Werkstattgespräch im Rahmen der Grethe Jürgens-Retrospektive im Sprengel Museum Hannover in Zusammenarbeit mit dem Stadtarchiv Hannover.
Das Werkstattgespräch setzt sich zum Ziel, an lokalen Beispielen und mit Verweis auf allgemeine Entwicklungen im Deutschen Reich das Kunstschaffen und die Kulturpolitik Hannovers während des Nationalsozialismus zu beleuchten. Die Verfolgungsmaßnahmen des Regimes und die Schicksale vor allem jüdischer Künstler:innen und Sammler:innen sowie politischer Gegner:innen stehen dabei nicht explizit im Fokus. Sie bedürfen einer besonderen Betrachtung und sind für Hannover vergleichsweise gut erforscht. Weniger Aufmerksamkeit haben dagegen Akteur:innen erfahren, die unter den radikal veränderten politischen Umständen weiterwirkten. Ihr zwischen Widersprüchen, Grauzonen und Ambivalenzen anzusiedelndes Agieren steht demzufolge im Fokus der Impulsvorträge, die Einblicke in Forschungsprojekte und -stände geben und eher Fragen aufwerfen als Antworten präsentieren sollen.
Ebenso wird es um eine Differenzierung in die beiden Hauptphasen gehen, welche die Kultur- und Kunstproduktion, -rezeption und -politik in den zwölf Jahren nationalsozialistischer Herrschaft kennzeichneten. Die erste Phase war aufgrund der außerordentlich personenabhängigen Struktur des polykratischen Systems jener Jahre durch ein hohes Maß an Dynamik und Spannung, aber auch an Paradoxien gekennzeichnet. Der Kunstbereich kann, mit Jonathan Petropoulos, geradezu als „eine Art Mikrokosmos des NS-Systems“ verstanden werden. Dies lässt sich auch in Hannover beobachten.
In dieser Zeit schienen sich auch auf lokaler Ebene angesichts divergierender Ansprüche verschiedenster Akteure, Gremien und Institutionen Übergangslösungen und Spielräume zu bieten – für Künstler:innen und Sammler:innen, Galeristen und Museumsleiter. Einige von ihnen entwickelten, wenn sie denn in Deutschland blieben und sich nicht zurückzogen, anfänglich für sich akzeptable und tragfähige Formen der Kooperation mit dem Regime, sei es aus (kultur-)politischer Überzeugung oder Opportunismus, Byzantinismus, Selbstüberschätzung oder Naivität.
Freilich hatte das komplexe System von Mitwirkung und Distanz, Unterwerfung und (partieller) Verweigerung, Karrieresprung und gesellschaftlichem Aufstieg oder Karriereende, Vertreibung und Flucht auch noch Bestand, nachdem sich auch in Hannover die kulturpolitischen Nebel gelichtet hatten und alle zentralen Ämter und Einrichtungen als „gleichgeschaltet“ galten. Die NS-Propagandaausstellung „Entartete Kunst“ bzw. die Große Deutsche Kunstausstellung eröffneten ab 1937 auf Reichsebene die zweite Phase der nationalsozialistischen Kunstpolitik. Es wird die Aufgabe einzelner Beiträge sein auszuloten, wo und in welchem Maße sich vor dem Hintergrund jener kunstpolitischen Paradigmen auch in Hannover noch Raum für Widersprüche, Ambivalenzen und Grauzonen ergab.
PROGRAMM
Dienstag, 03.06.25
18:00 Keynote: Kunst in der Beteiligungsdiktatur? Felder, Fragen und Forschungsperspektiven
Christian Fuhrmeister, München
Anschließend Diskussion
Mittwoch, 04.06.25
10:00 Begrüßung
Reinhard Spieler, Direktor Sprengel Museum Hannover
I. Widersprüche – künstlerische Positionen
10:15 Grethe Jürgens – „Rechnungen“. Einnahmequellen einer Künstlerin 1936 bis 1947
Karin Orchard, Hannover
10:45 Anschlussfähig? Die neuromantischen Bilder von Ernst Thoms und die Ausstellungspolitiken der NS-Zeit
Paula Schwerdtfeger, Hannover
11:15 „Und zuletzt der Schmuck.“ Die Skulpturen am Nordufer des Maschsees
Thomas Pavel, Berlin
11:45 Zwischen Anbiederung und Auflehnung. Zur unverfänglichen Motivwelt in den Bauplastiken Ludwig Vierthalers
Peter Struck, Hannover
12:15Mittagspause
II. Ambivalenzen – Personen und Institutionen
13:15 Auf und zwischen manchen Stühlen. Alexander Dorner und die Provinzialverwaltung
Ines Katenhusen, Hannover
13:45 „Künstlerisch […] recht unzulänglich.“ Ferdinand Stuttmanns ambivalente Haltung zur „modernen“ Kunst 1937ff.
Claudia Andratschke, Hannover
14:15 Stadtkämmerer, Museumsdezernent und Stellvertretender Vorsitzender des Kunstvereins: Wilhelm Weber, eine Schlüsselfigur im Hintergrund
Cornelia Regin, Hannover
14:45 Kaffeepause
III. Grauzonen
15:15 „das Beste an heutiger Kunst dem Volke zugängig zu machen“. Der Kunstverein Hannover in den Anfangsjahren der NS-Herrschaft (1933-1937)
Valeska Koal, Hannover
15:45 Zeigen. Verstecken. Zerstören. Bahlsens private Kunstpolitik im Dritten Reich
Karin Hartewig, Bovenden
16:15 Eine „gesinnungslose Welt“? Kunsthändler in Hannover als Akteure im NS-Staat
Johannes Schwartz, Hannover
17:00 Zusammenfassung und Abschlussdiskussion
Moderation: Christian Fuhrmeister, München
Eintritt frei
Anmeldung bis 26.05.25 erbeten unter
Sprengel-MuseumHannover-Stadt.de
oder Tel. 0511-16844685
Ort: Sprengel Museum Hannover, Kurt-Schwitters-Platz, 30169 Hannover
Quellennachweis:
CONF: Kunst in Hannover im Nationalsozialismus (Hannover, 3-4 Jun 25). In: ArtHist.net, 01.05.2025. Letzter Zugriff 04.05.2025. <https://arthist.net/archive/49158>.