu-berlin.de.

Deadline: 15. Januar 2017

Das DFG-Transferprojekt „Evidenz ausstellen“ übernimmt die Übernachtungs- und Reisekosten für die Referenten gemäß den Richtlinien des Bundesreisekostengesetzes. Eine Publikation der Beiträge ist geplant.

Gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft.

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Creating Evidenz through Display: How Knowledge, Cognition, and Aesthetic Meaning is Generated in Exhibitions

The project ‘Evidenz on Exhibit: The practice and theory of how museums communicate the aesthetic processes involved in the generation of evidenz’ funded by the German Research Foundation is hosting a conference at the Freie Universität Berlin in cooperation with the Kupferstichkabinett of the Staatliche Museen zu Berlin.

‘… Und da kommt jetzt die Evidenzhängung ins Spiel…’ (and that’s where the Evidenz hang comes into play)—Harald Szeemann’s statement on the particular concept that he used for hanging and arranging the artworks at his legendary documenta 5 (1972) forms the point of departure for the conference, which aims to investigate how specific constellations of artworks in museums, galleries, and exhibitions can generate new layers of Evidenz that open up new, authentic dimensions of knowledge, cognition, and aesthetic significance.
The proposed topic is particularly relevant at present as the pressures of commercialization, globalization, and digitization pose a challenge for museums and exhibition curators to fundamentally question and modify their roles and objectives, their target groups and methods of communication. What kind of aesthetic experiences and knowledge does the specific presence of an exhibit in an exhibition convey? How do exhibits become producers of knowledge, meaning, and interpretation through different forms of display? How can artworks be presented in such a way that their interaction creates meaning for visitors with very different expectations and backgrounds, for example, by ensuring that the theme of the exhibition is apparent while simultaneously enabling the objects to produce additional meaning and sense beyond such thematic constrictions? These questions also have a historical dimension, as the history of exhibiting shows that different hanging schemes and arrangements were associated with different intentions and meanings.
Over the past thirty years, museum and curatorial studies have been primarily focused on the various spheres of activity of the museum. The main emphasis was on the status and the practices of curators, the strategies and semantics of different types of display, and approaches that take a critical look at institutions, and incorporate epistemological factors, and the role of communication and education. Yet the question of how the act of cognition, understanding, and interpreting occurs within the complex relationship between artworks, exhibition spaces, and the various actors involved in exhibitions has not been sufficiently examined to date.
The objective of the conference is to take up and further develop methodical and theoretical approaches in which exhibitions are defined and analyzed as complex configurations that generate and communicate aesthetic meaning. Particular attention will be paid to the multifaceted relationships between the aesthetic and semantic constitution of an artwork as a display object and the manner in which it is presented. Discussions on theory will be complemented by case studies from past and present exhibition practice, so that forms and processes of undefined curatorial knowledge can be incorporated. The aim is to examine all aspects of exhibition-making, from the exhibition design to hanging concepts, light and sound, exhibition graphics, framing and other presentation tools through to publications, marketing and other means of communication be it through museum staff or technology. By linking theoretical perspectives and practical experience, it should be possible to contemplate all of these elements together, from the multiple relationships, processes, and dynamics to the wide variety of forms and categories of knowledge that come to light though the medium of exhibiting.
The conference hopes to bring together and discuss different areas of museum, exhibition, communication, and object research under the following central themes:

1. Showing and staging exhibits
The first area of focus is devoted to the fundamentals of exhibiting from the perspective of production aesthetics. How are artworks placed in new contexts through carefully staged presentations, giving rise to analogies and meanings that they do not possess on their own or which would not become evident if observed individually? In what ways can different types of museum display promote, affirm, and stabilize an object’s underlying aesthetic fabric but also hinder, obscure, or subvert it and its inherent forms of creating meaning? How can different types of presentation be defined and categorized? How do forms of presentation specific to a medium or location affect the appearance and perception of the exhibits? And, in this context, what are the consequences of the increasing virtualization of objects through digital reproductions?

2. Understanding and cognition
A second focus of the conference deals with the reception of artworks at the aesthetic level. How do different display forms steer the gaze and physical movement of the visitor within the exhibition space? In what way does the manner in which an object is viewed, and the specific angle from which it is observed affect how it is sensually and cognitively perceived by the viewer? If an aesthetic presentation distinguishes itself by creating a present that opens up a plethora of initially undefined sensory experiences, how does the shift to interpretative and reflexive action come about? What roles do the different means of addressing the viewer (narrative, affective, detached etc.) play in the museum’s communication of knowledge and meaning?

3. Interpretation and meaning
The main objects of the third area of focus are the exhibition as a metadiscursive construction and the question of adequate analytical methodology. A specific trait of exhibitions is their discursive structure, i.e., that each exhibit appears in relation to the other objects on display and to the form of display, which in turn impact the constitutional meaning of the individual objects. The interplay of multiple works creates further layers of Evidenz that go beyond the semantics of the individual work. How can we define and analyze these interrelations using concrete examples? And how can we develop a method of analyzing exhibitions that focuses on the examination and interpretation of these synergies?

Conception: Prof. Dr. Klaus Krüger, Dr. Elke Anna Werner

Please send your proposals (approx. 1,500 characters, in German or English) for presentations (20-30 minutes) together with a short resume to elke.wernerfu-berlin.de.

Deadline: Jan 15, 2017

Accommodation and travel costs incurred by speakers will be reimbursed by the DFG-project ‘Evidenz ausstellen’ in accordance with the guidelines of the German Travel Expenses Act (Bundesreisekostengesetz, BRKG). A publication of all conference papers is also planned.
Sponsored by the Deutsche Forschungsgemeinschaft.

Quellennachweis:
CFP: Evidenzen des Expositorischen (Berlin, 29 Jun-1 Jul 17). In: ArtHist.net, 23.11.2016. Letzter Zugriff 14.09.2025. <https://arthist.net/archive/14250>.

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