Exzellenzcluster Bild Wissen Gestaltung, HU Berlin
Ansprechpartnerinnen Sophia Kunze und Marietta Kesting
Dark Room bezeichnet sowohl die alte analoge Dunkelkammer der Fotografie als auch beispielsweise die Cruising Zone in Gay Clubs. Dort ist es nicht nur dunkel, sondern auch das fotografieren explizit verboten. Der Dark Room ist das Gegenbild zum White Cube der Galerie oder des Kunstmuseums, wo alles beleuchtet und sichtbar ist.
Helligkeit und Dunkelheit wird metaphorisch eingesetzt, wenn die Spannung zwischen „Licht der Erkenntnis“ und den “dunklen Bereichen des Unwissens“ verhandelt wird. Roland Barthes hatte die „Helle Kammer“ zum Titel seiner Fotografieanalyse auserkoren, in der er jedoch eine subjektive Lesart von Fotografien vorlegt, die sich von „objektiven“ Kriterien längst verabschiedet hat.
Die Lichtmetaphern stehen zumeist für eine Idee von Lesbarkeit, Verständnis und oft Positivität wohingegen das im Schatten liegende und wenig Beleuchtete assoziativ mit Heimlichkeiten, Verstecken und Unbekanntem, vielleicht illegalen Aktivitäten, Gefahr und oft auch Negativität konnotiert sind. Häufig in die dunklen Bereiche verlegt werden das Körperliche und Sexuelle, da die Scham oder gewisse Tabus genaues Hinsehen mit gesellschaftlichen Verboten belegen. Genau deshalb wollen wir wissen: Welche Rolle spielen die Kategorien Sexualität und Gender in dunklen Räumen? Inwieweit herrschen trotz einer „maximalen Sichtbarkeit“ (Linda Williams: Hard Core 1989) weiterhin Tabus, was die Abbildung gewisser Praktiken und Körper angeht? Wie könnte mit einem „unsichtbar bleiben“ auch ein Machtgewinn beziehungsweise eine Unterwanderung von Disziplinarmaßnahmen einhergehen?
Im Rahmen des Workshops wollen wir uns mit der Rolle der dunklen Räume und der dort (scheinbar) herrschenden Unsichtbarkeit auseinandersetzen. In diesem Kontext spielen Bilder eine entscheidende Rolle, denn sie machen Unsichtbares sichtbar (Gottfried Boehm: Wie Bilder Sinn erzeugen 2007). Sichtbarkeit bedeutet hier lesbar, evident und manifest. Bilder rücken Akteure ins Licht, transportieren Sinn und Bewertung. Wir wollen fragen, welche Bildstrategien können als Versuch verstanden werden, die akteursbezogene Unsichtbarkeit aufzubrechen? Fragen wollen wir aber auch vor allem nach der Unsichtbarkeit. Wie ist sie bedingt? Hat das Unsichtbarbleiben einen Nutzen – wie zum Beispiel im Bereich der Illegalisierung die Vermeidung staatlicher Kontrolle? Wird sie in Form der Leerstelle zum Mittel der Marginalisierung einzelner? Welche Ansätze wenden sich bewusst vom Bild ab und welche Alternativen der medialen Vermittlung werden gewählt. Die Bandbreite des Umgangs mit Un/Sichtbarkeit kann von der kompletten Verweigerung von Sichtbarkeit, bis hin zur Subversion einer auf Sichtbarkeit setzenden Herrschaftsform reichen - etwa mit Strategien der Camouflage.
Im Rahmen des Workshops wollen wir uns mit der Frage auseinandersetzen, wie Akteure, deren Zugriff auf die Bilderzeugung und -distribution aufgrund normativer Setzungen aber auch medialer Regime ausgeschlossen oder grundlegend eingeschränkt wird, mit ihrer Unsichtbarkeit umgehen. Daran schließt die Frage an wie sie vielleicht eine alternative Sichtbarkeit herstellen. Während marginalisierte Gruppen häufig versuchen ihre „negative“ Sichtbarkeit bzw. ihre Unsichtbarkeit mit positiven, selbstbestimmten Bildern zu widerlegen, hat die feministische Performance Theoretikerin Peggy Phelan treffend bemerkt, dass es keinen einfachen Zusammenhang zwischen visueller Repräsentation und politischer Macht gibt: „If representational visibility equals power, then almost-naked young white women should be running Western Culture. The ubiquity of their image, however, has hardly brought them political or economic power.“ (Peggy Phelan: Unmarked. The Politics of Performance. 1993, 10). Damit ist längst deutlich geworden, dass Sichtbarkeit eine ambivalente Kategorie ist, die sich keineswegs geradlinig in gesellschaftliche Einflussnahme übersetzen lässt; gerade deswegen wird es Zeit die unter Umständen positive Bedeutung von Dark Rooms und ihre Möglichkeiten zur Unterwanderung normativer Kategorien in den Blick zu nehmen.
Es geht uns in unserem Workshop folglich nicht darum, alle Nischenräume mit dem grellen Licht der Lesbarkeit auszuleuchten, sondern auch ein Recht auf Unlesbarkeit oder „Opacity“ zu diskutieren, wie es etwas der karibische Theoretiker Édouard Glissant formuliert hat (Èdouard Glissant: Poetics of Relation 2006). Dabei möchten wir insbesondere auch die Grenzen des Konzepts der Sichtbarkeit ausloten – sowohl im ästhetischen Bereich wie auch im Rahmen politischer Diskussionen um Repräsentation und Handlungsmacht (Agency).
Folgende Forschungsfragen könnten im Rahmen des Workshops gestellt werden:
- Welche Normen führen zu einem Verlangen nach Räumen der Unsichtbarkeit? Wie werden Ausschlüsse und Zuschreibungen medial generiert?
- Welche Rolle spielen Bilder in diesem Kontext? Was sind Strategien, die unsichtbare „Vorannahmen“ bedienen – auch in Bezug auf medial codierte Vorstellungen von Geschlecht?
- Welche Akteure haben Einfluss auf die Bilderzeugung und – distribution und welcher gestalterischen Mittel bedienen sie sich?
- Welche Räume bleiben den in der hegemonialen Gesellschaft Unsichtbaren vorbehalten oder welche Räume werden explizit von Ihnen erschlossen?
- Wie verhalten sich Räume der Unsichtbarkeit oder der teilweisen Sichtbarkeit zu normativen Räumen? Findet ein Austausch oder eine Adaption statt? Schaffen Strategien der Unsichtbarkeit den Sprung in die Sichtbarkeit?
- Inwiefern verändert sich „Unsichtbarbleiben“ mit den Technologieentwicklungen (z.B. die Idee der black box oder im digitalen Raum z.B. das Dark Net)?
- Welche Bildstrategien und Plattformen nutzen die Unsichtbaren?
- Welche „Vorteile“ bietet die Unsichtbarkeit, welche Gruppen negieren und verweigern konkret ihre Sichtbarkeit? Warum geschieht dies und mit welchen Konsequenzen?
- Wie steht das Unsichtbare im Verhältnis zur Leerstelle?
- Wie verhält sich Unsichtbarkeit in Hinblick auf die Kategorien Race und Gender?
Wir freuen uns auf Einreichungen aus allen Fachbereichen. Auch künstlerische oder aktivistische Formate (z.B. Filme, Installationen, Manifeste) sind ausdrücklich willkommen, da wir uns einen möglichst vielfältigen Zugang zum Thema erhoffen. Für die Teilnahme am Workshop erbitten wir eine Projektskizze des geplanten Themas (max. 1 Seite) und einen Kurzlebenslauf. Bei Interesse gibt es die Möglichkeit, die Ergebnisse des Workshops in eine Publikation münden zu lassen. Reisekosten können erstattet werden.
Der Workshop wird vom 18. – 20. Juni 2015 in Berlin am Exzellenzcluster Bild Wissen Gestaltung stattfinden. Einsendungen bitte an darkrooms2015gmail.com!
Reference:
CFP: Dark Rooms - Räume der Unsichtbarkeit (Berlin, 18-20 Jun 15). In: ArtHist.net, Feb 17, 2015 (accessed Dec 15, 2025), <https://arthist.net/archive/9504>.