(un-)ersetzlich. Praktiken, Normen und ästhetische Rahmungen der Substitution.
Ersatzpraktiken und -prozesse laufen im Alltag häufig reibungslos ab, wenn der Ersatz als besser, gleichwertig oder zumindest notwendig empfunden wird. Konfliktreicher verlaufen diese hingegen dann, wenn es sich um eine Substitution handelt. Diese Form des Ersatzes findet häufig im Rahmen von technischen Innovationen statt oder reagiert auf Mangel, unerfüllte sowie unerfüllbare Wünsche, neue Lebenskonzepte und Ideale des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Kennzeichen der Substitution ist dabei, dass der Ersatz wesentlich anders ist als dasjenige, das es zu ersetzen gilt. Debatten um Substitutionen werden deshalb häufig von Fortschritts- und Verlustnarrativen sowie Fragen über das Verhältnis von ›Original‹ und ›Kopie‹ geprägt. Substitutionen bieten deshalb nicht nur Potenziale, sondern erzeugen auch Widerstände und sind Grundlagen für Konflikte, bei denen Positionierungen eingefordert werden.
Dabei stellen insbesondere aktuelle Transformationsbedarfe die Gesellschaft, Politik und Wirtschaft im Alltag permanent vor die Aufgabe, Praktiken und Normen zu überdenken und im Idealfall Lösungen zu finden, an deren Ende unter Umständen ein Verzicht oder ein adäquates Substitut steht. Die Tagung wird den Logiken von Substitutionen nachspüren, indem einzelne Prozesse auf der Mikroebene untersucht und auf ihr Potenzial für eine generelle Theoretisierung des Substituts befragt werden. Wann wird Ersatz sehnsüchtig gewünscht oder lautstark eingefordert und wann wird er als undenkbar sowie gefährlich abgelehnt? Wer schlägt Ersatz vor und wie wird hierbei argumentiert, wer kann ihn durchsetzen und wer evaluiert ihn? Welche Bedeutung haben ästhetische und narrative Rahmungen? Nach welchen Vorstellungen und Kriterien werden Dinge durch andere substituiert und wann gelten diese als (un-)ersetzlich?
Diesen Fragen wird sich die Tagung aus historischer und gegenwärtiger Perspektive nähern, mit Beiträgen aus der Kunstgeschichte, den Geschichtswissenschaften, der Empirischen Kulturwissenschaft, den Sprach- und Literaturwissenschaften, der Soziologie und den Musik- und Medienwissenschaften.
KONTAKT UND ANMELDUNG
Da die Tagung hybrid konzipiert ist, können Sie auch online über Zoom teilnehmen. Die Anmeldung erfolgt über die Homepage der Stiftung: https://ils-stiftung.de/aktuell/tagung/
Leitung: Ramona Berbercuma, Leonid Malec, Laura Völz
Veranstalter: Die Tagung findet im Rahmen des Forschungsprojekts „(un-)ersetzlich“ der Isa Lohmann-Siems Stiftung statt.
E-Mail: ilss-substitutionenposteo.de
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PROGRAMM
// // Freitag, 7. Februar 2025 // //
9:30 Begrüßung und Einführung
ÄSTHETISCHE UND NARRATIVE RAHMUNGEN DES SUBSTITUIERENS
10:00 Ramona Berbercuma (Hamburg): Im Kleinen ein ganzes Museum. Die Kunstpostkarte als Substitut?
10:45 Elisabeth Riahi (Hamburg): Zukunft im Fokus. Die Vermittlung einer neuen Welt als Substitut für die Nachkriegsgegenwart durch die Kinderfotografien in Children of Europe
11:30 Kaffeepause
12:00 Katrin Trüstedt (Berlin): Wer spricht für Gaia? Zu den Rechten der Natur und ihren Vertretungen
12:45 Ingo Uhlig (Halle): Heroische und experimentelle Substitution. Energiewende-Narrative in den 2010er Jahren
13:30 Mittagspause und Führung durch das Warburg-Haus
ETHIKEN DES SUBSTITUIERENS: AUSHANDLUNGEN VON HEGEMONIEN UND WIDERSPRÜCHEN
14:30 Valeska Flor (Tübingen): Subsistierte Landschaft der Erinnerung: Das rheinische Braunkohlerevier im Spannungsfeld von Umsiedlungs-, Strukturwandel- und Klimafragen
15:15 Laura Völz (Hamburg): „… das Adoptivkind darf niemals ein Ersatz sein“. Substitution als umkämpftes Konzept in Adoptionskontexten
16:00 Kaffeepause
16:30 Carolin Müller-Spitzer (Mannheim): Genderinklusive Sprache im Deutschen: Diskussionen um Substitutionspraktiken und (nicht) gehörte Stimmen
17:15 Frank Wilde (Berlin): Strafe als Ersatz und Ausgleich
18:00 Apéro
// // Samstag, 8. Februar 2025 // //
PROZESSE DES SUBSTITUIERENS: (MISS-)ERFOLGE UND (DIS-)KONTINUITÄTEN
10:00 Yasemin Gökpinar (Hamburg): Ersatzlos gestrichen? Wie al-Urmawī (gest. 1294) al-Fārābīs (gest. 950) Großes Buch über Musik ablöste
10:45 Antonia Putzger (Düsseldorf): Verlässliche Notationen? Wie druckgraphische Vorlagen gezeichnete Musterbücher und Entwürfe ersetzten
11:30 Dominik Schrey (Siegen): Der Mythos des totalen Backups, oder: Fantasien der Wiederherstellung
12:15 Imbiss
12:45 Paulina S. Gennermann (Marburg): Kein Geschmack wie jeder andere – Vanillin im 20. Jahrhundert
13:30 Leonid Malec (Hamburg/Wolfenbüttel): Zeiten der Frömmigkeit. Vom Stundengebet zur Uhrandacht und zurück
14:15 Fazit und Abschluss mit Sonja Windmüller (Kiel)
Reference:
CONF: (un-)ersetzlich. (online/Hamburg, 7-8 Feb 25). In: ArtHist.net, Jan 13, 2025 (accessed Jan 15, 2025), <https://arthist.net/archive/43673>.