Table Talks zur Künstlerischen Forschung
Veranstalter: Prof. Dr. Katja Rothe, Dr. Rosemarie Brucher, Labor Theaterforschung, UdK Berlin
Was ist künstlerische Forschung? Kann Forschung künstlerisch sein, Kunst Forschung? Wie emotional, kreativ und imaginativ darf/kann/soll Forschung sein, wie erkenntnisorientiert, theoriegeleitet und rational Kunst? Ist die Künstlerische Forschung gar Ausdruck eines neuen Imperativs des Kreativen?
Bisher hat die Diskussion über künstlerische Forschung in ihrer Breite eine große Unübersichtlichkeit zur Folge gehabt. Das Diskursfeld ist so auch für Experten und Expertinnen schwer zu überschauen und (hochschul-)politisch aufgeladen. Das Symposium möchte entgegen den bisherigen Debatten noch einmal grundsätzlich die Frage nach den Möglichkeiten der Künstlerischen Forschung stellen und eine Bestandsaufnahme im Diskursfeld vornehmen. Dabei sollen sowohl die zunehmende Bedeutung wissenschaftlicher Praktiken in den Künsten als auch der wachsende Einbezug ,subjektiver‘ Perspektiven in die Wissenschaften diskutiert werden.
Da das Symposium insbesondere am Dialogischen interessiert ist und daher in erster Linie gemeinsame Diskussionen Möglichkeiten und Grenzen der künstlerischen Forschung aus einem eigenen Erfahrungs- und Wissenshorizont heraus ausloten sollen, wurde ein besonderes Format gewählt: das Tischgespräch. In 5 Tischgesprächen laden jeweils 2 Experten und Expertinnen zum Gespräch zu folgenden Themen ein:
1. Wie kann Forschung künstlerisch sein? (Brigitte Marschall /Kathrin Busch)
2. Theaterpraxis zwischen Kunst, Theorie und Politik (Barbara Gronau / Heike Roms)
3. Wie emotional darf Forschung sein? (Doris Kolesch / Julian Klein)
4. Ein-Bildung in Kunst und Forschung (Karin Harrasser / Kai van Eikels)
5. Archive des Wissens in den Künsten (Daniel Tyradellis / Katja Rothe)
Zu den Themen:
1. Wie kann Forschung künstlerisch sein? (Brigitte Marschall, Universität Wien /Kathrin Busch, UdK Berlin)
Was sind die Voraussetzungen, Techniken, Methoden, Denkmodelle, Figuren, die aus einer Forschung Kunst machen? Wie wird die gezielte, systematische Suche nach Erkenntnissen zum ästhetischen Erleben, wie künstlerische Intervention zur wissenschaftlichen Innovation? Möglicherweise könnte Kunst auch selbst als Erkenntnis generierende Technik beschrieben werden, was würde das aber über die gegenwärtigen Formen des Forschens aussagen?
Brigitte Marschall als Theaterwissenschaftlerin der Universität Wien, die ihre Forschungen selbst zum Gegenstand künstlerischer Reflexion macht, und Kathrin Busch als Philosophin, die die Künstlerin / den Künstler als Forscher bzw. Forscherin zu fassen sucht, werden sich der Frage stellen, ob Forschung überhaupt künstlerisch sein kann.
2. Theaterpraxis zwischen Kunst, Theorie und Politik (Heike Roms, University of Aberystwyth, GB / Barbara Gronau, UdK Berlin)
Wenn künstlerisches Forschen auf die performativen Künste bezogen wird, erscheint Wissen in seiner Aufführung als Ereignis, als Erfahrung. Damit wird es zu einem öffentlichen Akt mit positiv wie negativ besetzten politischen Dimensionen. Künstlerische Forschung ist hochschulpolitisch aber auch zum Synonym für die öffentliche Wirksamkeit der Forschung geworden und damit zum Kriterium für die Vergabe von Fördermitteln. Gleichzeitig hat sich das gegenwärtige Theater und die Performance Kunst der Theorie zugewandt, rezipiert wissenschaftlich avancierte Konzepte und leistet selbst Beiträge zur Theoriebildung.
Barbara Gronau, Professorin für Theaterwissenschaft an der UdK, betont die Notwendigkeit, Praxis und Theorie in der Wissenschaft eng zu verzahnen, weiß aber auch um die Problematiken, die damit im Zuge der Bologna-Reform verbunden sind. Heike Roms, Professorin für Performance Studies an der University of Aberystwyth, interessiert sich dafür, ob performative Kunstpraxis als wissenschaftliche Methode und Veröffentlichungsform auch von Nicht-KünstlerInnen eingesetzt werden kann, und stellt sich darüber hinaus der Frage, ob ein solcher Einsatz unser herkömmliches Universitätsmodell produktiv herausfordert oder vielmehr seiner fortschreitenden Entleerung zuarbeitet.
3. Wie emotional darf Forschung sein? (Doris Kolesch, FU Berlin / Julian Klein, Institut für künstlerische Forschung)
Kunst ist – sowohl von Produktions- wie von Rezeptionsseite – immer auch ein hoch emotionaler Akt. Aber auch Forschung aktiviert nicht nur Gefühle, sondern wird gleichermaßen von Gefühlen bestimmt. Künstlerische wie wissenschaftliche Forschungspraktiken sind leidenschaftliche Prozesse des Ringens um (Nicht-)Wissen. Dass Forschung auch affektiv und unbewusst sein kann und dass das produktiv und problematisch (immerhin gilt Forschung traditionellerweise als ein rationaler und objektiver Prozess, d.h. als „neutrale“ Suche nach Erkenntnis) zugleich ist, erörtern Doris Kolesch, Professorin für Theaterwissenschaft an der Freien Universität Berlin, und Julian Klein, Regisseur, Komponist und Direktor des Instituts für künstlerische Forschung am Radialsystem V Berlin.
4. Ein-Bildung in Kunst und Forschung (Karin Harrasser, Kunstuniversität Linz / Kai van Eikels, FU Berlin)
Nach Kant ist die Einbildungskraft wesentlich, wenn es darum geht, "eine neue Reihe aufzumachen." Während sich ein Erkenntnisurteil auf bereits Bekanntes beziehen muss und von daher konservativ oder reformistisch ist, wäre die Imagination ein Instrument im Unbekannten zu navigieren. Mit dieser Nähe zum Unscharfen, zum Nicht-Wissen oder auch zu dem, was Rheinberger "epistemisches Ding" genannt hat, ist die Einbildungskraft mit utopischem Potential aufgeladen. In der aktuellen Diskussion wird dieses "ästhetische Moment" nur zu gerne auf Semantiken des "Kreativen" verschoben. Werden damit die Künste aber nicht neutralisiert, an-ästhetisiert?
In Formen kollektiven Agierens zeigt sich zudem, dass die Einbildungskraft selbst zum Problem werden kann: Ein wesentlicher Teil unserer Aufmerksamkeit und Energie beim Zusammenhandeln wird dafür verwendet, unsere Imaginationen abzugleichen, um uns auf eine Vorstellung von dem 'Ganzen' zu einigen, dessen Teil jede/r von uns ist. In den akademischen Wissenschaften sorgt eine starke Institutionalisierung der Forschungsverfahren dafür, dass die "imagined communities" relativ stabil und kontrolliert sind, während die Künste mitunter mit offenen Kollektivformen experimentieren.
Karin Harrasser, Professorin für Kulturwissenschaft an der Kunstuniversität Linz, und Kai van Eikels, Philosoph und Theaterwissenschaftler an der FU Berlin, stellen sich der Einbildung als Möglichkeitssinn in der Künstlerischen Forschung. Karin Harrasser interessiert sich für eine begriffliche, politische und pragmatische Schärfung des Begriffs der Einbildungskraft. Kai van Eikels fragt nach dem Zusammenhang von Imaginärem und Kollektivität in Forschungsprozessen.
5. Archive des Wissens in den Künsten (Daniel Tyradellis, freier Kurator / Katja Rothe, UdK Berlin)
Was als Wissen gilt, wird von Institutionen und Diskursregimen definiert und in Archiven dokumentiert. Auch Kunst erfährt eine Archivierung und hierin wird sie nicht nur einer Kulturgeschichte eingeschrieben, sondern ihr ,Wert‘ auch monetär veranschlagt. Gleichzeitig leisten Kunst-Dinge Widerstand. Sie stören, unterlaufen und verunsichern mit ihrem Eigensinn die Ordnungen der Archive.
Eine Form der Archivierung des Wissens in den Künsten ist das Ausstellen, das seinerseits ein Denken erzeugt. Im Kuratieren werden die (Kunst-)Objekte zu epistemischen Dingen, die in einer Experimentalanordnung angeordnet, in Beziehung gesetzt und inszeniert werden. Künstlerische Forschung als Verfahren und Effekt des Kuratorischen erzeugt ein „künstlerisches Gegenwissen“ (Ploebst). Das ‚kuratorische Forschen‘ als gemeinschaftlicher Prozess der Wissensgenerierung kann aber ebenso als Teil einer gesellschaftlichen Ästhetisierung verstanden werden, in welcher der/die Kurator/Kuratorin zur Symbolfigur eines Kreativitätsdispositivs wird.
Daniel Tyradellis, freier Kurator aus Berlin, und Katja Rothe, Professorin für Theaterwissenschaft an der UdK, diskutieren über das künstlerische Forschen in den Archiven der Künste. Daniel Tyradellis stellt dabei seine Arbeit vor, in der er immer wieder die Widerständigkeit der (Kunst-)Objekte sucht. Katja Rothe interessiert das Kuratorische als Szenographie des Wissens und die Frage, inwieweit sich im Kuratorischen eine gesellschaftliche Orientierung am Kreativen zeigt, die archetypisch für einen „ästhetischen Kapitalismus“ (Reckwitz) ist.
Anmeldungen zur aktiven Teilnahme an den Tischgesprächen über die Webseite www.kunstundforschung.de oder direkt über kunstundforschunggmx.de wird erbeten.
Informationen zu den Experten und Expertinnen und deren Fragestellungen sowie zum Ablauf der Tagung finden sich ebenfalls unter www.kunstundforschung.de.
Zeit: 19.04.2013, 18:00-21:00, danach Empfang
Ort: Loft in der Urania, An der Urania 17, Berlin
Veranstalter: Prof. Dr. Katja Rothe, Dr. Rosemarie Brucher, Labor Theaterforschung, UdK Berlin
Websites: www.kunstundforschung.de, www.udk-berlin.de/theaterforschung
Anmeldung: kunstundforschunggmx.de
Quellennachweis:
CONF: Table Talks Künstlerische Forschung (Berlin, 19 Apr 2013). In: ArtHist.net, 29.03.2013. Letzter Zugriff 07.06.2025. <https://arthist.net/archive/4962>.