SPP-Abschlusstagung “Digitale Bilder und der Authoritarian Turn. Visualisierung, Manipulation, Kontrolle”.
Die globale politische Ordnung befindet sich in einem raschen und tiefgreifenden Wandel. Langjährige Annahmen über einen liberalen, demokratischen Konsens erodieren. In vielen Teilen der Welt – einschließlich des Westens – werden etablierte Formen der demokratischen Meinungsbildung diskreditiert und durch neue Formen des Autoritarismus ersetzt. Diese Veränderungen politischer und institutioneller Natur betreffen auch den Bereich der Medien und der Visualität. Digitale Bilder, so scheint es, spielen bei dieser „autoritären Wende“ eine entscheidende Rolle. Galten fotografische Bilder generell als manipulierbar aber zugleich realitätsnah, so werden Bilder heute digital aufbereitet, beliebig verändert, zunehmend auch synthetisch und algorithmisch erzeugt, vor allem aber über undurchsichtige, von kommerziellen Unternehmen kontrollierte Infrastrukturen mit enormen Reichweiten verbreitet. Das Potenzial von Bildern, in besonderer Weise Botschaften auch emotional zu übermitteln und aufzuladen, eine breite Öffentlichkeit zu manipulieren und so zur Etablierung autoritärer Strukturen oder zur Konsolidierung von Macht beizutragen hat mit dem Aufkommen von Social-Media-Plattformen, die zunehmend und systematisch für politische Zwecke genutzt werden, dramatisch zugenommen.
Im Rahmen der Abschlusstagung des Schwerpunktprogramms (SPP) „Das digitale Bild“, die vom 12. bis 14. November 2025 in Marburg stattfinden wird, soll dieser Anteil des digitalen Bildes, der digitalen Bildmedien in ihrer politischen Funktion thematisiert werden. Zu untersuchen ist, inwiefern digitale Bilder in die Entstehung und Konsolidierung autoritärer Regime verwickelt sind, wie sie in den Plattformökonomien der Gegenwart funktionieren und ob sie noch immer ein emanzipatorisches Potenzial bergen.
Gegenstand der Tagung ist die politische Dimension des digitalen Bildes unter den aktuellen Bedingungen dessen, was heute bereits verschiedentlich als „autoritäre Wende“ bezeichnet wird. Politische Aspekte, die mit den Technologien des digitalen Bildes verknüpft sind, wurden im Laufe des SPP bereits verschiedentlich diskutiert. Die Situation hat sich indessen seit dem Start des Schwerpunktprogramms im Dezember 2019 noch vor der Corona-Pandemie deutlich verändert.
Die übergreifende Thematik sollte ursprünglich besonders im Blick auf das Fach Kunstgeschichte und andere geisteswissenschaftlich orientierte Disziplinen, die mit Bildern befasst sind, erkundet werden, um den methodischen und technologischen Herausforderungen des digitalen Zeitalters gerecht zu werden. Der Fokus richtete sich auf das Bild und den Umgang damit vor allem auch aus technischer Perspektive. Diese Situation hat sich in den vergangenen sechs Jahren dramatisch verändert, insofern geisteswissenschaftlicher Arbeit heute unter völlig neuen Vorzeichen betrachtet werden muss und sich ganz anderen Ansprüchen und Herausforderungen stellen muss.
Auf technologischer Ebene sind hier die gewaltigen Entwicklungssprünge im Bereich der KI anzusprechen. Auf der ökonomischen Ebene sind die anhaltenden Monopolisierungsbestrebungen der Big-Tech-Konzerne zu konstatieren, deren Auswirkungen auf die Wissenschaft noch kaum abschätzbar sind. In eigentümlicher Weise verbinden sich diese Konzentrationsprozesse mit dem bedenklichen Erfolg rechter bis rechtsextremer Populismusbewegungen in den USA, aber auch in vielen Ländern Europas.
Während der Laufzeit des SPP ist demnach nicht nur ein rasanter Wandel der digitalen Technologien zu beobachten – eine Entwicklung, die in dieser Dynamik nicht vorhersehbar war – sondern zugleich ein signifikanter Wandel der politischen Situation. Überwog zu Beginn des Projekts auf breiter Front die Begeisterung hinsichtlich der produktiven und erkenntnisfördernden Aspekte jener Technologien, die mit dem digitalen Bild zusammenhängen, so müssen inzwischen auch die negativen Auswirkungen angesprochen und überdacht werden.
Das Entwicklungspotenzial der digitalen Technologien für die im SPP beteiligten Fachkulturen ist noch längst nicht ausgereizt; diesen Weg gilt es zweifellos weiter zu verfolgen. Doch wir meinen, dass es inzwischen durch die gegebenen politischen Umstände und am Ende der Laufzeit des SPP geboten ist, die Diskussion auszuweiten und die Einordnung der digitalen Technologie für die im SPP vertretenen Fächer in den größeren politischen Rahmen einzuordnen. Der Ausblick auf die Konsequenzen der digitalen Technologien für die Gesellschaft bietet die Möglichkeit sowohl auf die sechs Jahre des Schwerpunktprogramms zurückzublicken wie auch die Herausforderungen der Zukunft in den Blick zu nehmen.
Anmeldung zur Online-Teilnahme über das Formular auf der Website: https://www.digitalesbild.gwi.uni-muenchen.de/spp-abschlusstagungdigitale-bilder-und-der-authoritarian-turn-visualization-manipulation-control-12-14-11-2025/
Weitere Informationen:
Prof. Dr. Hubertus Kohle, Institut für Kunstgeschichte, Ludwig-Maximilians-Universität München, Tel.: 089 21805314, E-Mail: hubertus.kohlelmu.de
Prof. Dr. Hubert Locher, Deutsches Dokumentationszentrum für Kunstgeschichte – Bildarchiv Foto Marburg, Philipps-Universität Marburg, Tel.: 06421 28-24324, E-Mail: locherstaff.uni-marburg.de
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Programm
MITTWOCH, 12.11.2025
ab 12:30 Uhr:
Ankunft und Registrierung
13:00-13:30 Uhr:
Begrüßung und Einführung durch die Sprecher
13:30-14:30 Uhr: I. Angewandte Technik: Anwendung, Ästhetik und Erkenntnisprozess
14:30-15:30 Uhr: II. Transformationen: geschichtliche Kontexte und Entwicklungsprozesse
15:30-16:00 Uhr: Kaffeepause
16:00-17:00 Uhr: III. Digitalisierungsaufgaben und Digitalität: Zwischen Ethik und Ästhetik
17:00-18:00 Uhr: IV. Das digitale Bild: Soziale Medien und kuratorische Praxis
18:00-19:00 Uhr: Keynote:
Image of the Artificial People? Towards a Social History of Art after AI & Platform Capitalism
Boris Čučković Berger, Ludwig-Maximilians-Universität München
DONNERSTAG, 13.11.2025
09:00-10:00 Uhr: Gespräch I
Julian Stallabrass, retired professor at the Courtauld Institute in London
Sara Benninga, Tel Aviv University
10:00-11:00 Uhr: Gespräch II
Elisa Linseisen, Hochschule für bildende Künste Hamburg
Chris Tedjasukmana, Johannes Gutenberg-Universität Mainz
11:00-11:30 Uhr: Kaffeepause
11:30-12:30 Uhr: Gespräch III
Ralph Ewerth, Philipps-Universität Marburg
Nicolas Ruth, Universität Leipzig
12:30-14:30 Uhr: Mittagspause (Selbstversorgung)
14:30-16:30 Uhr: Round Table
Roland Meyer, Universität Zürich
Hagener, Philipps-Universität Marburg
Susanne Holschbach, selbstständig
Lea Watzinger, Universität Passau
Petra Löffler, Universität Oldenburg
Herbert Molderings, Ruhr-Universität Bochum
16:30-18:00 Uhr Apéro
18:00-19:00 Uhr: Keynote Commanding Vision: Theses and Counter-theses on Visual Power and the Authoritarian Turn
Paul Frosh, The Hebrew University of Jerusalem
FREITAG, 14.11.2025
09:00-10.30 Uhr: Workshop
10:30-11:00 Uhr: Kaffeepause
11:00-12:30 Uhr: Standortbestimmung
Ergebnispräsentation des Workshops mit Diskussion
Rückblickende Kommentare der beiden Sprecher des Schwerpunktprogramms (Hubert Locher und Hubertus Kohle
Anschließende Abschlussdiskussion
Quellennachweis:
CONF: Digitale Bilder und der Authoritarian Turn (Marburg, 12-14 Nov 25). In: ArtHist.net, 12.10.2025. Letzter Zugriff 14.10.2025. <https://arthist.net/archive/50865>.