CFP Feb 3, 2025

Lebenswelten schaffen: Künste im Gebrauch (Berlin, 6-8 Nov 25)

Berlin, Nov 6–08, 2025
Deadline: Apr 30, 2025

Beate Söntgen

Die Tagung widmet sich der dynamischen Beziehung zwischen sogenannter „angewandter“ und „freier“ Kunst im frühen 20. Jahrhundert. Es formierten sich international künstlerische Bewegungen, welche die Kunst in den Alltag integrierten und die Grenzen zwischen Kunst und Leben auflösen wollten. Ausgehend von der Arts-and- Crafts-Bewegung in Großbritannien und der Werkbund-Debatte in Deutschland wurde in diesem Zuge das Kunsthandwerk um- und aufgewertet zu einer genuin künstlerischen Praxis.

Auch in gegenwärtigen Kunstdiskursen finden wieder verstärkt Diskussionen um das Kunsthandwerk statt, die sich, aus verschiedenen Perspektiven, entschieden gegen Hierarchisierungen wenden, wie u.a. die jüngste Biennale di Venezia, nicht zuletzt durch die Weitung des Blicks über europäische und US-amerikanische Horizonte hinaus. Theoretische Auseinandersetzungen wie etwa die “Craft Theory” grenzen sich wiederum von dezidiert künstlerischen Praktiken, vom Kunstbegriff und von der Zuordnung zur “High Art” ab und fordern einen eigenständigen Bereich.

Die meisten avantgardistischen Bewegungen im frühen 20. Jahrhundert fokussierten in ihren Entwürfen für Gebrauchsgegenstände ebenfalls das Verhältnis von Form und Funktion, um auf diese Weise gestaltend in die Lebenswelt einzugreifen. Die Tagung hingegen nimmt Künstler:innen und Gruppierungen in den Blick, deren Arbeiten auch in angewandten Bereichen einem emphatischen Kunstbegriff verpflichtet blieben. Daher schlagen wir die Formulierung “Künste im Gebrauch” vor. Diese gestalterischen Praktiken positionierten sich an der Schnittstelle zwischen “freier” und “angewandter” Kunst und wurden, wie das Kunsthandwerk insgesamt, auch aufgrund ihrer uneindeutigen Position in der kunsthistorischen Forschung wenig berücksichtigt.

Künstler:innen des Jugendstils oder der Wiener Werkstätten, die Mitglieder der „Brücke“, des „Blauen Reiter“, der „Nabis“, der Bloomsbury Group, aber auch einzelne Künstler:innen wie Pablo Picasso oder Gustav Klimt beschäftigten sich intensiv mit dem “Kunsthandwerk”. Allen gemeinsam ist die Betonung einer künstlerischen Ausrichtung der Gestaltung, die nicht auf Funktionalität orientiert ist. Die Arbeiten waren auch nicht für serielle Fertigung bestimmt und sind daher abzugrenzen vom Bauhaus und von jenen Strömungen, die in das (Industrial) Design etc. münden. Formen, Medien und Motivationen unterscheiden sich indes bei den Künsten im Gebrauch. Auffällig ist die Vielfalt an Genres und Medien, von Textilien und Möbelbau über Keramik bis hin zu Schmuck, Gebrauchsgrafik, Bühnenbildern und Kostümen. Die meisten dieser Arbeiten operierten über etablierte Gattungsgrenzen hinweg.

Die Tagung untersucht die Wechselwirkungen zwischen den Feldern “hohe” und “angewandte” Kunst, die sich um 1900 zu verschleifen begannen. Im Zentrum steht die wechselseitige Annäherung der Praktiken und Diskurse.

Zentrale Fragen lauten: Welche Formen, Medien, Materialien wandern um 1900 zwischen den beiden Bereichen der “angewandten” und der “freien” Kunst und welche diskursiven Verschleifungen gibt es in der Rede über diese Produkte? Wo lernten die Künstler:innen mit Holz, Ton, Metall oder Textilien umzugehen? Und was interessierte sie an dem Umgang mit diesen Materialien? Stammen Entwurf und Ausführung aus einer Hand? Und welche Bedeutung ergibt sich daraus für das Werk? Welche Rolle spielten soziale und ökonomische Bedingungen für die Produktion von Künsten im Gebrauch zu Beginn des 20. Jahrhunderts? Welche Netzwerke und Diskurse prägten das Verhältnis der Künstler:innen wie der Sammler:innen und Mäzen:innen zu den Künsten im Gebrauch? Gab es programmatische Stellungnahmen, etwa zur Einheit der Künste oder zur Verschleifung von Kunst und Leben? Mit welchen künstlerischen Strategien wurde diese im jeweiligen Gebrauchszusammenhang umzusetzen versucht? In welcher Weise leisteten die Künste im Gebrauch einen Beitrag zu ästhetischen oder gesellschaftlichen Veränderungen?

Ziel der Tagung ist es, den Nexus von Produktionsbedingungen, ästhetischen Strategien und angestrebten Wirkungsweisen in diesem Grenzbereich zu beleuchten. Die Tagung findet in Berlin statt und wird veranstaltet vom DFG-Sonderforschungsbereich Intervenierende Künste (Freie Universität Berlin, SFB 1512, TP A06: Künstlerische Lebensform als Intervention, PI: Beate Söntgen, Leuphana Universität) in Kooperation mit dem Brücke-Museum, Berlin (Lisa Marei Schmidt, Direktorin).

Entlang von drei geplanten Panels können folgende Aspekte thematisiert werden:
• "Wohnwelten": Gestaltung von Möbeln, Textilien, ganzen Wohnräumen; raumbezogene dekorative Malerei.
• "Arbeitswelten": Ökonomische und künstlerische Produktionsbedingungen; Erlernen kunsthandwerklicher Fertigkeiten; Arbeitsteilung; Ateliersituationen.
• "Beziehungswelten": Künste im Gebrauch, wie etwa Schmuck oder Textilien, als beziehungsstiftendes Tauschobjekt; Auftragsarbeiten für Sammler:innen, Mäzen:innen; Gebrauchsgrafik als netzwerkbildendes Kommunikationsmedium.

Die deutschsprachige Tagung strebt eine inter- und transdisziplinäre Perspektive an und begrüßt Beiträge aus Kunst-, Design-, Theater- und Kulturwissenschaften, aus der Soziologie und den Wirtschaftswissenschaften sowie aus der Entwurfs- und kuratorischen Praxis. Reisekosten und Unterkunft werden gemäß des Bundesreisekostengesetzes erstattet. Wir erbitten Abstracts zu Fallstudien und/oder zu theoretischen Überlegungen.

Bitte senden Sie Ihr Abstract (max. 2.500 Zeichen) bis zum 30. April 2025 an Hanna Schwarzenberg (hanna.schwarzenbergleuphana.de). Die Vorträge sollen 20 Minuten umfassen. Eine schriftliche Skizze (5-6 Seiten) soll drei Wochen vor der Tagung unter den Beitragenden zirkulieren. Die Tagung wird vom 6.-8. November 2025 in Berlin stattfinden. Die Manuskripte (25.000 Zeichen und maximal 8 Abbildungen) für die geplante Publikation werden bis 15. Dezember 2025 erbeten.

Reference:
CFP: Lebenswelten schaffen: Künste im Gebrauch (Berlin, 6-8 Nov 25). In: ArtHist.net, Feb 3, 2025 (accessed Feb 14, 2025), <https://arthist.net/archive/43864>.

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