„Kennst Du das Land. Italienbilder der Goethezeit“, 4. Mai bis 31. Juli 2005 | “Rom 1846-1870. James Anderson und die Malerfotografen, Sammlung Siegert“, 4. Mai bis 11. September 2005 Zwei Ausstellungen in der Neuen Pinakothek, München
Die Sehnsucht nach Italien ist bis heute ungebrochen, wenn auch sehr viel leichter zu befriedigen, als vor etwa 200 Jahren. Damals waren in großer Zahl deutsche Maler nach Italien aufgebrochen, nicht nur, um sich dort die Kulturschätze anzueignen, sondern auch, um die Landschaft zu erleben und in Bildern nachzuempfinden. Es war die große Zeit der Landschaftsmalerei, eines Neubeginns, der - von der Ideallandschaft ausgehend - zum Abbild der (idealen) Natur, des diesseitigen Arkadien, fand.
Ausgangsort für viele Künstler war München, die deutsche Stadt, von der aus Italien am leichtesten zu erreichen war, die sich schon damals nach Süden orientierte und immer wieder als nördlichste Stadt Italiens bezeichnet wurde. Und so besaß auch der bayerische König Ludwig I. mit der Villa Malta ein Refugium in Rom, wo sich „seine“ Künstler trafen und malten.
Diese Gemälde gehören heute zum Bestand der Neuen Pinakothek und bilden den Ausgangspunkt für eine Ausstellung, die sich mit dem Phänomen der deutschen Landschaftsmalerei im Italien der Goethezeit auseinandersetzt. Dafür wurde kein auf die Sammlung ausgerichtetes Konzept erarbeitet. Vielmehr konnten Leihgaben anderer großer Häuser ergänzend hinzugenommen werden, was der Ausstellung sehr zugute kommt.
Ansatzpunkt ist auch hier die Ideallandschaft, bei der sich die Maler an den Werken von Claude Lorrain und Nicolas Poussin orientierten. Nach diesem Auftakt beginnt die topographisch angelegte Ausstellung mit Bildern aus Rom und seiner Umgebung, konkret von Tivoli und den Albaner Bergen, dem Park der Villa Chigi bei Ariccia, den Sabiner Bergen, der Römischen Campagna und dem Blick auf Rom von der Villa Malta aus. Dieser Blick wurde von Johann Christian Reinhart für König Ludwig in vier monumentalen Veduten festgehalten, die als fingierte Fensterausblicke in einem Raum der Münchner Residenz montiert werden sollten. Das Vorhaben wurde damals nicht realisiert. Für die Dauer der Ausstellung sind die Bilder in einem Zelt präsentiert, das in einem Saal der Pinakothek aufgestellt wurde und dessen gelb-weiße Stoffbahnen die Hitze des römischen Sommers suggerieren.
Diesem ersten und größten Schwerpunkt folgt als zweiter der Golf von Neapel mit dem Vesuv und den Phlegräischen Feldern sowie Capri und Sorrent als weitere Anziehungspunkte. Einesteils waren die Maler von den Vesuv-Ausbrüchen fasziniert und malten immer wieder die roten Lavaströme, die sich über den Berg ergossen. Einen ganz anderen Anreiz bot die Insel Capri, vor allem nachdem die deutschen Maler August Kopisch und Ernst Fries 1826 die Blaue Grotte entdeckt (und auch gemalt) hatten. Ein Bild von Kopisch zeigt das Innere der Grotte, allerdings reflektieren ihre Wände nur ganz schwach das blaue Licht.
Ein weiteres großes Reiseziel - und am schwersten zu erreichen - war Sizilien mit seinen griechischen Tempelruinen, den hohen Bergen und dem südlichen Licht, das die Farben noch intensiver leuchten lässt als in Rom oder Neapel. Wie unterschiedlich die Künstler gerade diese südlichen Farben erlebten, zeigt ein Vergleich zwischen den vier ausgestellten Bildern von der Sicht auf den Monte Pellegrino. Johann Georg von Dillis tauchte seinen 1817 gemalten Blick auf den Berg vom Meer aus in ein bläuliches Licht, aus dem nur die Häuser am Palermitaner Hafen weiß hervorstechen. Franz Ludwig Catel malte 1820 den Kontrast von Licht und Schatten, der durch die gleißende Sonne auf der Uferstraße Palermos entstand. Die flimmernde Hitze brachte aber auch den Dunst hervor, durch den der Berg im Hintergrund blassbraun wirkt. Bei Wilhelm Ahlborns Bild von 1831 spürt man durch den hellen gelb-blauen Himmel, den wenig kontrastreichen braunen Berg und den dunkelgrünen schattigen Vordergrund die Kühle des Morgens. Carl Rottmann hat 1832 hingegen den Moment gewählt, wenn das Sonnenlicht stark genug ist, um die Farben kräftig wirken zu lassen. Hier ist der Kontrast zwischen tiefblauem Meer, hellblauem Himmel, braunem Berg und grüner Landschaft am augenfälligsten.
Saaltexte zu den einzelnen Kapiteln erläutern in kurzer prägnanter Form, warum gerade diese Orte für die Künstler von großer Bedeutung waren. Auch beziehen sie die zeitgenössische Literatur mit ein, wobei Goethe im Vordergrund steht, dessen „Lied der Mignon“ aus Wilhelm Meister nicht nur das „Italiensehnsuchtsgedicht“ schlechthin darstellt, sondern auch in München Titel gebend ist.
Die Ausstellung wird von einem Handbuch begleitet, in dem solche Aspekte sehr viel ausführlicher behandelt werden. Einführenden Essays über die damalige Entwicklung der Landschaftsmalerei (Frank Büttner), die literarischen Entsprechungen (Andreas Beyer) und die Reisemöglichkeiten der Künstler (Joachim Rees) folgt der Katalogteil in vierzehn Kapiteln, welche jeweils aus einer Einleitung mit anschließenden Beschreibungen der einzelnen Bilder bestehen. Die Kapitel wurden von Doktoranden der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität im Rahmen des Studiengangs „Museum- und Ausstellungswesen“ erstellt. Zwei Jahre haben sie unter Leitung von Frank Büttner und Herbert Rott Zeit gehabt, die Ausstellung von der ersten Konzeption bis zu ihrer Fertigstellung zu realisieren.
Das Resultat ist eine hervorragend gelungene Ausstellung, der man die wissenschaftliche Erarbeitung des Themas nicht nur durch den gewichtigen Katalog, sondern auch in der Art der Präsentation anmerkt, die sich ohne zu verwässern an ein großes Publikum wendet. Kritisch anzumerken bleibt lediglich das fehlende Register im Katalog.
Parallel präsentiert die Neue Pinakothek im Untergeschoß die Ausstellung „Rom 1846-1870. James Anderson und die Malerfotografen“. In ihr wird mit 140 Exponaten eine repräsentative Auswahl der frühen Romfotografie aus der Sammlung von Dietmar Siegert gezeigt; Fotografien, die ihrerseits wiederum zum großen Teil Malern als Vorlagen für ihre Bilder dienten. Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen die Bilder des Engländers James Anderson, der 1851 in Rom ein eigenes Fotostudio eröffnete. Sie werden ergänzt durch Werke von Zeitgenossen, welche die verschiedenen Facetten der Fotografie, Architekturen, Veduten, Landschaften, Naturnahaufnahmen, aber auch Personen zum Thema haben. Der von Dorothea Ritter bearbeitete Katalog bietet darüber hinaus Informationen zu der frühen römischen Fotografie.
Büttner, Frank (Hrsg.): Kennst du das Land. Italienbilder der Goethezeit ; [anlässlich der Ausstellung "Kennst Du das Land, Italienbilder der Goethezeit", München, Neue Pinakothek, 4. Mai - 31. Juli 2005], München [u.a.]: DuMont Buchverlag 2005
ISBN-10: 3-8321-7519-9, 424 S, ca. EUR 34.00, sfr 63.00
Atkinson, Isaac; Ritter, Dorothea; Rott, Herbert Wilhelm; Siegert, Dietmar; (Hrsg.): Rom 1846 - 1870. James Anderson und die Maler-Fotografen, Sammlung Siegert ; [anlässlich der Ausstellung "Rom 1846 - 1870, James Anderson und die Maler-Fotografen, Sammlung Siegert", München, Neue Pinakothek, 4. Mai - 11. September 2005], [Heidelberg]: Edition Braus 2005
ISBN-13: 978-3-89904-143-9, 191 S, EUR 39.90, sfr 67.00
Recommended Citation:
Susanna Partsch: [Review of:] Kennst Du das Land. Italienbilder der Goethezeit | J.Anderson. Malerfotografen (Neue Pinakothek, München, May 4–Jul 31, 2005). In: ArtHist.net, May 26, 2005 (accessed Dec 14, 2024), <https://arthist.net/reviews/475>.
This work is licensed under a Creative Commons Attribution-Noncommercial-No Derivative Works 4.0 International License. For the conditions under which you may distribute, copy and transmit the work, please go to https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/