Münchner Jahrbuch der bildenden Kunst, 3. Folge, Bd. 75, 2024.
Herausgegeben von den Staatlichen Kunstsammlungen und dem Zentralinstitut für Kunstgeschichte in München.
Rainer Kahsnitz (†)
Das Triumphkreuz der St. Lorenzkirche in Nürnberg – Arbor vitae und Vitis fructifera in der Ikonographie gotischer Kruzifixe
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Das Nürnberger Triumphkreuz ist um etwa 1380 von einem Meister geschaffen worden, der mit seinem Stil der ›kubischen Verfestigung‹ noch aus der Tradition der parlerisch geprägten Skulptur der Nürnberger Frauenkirche hervorgegangen ist. Das Kreuz ist als Lebensbaum und durch angesetzte Weintrauben und -blätter als Leben spendender Weinstock gekennzeichnet. Das ungewöhnlich reiche Bildprogramm umfasst die dem ›Physiologus‹ entnommenen Tierfiguren Phönix, zweimal den Pelikan, der seine Jungen mit seinem eigenen Blut nährt, und den Löwenvater, der seinen Jungen am dritten Tag nach der Geburt Atem und Leben verleiht, außerdem die Evangelistensymbole und vier Engel, die das Blut Christi in Kelchen auffangen. Die Gesamtkomposition ist mit der Aufspaltung der Kreuzarme in drei Äste und der Besetzung der Enden mit insgesamt zwölf Vierpässen mit jeweils einer Figur in der Monumentalskulptur offenbar ohne Vorläufer und ohne Parallele und eine besondere Leistung des Nürnberger Künstlers.
Thomas Renkl
Ein Reiterstandbild für Maximilian I.? – Zu Dürers Skizze vom Ritter auf dem geharnischten ›Einhorn‹
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Dürers um 1495 angelegtes Studienblatt mit inhaltlich sehr verschiedenen Einzelskizzen erweist sich als ein für spätere Werke effizient verwerteter Mustervorrat. Einzig zurück im Entwurfsstadium blieb die akribisch begonnene und zunehmend schemenhaft abgeschlossene Zeichnung eines gerüsteten Ritters, der ein Reittier führt, dessen Stirn die eines Einhorns zeigt und dessen Schweif aus dem aufgerissenen Maul einer aufgelegten Drachenfigur quillt. Anhand von Bild- und Schriftdokumenten sowie anhand überlieferter Teile des Rossharnisches aus der Rüstkammer des Hauses Habsburg lässt sich der Reiter zweifelsfrei als Maximilian I. identifizieren. Dies führt zu der Fragestellung, ob hinter Dürers Skizze die Absicht stand, für den deutsch-römischen König ein Reiterstandbild nach dem Vorbild der italienischen Renaissance zu entwerfen und welche technischen Probleme parallel zu den politischen Wendungen dazu führten, eine Realisierung des Entwurfs nicht weiter zu verfolgen.
Erwin Pokorny
Ein Skizzenblatt mit drei Entwürfen für Gilg Sesselschreibers Grabmalstatuen in der Innsbrucker Hofkirche
Mit einem Beitrag von Oliver Hahn, Materialwissenschaftliche Untersuchung des Skizzenblattes
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Ein wenig bekanntes Skizzenblatt für drei von Gilg (Ägidius) Sesselschreiber für das Innsbrucker Grabmal Kaiser Maximilians I. entworfene Königsstatuen (auf der Vorderseite Theopertus und Rudolf I., auf der Rückseite Albrecht I.) gehört vermutlich zu den frühesten bekannten Entwürfen für dieses Projekt, das nicht vollständig und zudem verändert ausgeführt wurde. Es ist wahrscheinlich, dass Gilg Sesselschreiber, der dem Kaiser 1508 in Augsburg seine Grabmalentwürfe präsentierte, auch der Autor dieser Skizzen ist, selbst wenn kein Werk von ihm bislang bekannt wurde. Die Analysen der Schreib- und Zeichentinten lassen jedoch auf unterschiedliche Verarbeitungsstufen oder verschiedene Hände schließen.
Claudia Echinger-Maurach
Zu Gestalt, Funktion und Kontext von Daniele da Volterras ›Dido‹ im Bayerischen Nationalmuseum
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Die Studie verortet die Bronzestatuette der ›Dido‹ des Bayerischen Nationalmuseums im weitgespannten Feld der intensiven Zusammenarbeit des Daniele da Volterra und Michelangelos für das verschollene Gemälde ›Merkur befiehlt Aeneas, Dido zu verlassen‹, das Daniele unter dem kunstverständigen Patronat des Giovanni della Casa 1556 gefertigt hat und das zur Versendung an den französischen Hof bestimmt war. Die Duplizität der Ikonographie der karthagischen Königin kommt genauso zur Sprache wie der komplexe Entstehungsprozess des Gemäldes. Die ›Dido‹ des Museums stellt mit hoher Wahrscheinlichkeit das überarbeitete plastische Modell für die schlafende Königin im Gemälde dar, geschaffen als innovatives Einzelstück für Sammler von Kleinbronzen, die daran das Zusammenwirken Danieles mit Michelangelo besonders geschätzt haben werden.
Berichte der Staatlichen Kunstsammlungen – Neuerwerbungen
151
Bayerisches Nationalmuseum
153
Staatliche Münzsammlung München
167
Reference:
TOC: Münchner Jahrbuch der bildenden Kunst, 3. Folge, Bd. 75, 2024. In: ArtHist.net, Dec 15, 2025 (accessed Dec 17, 2025), <https://arthist.net/archive/51341>.