CFP 14.01.2025

Konzepte des Virtuellen für die Vormoderne (Krems, 6-8 Nov 25)

IMAREAL, Krems an der Donau, 06.–08.11.2025
Eingabeschluss : 05.02.2025

Heike Schlie
Konzept: Institut für Realienkunde des Mittelalters und der frühen Neuzeit (IMAREAL), Universität Salzburg.
Organisation: Sabine Miesgang, Heike Schlie.
Angesichts eines zunehmenden kulturwissenschaftlichen Interesses an historischen Formen der Virtualität, ausgelöst vor allem auch durch die Präsenz des Begriffs im lebensweltlichen Alltag der Gegenwart, scheint der Zeitpunkt für eine Bestandsaufnahme und synergetische Zusammenführung bisheriger Forschung und Überlegungen sinnvoll. Der Begriff Virtualität wurde vor allem in Anlehnung an philosophische Konzepte behandelt – rezent etwa von Julia Weber, die eine longue durée des philosophischen Diskurses rund um die Existenz und das Wirken virtueller Kräfte vorgelegt hat. Die Formel einer systematischen Philosophie, so zum Beispiel Deleuzes aristotelisches Verständnis des Virtuellen als ein Potenzial (δύναμις, virtus), das real wirkt, indem es auf seine Aktualisierung verweist, entstammt einer metaphysischen Vorstellung dessen, was sich und wie sich etwas in der Welt bewegt und Gestalt annimmt. In diesem Sinne hat jedwede Existenz (Dinge, Handlungen etc.) eine virtuelle Vorform. Nun stellt sich die Frage, ob und wie eine solche Definition von Virtualität als Analysekategorie für kulturwissenschaftliche Studien nutzbar gemacht werden kann, oder ob Letztere zum Erkenntnisgewinn einen anderen Zugang zur Frage der historischen Formen der Virtualität benötigen. Hinzu kommt, dass der Begriff eine weitläufige umgangssprachliche Verwendung entwickelt hat. Denn, nota bene, selbst für die Gegenwart gibt es kein einheitliches Verständnis des Begriffs Virtualität. Auf die Frage „Was ist an einer Online-Konferenz virtuell?“ würde man vermutlich überraschend divergierende Antworten erhalten: die Konferenz selbst, der Modus der Kommunikation, der Raum der Zusammenkunft, die eigene Anwesenheit und/oder die der Teilnehmenden etc. Zudem findet im Bereich der Digital Humanities in einigen Fällen eine Gleichsetzung der Begriffe „virtuell“ und „digital“ statt.
Die umfangreiche Begriffsgeschichte wirft entsprechend die Frage auf, ob kulturwissenschaftliche Forschung sich eher an der jeweils zeitgenössischen, historischen Verwendung der Begriffe „virtus“ bzw. „virtualiter“ orientieren sollte, oder an Vorformen derjenigen Phänomene, die wir heute unter den Bedingungen der Digitalisierung mit einem Begriff der Virtualität verbinden. Welche vormodernen Phänomene lassen sich sinnvoll und mit Mehrwert mit der Analysekategorie „Virtualität“ erfassen, evaluieren und verstehen? In welchem Verhältnis steht die Virtualität gegenüber anderen Begriffen und Konzepten (etwa Medialisierung)?

Um den Mehrwert einer Analysekategorie „Virtualität“ herauszuarbeiten, braucht es eine Abgrenzung von Konzepten wie dem der „Fiktionalität“, „Medialität“, „Idea“, des „Imaginären“ oder des „Ephemeren“. Zudem gilt es, das Verhältnis von „Virtualität“ und „Transzendenz“ für das christliche Mittelalter zu bestimmen. Andere im Raum stehende Konzepte sind das „Potenzielle“ und die Evokation der Präsenz von etwas Abwesendem im Surrogat. Abweichende Konzepte sind auch dort in der Forschung festzustellen, wo ein Gegensatz zum Virtuellen formuliert werden soll. Weder das Reale noch das Materielle können wir der Virtualität antagonistisch gegenüberstellen. Auch scheiden sich die Geister an den paradigmatischen Exempla des Virtuellen, wenn zum Beispiel das Spiegelbild oder das eucharistische Dogma der Transsubstantiation herangezogen werden, um (nach Gilles Deleuze) zu zeigen, dass sich das Virtuelle nicht durch das, sondern am Material aktualisiert (Denis Berthier).

Die Veranstaltung steht im Kontext der Forschungsperspektive „Sensing Materiality & Virtuality“ am Institut für Realienkunde des Mittelalters und der frühen Neuzeit (IMAREAL), welches sich dem Spannungsverhältnis von Materialität und Virtualität und der Rolle der Sinne in entsprechenden Wahrnehmungs- und Sinngebungsszenarien widmet (sensing). Erwünscht sind Beiträge (max. 20 Minuten) aus allen kulturwissenschaftlichen Disziplinen zu Gegenständen des Mittelalters und der Frühen Neuzeit, wobei der Fokus auf einer Reflexion des/der angewandten oder auch im Beitrag diskutierten Virtualitätskonzepte liegen sollte. Der öffentliche Workshop soll der Diskussion dementsprechend genügend Raum bieten.

Schicken Sie Ihr aussagekräftiges Abstract (max. 2.000 Zeichen), in dem die Auseinandersetzung mit spezifischen Virtualitätskonzepten bereits sichtbar werden sollte, bis 5. Februar 2025 an sabine.miesgangplus.ac.at oder heike.schlieplus.ac.at. Reisekosten werden bei Bedarf übernommen.


Weiterführende Links:
Sensing Materiality and Virtuality: https://www.imareal.sbg.ac.at/forschungsperspektiven/sensing-materiality-and-virtuality/

Quellennachweis:
CFP: Konzepte des Virtuellen für die Vormoderne (Krems, 6-8 Nov 25). In: ArtHist.net, 14.01.2025. Letzter Zugriff 15.01.2025. <https://arthist.net/archive/43698>.

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