REV-EX 02.09.2003

Oranienbaum – Huis van Oranje

Schloss Oranienbaum, 14.06.–24.08.2003

Rezensiert von Katrin Zimmermann
Redaktion: Philipp Zitzlsperger
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Noch bis zum 7. September findet in Oranienbaum bei Dessau die sächsisch-anhaltinische Landesausstellung „Oranienbaum – Huis van Oranje. Wiedererweckung eines anhaltinischen Fürstenschlosses. Oranische Bildnisse aus fünf Jahrhunderten“ statt. In dem erst seit kurzem frei zugänglichen, aus einem tiefen Dornröschenschlaf erweckten Schloß werden auf zwei Etagen zahlreiche Kunstwerke und Ausstattungsstücke vom 16. Jahrhundert bis heute gezeigt, die von den Verbindungen der Häuser Anhalt-Dessau und Oranien-Nassau zeugen.

Sie schließt an die internationale Ausstellung „Onder den Oranje boom“ von 1999/2000 [1] an, deren Fokus auf die Einflüsse oranischer Verbindungen mit deutschen Fürstenhöfen gerichtet war, und konzentriert sich hier auf den intensiven kulturellen und wirtschaftlichen Austausch zwischen Anhalt-Dessau und den nördlichen Niederlanden. Ergänzend wurde in der oberen Etage des südlichen Seitenflügel die Ausstellung der Österreichischen Nationalbibliothek zu oranisch-nassauischer Bildnisgraphik [2] übernommen.

Der Schwerpunkt der Oranienbaumer Ausstellung liegt auf den zahlreichen Porträts der einzelnen Familienmitglieder. So werden die Gemälde der niederländischer Maler Gerard van Honthorst und Jan Mijtens gezeigt, die diese von der niederländischen Statthalterfamilie und ihren vier Töchtern zahlreich anfertigten. Der Katalogartikel von Alexandra Nina Bauer geht ausführlich auf die Porträtmaler der Oranier ein. Interessant ist zu erfahren, daß die Porträts der bereits in Deutschland verheirateten Prinzessinen bei ihren Reisen in die Niederlande von Jan Mijtens angefertigt wurden, so daß dieser sich wahrscheinlich nie an ihren Höfen aufgehalten hat.

Die Ausstellung wird vervollständigt durch bemerkenswerte kunsthandwerkliche Objekte und Archivalien zur Schloßgeschichte, sowie Delfter Fayence und Möbel. Die unrenovierten Schloßräume wurden für die Präsentation der Stücke, die von dem prägenden niederländischen Einfluß zeugen, mit Vitrinen und Podesten hergerichtet, jedoch bisher nicht rekonstruiert. Trotz der über fünfzigjährigen Nutzung als Außenstelle des Landesarchivs haben sich noch umfangreiche Reste der prächtigen Innenausstattung bewahrt, die nach den ersten Reinigungsarbeiten der Restauratoren zum Vorschein gekommen sind. Sowohl Teile der aufwändigen Stuckdecken des 17. und 18. Jahrhunderts als auch der unter mehreren Farbschichten verborgenen chinoisen Wandmalereien aus der Zeit Leopolds III. haben sich in einigen Räumen erhalten. Die Katalogbeiträge von Reinhard Alex und Mario Titze erläutern kenntnisreich die Funde.

Ein besonderes Augenmerk gilt den kostbaren, farbig gestalteten niederländischen Ledertapeten im Teesaal, die hier - wie in vielen anderen oranischen Schlössern im 17. Jahrhundert - als Dekoration die Wände schmückten. Es handelt sich dabei um die letzten niederländischen Exemplare, die noch an ihrem Originalanbringungsort vorhandenen sind, wie Eloy F. Koldeweij in seinem Katalogartikel darlegt. Sie konnten unter Einbauten freigelegt werden und befanden sich in bemerkenswert gutem Zustand. Die goldfarben geprägten, sich wiederholenden Motive der Tapeten stellen Gartenszenen mit Springbrunnen vor einer italienischen Palastarchitektur dar (der Teesaal wird im Rahmen der Sanierung des Schlosses nach Ende der Ausstellung komplett rekonstruiert und während der Arbeiten für Besucher zugänglich bleiben).

Schloß Oranienbaum wurde im Ort Nischwitz als Landsitz ab 1681/83 auf Wunsch der Fürstin Henriette Catharina errichtet. Die oranische Prinzessin hatte 1659 Johann Georg II. von Anhalt-Dessau geheiratet und beauftragte mit dem Bau den Architekten Cornelis Ryckwaert, der u.a. in Zerbst ebenfalls für den brandenburgischen Kurfürsten tätig war. Nach dem Tode ihres Mannes diente das Schloß Henriette Catharina als Witwensitz – übrigens ganz nach dem Vorbild ihrer Mutter Amalia von Solms in Huis ten Bosch. Zu diesem Zweck wurde es von Johann Tobias Schuchart 1698 bis 1702 erweitert. Dieser verband den äußerlich schlicht gehaltenen, zweigeschossigen Corps de logis durch Seitenflügel mit den Kavaliershäusern und verwandelte so die von niederländischen Vorbildern geprägte Maison de plaisance in eine Dreiflügelanlage nach französischem Muster, wie es in Brandenburg schon mit Schloß Oranienburg geschehen war.

Im Unterschied zur schlichten Fassade scheute die Fürstin für die Innenausstattung sichtlich keine Kosten und Mühen, wie die erhaltenen Reste bezeugen. Der von der Gartenseite zugängliche Fliesensaal im Souterrain, dessen Gewölbe und Wände vollständig mit Fliesen ausgekleidet sind, legt ebenfalls ein besonders prächtiges Zeugnis der niederländischen Prägung des Baus ab und ist neben dem Fliesensaal in Schloß Caputh, unweit von Potsdam, ein selten erhaltenes Beispiel in Deutschland.

Dank der erhaltenen Inventare kennen wir die noch zu Lebzeiten Henriette Catharinas nach Anhalt-Dessau gelangten Kunstwerke aus der sogenannten oranischen Erbschaft. Diese umfaßte nach dem Tod von Amalia von Solms wertvolle Kunstwerke aus dem Besitz des niederländischen Statthalterpaares, die sie ihren Kindern hinterließ. Ähnlich gut dokumentiert ist die Sammlung des Fürsten Leopold III. Friedrich Franz, der Schloß Oranienbaum und seine Anlage in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts durch einige Veränderungen vervollständigte. Aus den Inventaren wissen wir, daß Leopold III. zahlreiche Kunstwerke von anderen niederländischen Familienmitgliedern erwarb und in Oranienbaum aufbewahrte. In der Ausstellung zeugen u.a. die Gemälde von Peter Paul Rubens „Alexander krönt Roxana“ und „Flora und Zephirus“ (in in Zusammenarbeit mit Jan Brueghel d.Ä.) aus dem Besitz der Kulturstiftung Dessau Wörlitz von dieser Provenienz und geben - neben den heute noch in Schloß Mosikgau und dem Gotischen Haus im unweiten Wörlitzer Park aufbewahrten Stücken - einen Eindruck von der Pracht der Raumausstattungen.

Doch ist nicht nur der Schloßbau bedeutend, sondern auch seine Gartenanlage. So kann diese mit recht als Vorgängerin des Wörlitzer Parks gelten. Schon 1998 konnte ein Großteil des Gartens rekonstruiert werden. Die bereits zu Lebzeiten Henriette Catharinas begonnene Anlage entsprach dem Typus niederländischer Barockgärten. Die Schloßinsel wurde vom restlichen Garten durch einen Wassergraben getrennt und tradiert so eine aus der Festungsarchitektur bekannte Form. Die teilweise als Nutzgärten angelegten acht rechteckigen Gartenquartiere gruppieren sich um das Schloß. Leopold III. ergänzte den Garten zuletzt in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts an der Nordseite durch einen kleinen Park in englisch-chinesischem Stil mit Teehaus und Pagode, ganz im Geiste der von ihm angelegten, nahen Wörlitzer Gartenlandschaft – von Ludwig Trauzettel im Katalog konzis dargestellt.

Dieses bemerkenswert gut erhaltene Ensemble, das bisher im Schatten des Wörlitzer Parks stand, verdient eine Wiederbelebung. Die Ausstellung ist daher als gelungener Beginn zu betrachten und kann noch ein Woche besucht werden.

Anmerkungen:
[1] Ausstell.-Kat. Krefeld, Oranienburg, Apeldoorn 1999/2000. Onder den Oranje boom. Niederländische Kunst und Kultur im 17. Und 18. Jahrhundert an deutschen Fürstenhöfen, 2 Bde.
[2] Ausstell.-Kat. Wien 2002. Oranien - 500 Jahre Bildnisse einer Dynastie aus der Porträtsammlung der Österreichischen Nationalbibliothek, Wien und der niederländischen Königlichen Sammlung, Den Haag.

Weiss, Thomas (Hrsg.): Oranienbaum - Huis van Oranje. [Wiedererweckung eines anhaltischen Fürstenschlosses ; oranische Bildnisse aus fünf Jahrhunderten ; anlässlich der Ausstellung im Schloss Oranienbaum 14. Juni bis 24. August 2003, Landesausstellung Sachsen-Anhalt 2003] (= Kataloge und Schriften der Kulturstiftung Dessau Wörlitz; 21), Dessau: Deutscher Kunstverlag 2003
ISBN-10: 3-422-06419-2, 395 S, EUR 49.90, CHF 83.30

Empfohlene Zitation:
Katrin Zimmermann: [Rezension zu:] Oranienbaum – Huis van Oranje (Schloss Oranienbaum, 14.06.–24.08.2003). In: ArtHist.net, 02.09.2003. Letzter Zugriff 29.03.2024. <https://arthist.net/reviews/497>.

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