CONF Feb 10, 2025

Das Artefakt im Fokus (Göttingen, 22-24 May 25)

Göttingen, May 22–24, 2025
Registration deadline: May 1, 2025

Anne Greule

Die interdisziplinäre Tagung »Das Artefakt im Fokus – Mediävistische Wissensgeschichte in der interdisziplinären Praxis« fragt nach der Operationalisierbarkeit wissensgeschichtlicher Theoreme, mit denen aus dem Mittelalter überlieferte kulturelle Artefakte multiperspektivisch und entsprechend der Wissenskulturen erforschbar sind, in denen sie entstanden.

Das Artefakt im Fokus – Mediävistische Wissensgeschichte in der interdisziplinären Praxis
Mit ungebrochener Aktualität fragen Wissensgeschichten danach, wie soziale Gruppen Wissen hervorbringen, es als solches kennzeichnen und verändern. Sie brechen mit einseitigen Fortschritts- und Rationalisierungsnarrativen, nehmen subalterne Akteur:innen der Geschichte in den Blick, zeigen sich mit der Frage nach der Zirkulation von Wissen in hohem Maße anschlussfähig für aktuelle Fragen der kulturellen Verflechtung und konzentrieren damit wesentliche Anliegen der historisch arbeitenden Geisteswissenschaften. Die interdisziplinäre Tagung »Das Artefakt im Fokus – Mediävistische Wissensgeschichte in der interdisziplinären Praxis« fragt nach der Operationalisierbarkeit wissensgeschichtlicher Theoreme, mit denen aus dem Mittelalter überlieferte kulturelle Artefakte multiperspektivisch und entsprechend der Wissenskulturen erforschbar sind, in denen sie entstanden.

Die Wissensgeschichte hat der Neueren Kulturgeschichte wichtige Impulse gegeben und sich auch für die Erforschung der auf uns gekommenen Artefakte aus den mittelalterlichen Jahrhunderten als fruchtbar erwiesen. Ziel der Tagung ist es, neue Vorschläge zur Operationalisierung ihrer Theoreme zu erarbeiten, indem sie die kulturelle Überlieferung des Mittelalters in den Mittelpunkt einer disziplinenübergreifenden wissensgeschichtlichen Analyse stellt. Im historischen Objekt manifestieren sich zeitspezifische Wissenskonzepte und ihre Praktiken, wodurch sich die mit der Wissensgeschichte verbundenen Fragen wie unter einem Brennglas bündeln lassen. In der Zusammenschau von beispielsweise Portulankarten, Sakralbauten oder Steuererhebungsbüchern spiegelt sich die Pluralität der Wissenskulturen, die die Jahrhunderte von ca. 500 bis ca. 1500 prägten. Es erfordert ein auf diese Wissenskulturen zugeschnittenes Methodenrepertoire, um die Entstehungs-, Wirkungs- und Funktionsbedingungen von Wissen in diesen Jahrhunderten sowie die Reichweiten dieses Wissens zu entschlüsseln. Für dieses Vorhaben bedarf es einer der Mediävistik eigenen Interdisziplinarität, um den Widersprüchlichkeiten dieser Zeitspanne gerecht zu werden, in der eine uns heute fremde, hochkomplexe Schriftkultur den größtenteils illiteraten gesellschaftlichen Gruppen gegenübergestanden zu haben scheint. Entgegen älterer Forschungsnarrative waren die illiteraten Gruppen oder Individuen dieser Gesellschaften keineswegs passive Empfänger von Wissen, das herrschende Eliten entsprechend eines top-down Modells vorgaben. Vielmehr hatten literate wie illiterate Zeitgenoss:innen für ihre Überzeugungen einzustehen, womit sie ihr Wissen nicht nur produzierten, sondern dieses Wissen auch in nicht schriftlicher Form an ihr Gegenüber zu vermitteln suchten. Entsprechend ihrer Wissenssysteme gestalteten sie auf unterschiedlichste Art und Weise soziale Realitäten mit.

Die Tagung bringt erstmals in diesem Umfang Fachvertreter:innen für unterschiedlichste mediävistische Artefakte zusammen, so dass nicht nur die weite Chronologie beleuchtet sein wird, sondern auch ein breites Panorama unterschiedlicher Wissensträger ins Blickfeld gerät, um gemeinsam ein auf die Mediävistik zugeschnittenes wissensgeschichtliches Methodenrepertoire zu erarbeiten. Folgende Fragen leiten die Diskussion, die auf das Erkenntnisinteresse der Tagung, wie eine wissensgeschichtliche Fragestellung für bestimmte kulturelle Artefakte des Mittelalters entwickelt und forschungspraktisch umgesetzt werden kann, ausgerichtet ist:

1. Manifestieren sich in den jeweiligen kulturellen Artefakten bestimmte Formen des Wissens bzw. ist es im spezifischen Fall überhaupt sinnvoll, solche Formen zu unterscheiden?
2. Welche Praktiken des Wissens lassen sich an den jeweiligen kulturellen Artefakten beobachten? Wie wird die Analyse dabei von der eigenen disziplinären Prägung beeinflusst?
3. Inwiefern lässt sich die jeweilige Untersuchung als Baustein einer spezifisch mediävistischen Wissensgeschichte begreifen – oder eben gerade nicht?

Wir laden Vertreter:innen aller mediävistischen Disziplinen ein, diese Fragen und Gedanken zu einer interdisziplinären mediävistischen Wissensgeschichte mit uns zu diskutieren.

Die Konferenz ist für alle Interessierten offen! Melden Sie sich gerne bei uns bis spätestens zum 1.5.2025 an. Bitte geben Sie bei Ihrer Anmeldung auch an, ob Sie an einer Führung durch das 'Forum Wissen' im Anschluss an das Vortragsprogramm interessiert sind (Samstag, 25. Mai 2025, ca. 15–17 Uhr).

Ihre Anmeldungen nimmt Cedric Rust entgegen: cedric.rustuni-goettingen.de

Programm
Donnerstag, 22. Mai 2025

13.00–13.20 Begrüßung und Einführung
Prof. Dr. Anne Greule (Göttingen) und
Maria-Elena Kammerlander M.A. (Freiburg)

13.20–13.30 Grußwort
Prof. Dr. Frank Rexroth (Göttingen)

Moderation: Dr. Claudia Wittig (Halle)

13.30–14.30 »Dokumentenkonstellation« und
mediävistische Wissensgeschichte. Ein Konzept der Konstellationsforschung auf dem Prüfstand
Jonas Narchi, M.A., M.A. (Genf, Philosophie)

14.30–15.30 Artefacts as Sources of Knowledge –
Lucas of Tuy (d. 1249) and the Truthful Image
Dr. Stefanie Lenk (Göttingen, Kunstgeschichte)

15.30–16.00 Kaffeepause

16.00–17.15 Artefakte für die Vermittlung von Wissen
über Demut in transkultureller Perspektive
Prof. Dr. Silvia Negri (Zürich, Geschichte) und
Dr. James Weaver (Zürich, Islamwissenschaft)

17.15–18.15 »Nicht Wort für Wort übersetzt, sondern in
schöne Worte gefasst«: Arabisch-persisch-türkische Übersetzungsvorgänge als Teil des innerislamischen
Wissenstransfers im Handschriftenzeitalter
Prof. Dr. Philip Bockholt (Münster, Islamwissenschaft)

Freitag, 23. Mai 2025

Moderation: Prof. Dr. Birgit Studt (Freiburg)

09.30–10.30 Die Stadt im Steuerbuch – Städtisches Schriftgut
als Artefakt administrativer Wissensproduktion
Hanna Nüllen, M.A. (Berlin, Geschichte)

10.30–11.30 Rechnungsbücher als kognitive Artefakte.
Für eine Wissensgeschichte der Buchführung
PD Dr. Heinrich Lang (Erfurt/Leipzig, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte)

11.30–12.00 Kaffeepause

12.00–13.00 Die Synodalreden Jakob Wimpfelings (1450–1528) zwischen Scholastik, Humanismus und Überlieferungszufall
Moritz Vogelbacher, Mag. theol. (Freiburg, Kirchengeschichte)

13.00–14.00 Mittagsimbiss

Moderation: Prof. Dr. Sita Steckel (Frankfurt)

14.00–15.00 Von der Küste ins Buch. Gestrandete Wale und
ihr Einfluss auf naturhistorische Kompendien (13.–16. Jh.)
Dr. Marie Jaros (Berlin, Geschichte)

15.00–16.10 Das Schwert – Schnittpunkt von
Wissen und Praxis
Dr. Eric Burkart (Trier, Geschichte) und
Dr. Sixt Wetzler (Solingen, Skandinavistik)

16.10–16.30 Kaffeepause

16.30–17.40 Das Wissen der Welt verbildlicht:
Praxeologische Zugänge zur mittelalterlichen Kartographie
Beatrice Blümer, M.A. (Kassel, Kunstgeschichte) und
Dr. Gion Wallmeyer (Bielefeld, Geschichte)

Moderation: Prof. Dr. Anne Greule (Göttingen)

18.15–20.00 Spurensuche im Kloster.
Die Jagd in den Lüneburger Frauenklöstern (15./16. Jahrhundert)

Öffentlicher Abendvortrag von

Prof. Dr. Simone Schultz-Balluff (Halle, Germanistik)
Ort: Tagungs- und Veranstaltungshaus
Alte Mensa, Hannah-Vogt-Saal
Wilhelmsplatz 3, 37073 Göttingen

Samstag, 24. Mai 2025

Moderation: Maria-Elena Kammerlander, M.A. (Freiburg)

09.30–10.40 Das Antoniusfeuer und der frühe Einblattholzschnitt in der Krankenfürsorge der Antoniter
Prof. Dr. Mirko Breitenstein (Dresden, Geschichte) und
Dr. Vera Henkelmann (Dresden, Kunstgeschichte)

10.40–11.50 Der Prophet Ioel, Maria und die Benediktiner – Wissenstransfer und Visualisierungsstrategien auf dem Flabellum von Tournus (saec. IX)
Johannes Büge, M.A. (Heidelberg, Lateinische Philologie) und Franziska Wenig, M.A. (Heidelberg, Kunstgeschichte)

11.50–12.15 Kaffeepause

12.15–13.15 Zusammenfassung und Ausblick
Dr. Marcel Bubert (Münster, Geschichte)

16.00–18.00 Führung durch das Göttinger
Forum Wissen als optionaler Ausklang

Lassen Sie uns bei Ihrer Tagungsanmeldung gerne wissen,
ob Sie an der Führung teilnehmen möchten.

https://mittelalter2.geschichte.uni-freiburg.de/img/flyer-tagung-artefakt-im-fokus

Kontakt
Cedric Rust, cedric.rustuni-goettingen.de

https://www.uni-goettingen.de/de/veranstaltungen/693837.html

Reference:
CONF: Das Artefakt im Fokus (Göttingen, 22-24 May 25). In: ArtHist.net, Feb 10, 2025 (accessed Mar 22, 2025), <https://arthist.net/archive/43889>.

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