REV-CONF 17.11.2002

Porta coeli restaurata

Bruenn, 07.–09.11.2002

Bericht von Joerg Richter

Porta coeli restaurata 2000-2002

Vom 7. bis zum 9. November 2002 veranstaltete das Bistum Bruenn (Tschechische Republik) ein internationales Symposium zum Skulpturenportal im Zisterzienserinnenkloster Porta coeli bei Tisnov. Anlass war die Beendigung der etwa zweijaehrigen Restaurierungsarbeiten an diesem Hauptwerk der Kunst des 13. Jahrhunderts in den Laendern der Boehmischen Krone, die mit Hilfe des World Monuments Fund ermoeglicht wurden. Die fachliche Begleitung des Symposiums lag in den Haenden von Klara Benesovska von der Tschechischen Akademie der Wissenschaften, als Kooperationspartner traten die Gemeinde Predklasteri und das Bezirksmuseum Bruenn-Umgebung auf.

Im Zentrum des Symposiums standen am ersten Tag die Praesentation des Restaurierungsverlaufes und der begleitend vorgenommenen Untersuchungen. Eingangs erlaeuterte Zdenek Vacha das Restaurierungskonzept aus der Sicht des Denkmalpflegers. Danach legte der Archaeologe Josef Unger seine verblueffenden Grabungsbefunde vor, die eine mehrphasige Fundamentierung der gesamten Portalanlage dokumentieren. Jan Vinar sprach ueber die statische Sicherung der Westfassade und ueber das Problem der Entwaesserung im Umfeld des Portales. Der Geologe Zdenek Staffen machte die Teilnehmer mit der petrographischen Untersuchung des Portals bekannt, in deren Ergebnis die Gesteinsvorkommen kartiert werden konnten, aus denen die am Portal verwendeten Materialien offenbar gezielt nach bestimmten Qualitaetskriterien gewonnen wurden. Karol Bayer stellte das am Portal angetroffene Schadensbild und die daraus resultierenden Massnahmen aus der Sicht des Chemikers dar. Als Bauforscher praesentierte Petr Macek seine Ergebnisse zur baulichen Entwicklung der Portalanlage, fuer die er mehrere offenbar unter Zeitdruck vorgenommene Konzeptionsaenderungen nachweisen konnte. Als Hoehepunkt des Programmes konnte der Vortrag von Jan Bradna gelten, der als Bildhauer und Steinrestaurator mit den Arbeiten am Portal beauftragt war. Aus erster Hand informierte Bradna sowohl ueber den konkreten technischen Ablauf der Restaurierung als auch ueber eine ganze Reihe von Detailbeobachtungen zur Konstruktion und Geschichte des Portales.

Im Anschluss an die Vortraege hatten die Besucher des Symposiums Gelegenheit zu einer ausgiebigen Besichtigung des Portals, wobei die oben genannten mit den Restaurierungsarbeiten befassten Referenten fuer vertiefende Auskuenfte zur Verfuegung standen. Nach Abschluss der Restaurierung zeigt sich das Portal in einem voellig neuen Zustand, der fuer die Kunstgeschichte von ausserordentlichem Interesse sein duerfte. So sind nach der Abnahme eines neuzeitlichen, fuer intensive Krustenbildung verantwortlichen kaseinhaltigen Anstriches erstmals die verwendeten Gesteine mit ihrer bewusst eingesetzten Farbigkeit muehelos zu erkennen. Zweifelsfrei zu trennen von der Originalsubstanz sind nunmehr auch die im Laufe des 18. und 19. Jahrhunderts mit diversen Stuckmassen vorgenommenen Ergaenzungen.

Der zweite Tag des Symposiums war der Einordnung des Tisnover Westportales in einen breiteren europaeischen Kontext gewidmet. Olaf Struck berichtete ueber die Erfahrungen bei der Restaurierung des Bamberger Fuerstenportales und des Westportales an der Abteikirche Ebrach. Die im Zusammenhang mit der juengsten Restaurierung des Riesentores am Wiener Stephansdom gewonnenen Erkenntnisse zu Baugeschichte, Polychromie und kunsthistorischer Einordnung fassten Arthur Saliger und Friedrich Dahm zusammen. Aus Ungarn berichtete Edit Szentesi ueber die Restaurierung des Westportalgiebels an St. Georg in Jak, wobei sie auch kritische Einwaende gegen die dort vorgenommene Demontage der Originalskulpturen zur Sprache brachte.

Als besonderer Verdienst ist den Programmgestaltern des Symposiums anzurechnen, dass im Bereich der kunsthistorisch ausgerichteten Vortraege in bisher nicht gepflegter Breite auf die ungarischen Parallelen und Folgeerscheinungen zum Tisnover Westportal eingegangen wurde. So konnte Tibor Rostas seine detaillierten Forschungen zur Ornamentik des Portals und deren Parallelen im ehemaligen Koenigreich Ungarn vorstellen. Stefan Orisko stellte das Westportal der Praemonstratenserkirche in Sahy in den Mittelpunkt seiner Betrachtungen und verwies darueber hinaus auf weitere Faelle der Rezeption der Tisnover Ornamentik. Der Vortrag von Alice Mezey ueber die Farbbefunde im Inneren sowie an den Fassaden der Basilika in Jak ergaenzte bestens die vorangegangenen Beitraege zur Polychromie von Portalanlagen des 13. Jahrhunderts.

Einziger Wermutstropfen im Programm war die Absage von gleich drei Vortraegen prominenter tschechischer Kunsthistoriker, die ihr Land kurzfristig in Frankreich zu repraesentieren hatten. Die Diskussion des stilistischen Habitus der Portalskulpturen sowie von ikonografischen Fragestellungen kam damit gezwungenermassen zu kurz. Dies ist um so bedauerlicher, als bestimmte, im Zusammenhang mit Tisnov immer wieder aufgegriffene Topoi der Kunstgeschichtsschreibung wie etwa der von einem "zisterziensisch-burgundischen Stil" unbedingt zu hinterfragen waeren. Helena Soukupova allein stellte sich mutig der undankbaren Aufgabe, in einer Tour de force durch den geschichtlichen Hintergrund der Klostergruendung bei Tisnov, durch stilistische, ikonografische und Datierungsprobleme zu fuehren.

Insgesamt ist den Veranstaltern und ihren Partnern fuer ein Symposium auf hohem fachlichen Niveau zu danken. Nicht zuletzt die professionelle Simultanuebersetzung der Vortraege sorgte fuer einen regen Austausch der aus Ungarn, der Slowakei, Oesterreich und Deutschland angereisten Teilnehmer mit ihren tschechischen Kollegen. Das Programm wurde abgerundet durch eine Exkursion zu ausgewaehlten Baudenkmaelern in Bruenn, von denen an dieser Stelle nur der juengst exzellent restaurierte Kreuzgang des Dominikanerklosters hervorgehoben werden soll. Es ist beabsichtigt, auf der Basis der Beitraege des Symposiums eine zweisprachige Monografie zum Tisnover Westportal zusammenzustellen, ein Vorhaben, dem unbedingt Erfolg zu wuenschen ist.

Empfohlene Zitation:
Joerg Richter: [Tagungsbericht zu:] Porta coeli restaurata (Bruenn, 07.–09.11.2002). In: ArtHist.net, 17.11.2002. Letzter Zugriff 28.03.2024. <https://arthist.net/reviews/409>.

Creative Commons BY-NC-NDDieser Text wird veröffentlicht gemäß der "Creative Commons Attribution-Noncommercial-No Derivative Works 4.0 International Licence". Eine Nachnutzung ist für nichtkommerzielle Zwecke in unveränderter Form unter Angabe des Autors bzw. der Autorin und der Quelle gemäß dem obigen Zitationsvermerk zulässig. Bitte beachten Sie dazu die detaillierten Angaben unter https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/deed.de.

^