CFP 17.12.2010

Res nullius. Zur Genealogie und Aktualität einer Rechtsfigur

Universität Konstanz (Senatssaal V1001), 23.02.2012–24.02.2010
Eingabeschluss : 28.02.2011

PD Dr. Michael Kempe/Dr. des. Robert Suter

Die vom Exzellenzcluster „Kulturelle Grundlagen von Integration“ veranstaltete Tagung soll sich einer bislang überraschend wenig in historisch-vergleichender Perspektive untersuchten Rechtsfigur widmen: res nullius. Gerade in jüngster Zeit hat sich das geschichts- und kulturwissenschaftliche Interesse an dieser Rechtsfigur intensiviert. Die Tagung möchte die drei Perspektiven, in die die Forschung bisher zerfällt, bündeln und aufeinander beziehen: 1) Die in der Rechtsgeschichte zu findenden Auseinandersetzungen um strittige Rechtsfragen und die daraus gewonnenen Rechtsformeln; 2) die Kulturtechniken und Medien des Rechts wie Kartographie, Navigation, Ackerbau oder Tierfangtechniken, die das Recht erst auf konkrete Felder übertragbar machen und gleichzeitig auf es zurückwirken; 3) die diesen Komplex reflektierenden und teils auch radikalisierenden Philosophien und Theorien etwa bei John Locke, Immanuel Kant oder auch Carl Schmitt.

In völkerrechtliche Zusammenhänge ist dieser Begriff als Differenz zu res communes oder res omnium eingegangen. Es handelt sich dabei um keine stabile Unterscheidung. Historisch fruchtbar ist vielmehr die ständige Verschiebung dieser Differenz geworden, ihre Neuansetzung und wiederholte Aufhebung. So war es, wenn es unter anderem um Landnahmen, Großwildjagden oder Bodenschätze ging, immer möglich, Allgemeingut zu Niemandsgut zu deklarieren, dessen man sich im Anschluß bemächtigen konnte. Und auch umgekehrt ließ sich etwas, das niemandem zu gehören schien, beispielsweise die hohe See, als Gemeingut umdefinieren, um so die Durchsetzung eigener Interessen auf Kosten anderer als Wahrnehmung der Interessen aller zu tarnen. Eine Genealogie von res nullius zu erstellen, heißt daher, die Geschichten und Umstände solcher Uminterpretationen und Übertragungen zusammenzutragen. Aktuelle Übertragungen wie etwa im Fall von Meeresbodenschätzen, Polregionen oder stellaren Ressourcen können hier ebenfalls berücksichtigt werden.

Was hierbei als res erscheint, zeigt sich weniger als „Tatsache“ denn der Herkunft dieses Begriffes aus dem römischen Prozessrecht entsprechend als „Streitsache“. Als res nullius werden indes nicht nur Gegenstände bezeichnet, sondern oft auch Räume. Ob es um Land oder Meer, um Luftraum oder Weltraum geht, ob Handelsgüter, natürliche Ressourcen oder andere Entitäten gemeint sind, immer handeln die res nullius?Geschichten von umstrittenen Objekten oder Räumen, die in der Auseinandersetzung um ihren rechtlichen Status sich überhaupt erst als Objekte bzw. Räume konstituieren. Trotzdem sind sie mehr als reine Konfigurationen von Diskursen. Denn mit ihnen sind auch Praktiken und Techniken verbunden, die es ermöglichen, bestimmte Dinge oder spatiale Zusammenhänge als res nullius zu erkennen, zu markieren, zu handhaben und in Umlauf zu bringen. Es soll auf der Tagung daher um jene Assoziationen von Diskursen, Praktiken und Techniken gehen, welche die Bedingung der Möglichkeit darstellen, dass Niemandsgüter oder Niemandsländer in die Welt gesetzt werden können und dort eine Sichtbarkeit und Nachzeichenbarkeit erlangen.

Die Tagung richtet sich an verschiedene Disziplinen: Kulturwissenschaft, Geschichte Soziologie, Literaturwissenschaft, Ethnologie und Kunstwissenschaft. Die Beitragsvorschläge im Umfang von max. 1 Seite sollten einen erkennbaren Bezug zur Rechtsgeschichte von res nullius aufweisen. Eine Publikation ist geplant.

Rückmeldungen bis zum 28. Februar 2011 an:
michael.kempeuni-konstanz.de
robert.suteruni-konstanz.de

Quellennachweis:
CFP: Res nullius. Zur Genealogie und Aktualität einer Rechtsfigur. In: ArtHist.net, 17.12.2010. Letzter Zugriff 19.04.2024. <https://arthist.net/archive/677>.

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