„Der Blick zurück in die Zukunft“ – Der Umgang mit sensiblen und kontroversen Denkmälern an Universitäten.
Hochschulen besitzen einen besonders heterogenen Bestand an Kunstwerken, der mit ihren Gebäuden und ihrem Außenraum unmittelbar verbunden ist. Ebenso ist dieser mit der Geschichte der Institution verbunden und verweist mit seiner Kunst auf dem Campus auf verschiedene Zeitschichten, auf politische und historische Implikationen. Das Selbstverständnis der Hochschule mit ihrer Vergangenheit, ihren Werten, (historischen) Belastungen und personellen Verstrickungen wird sehr unterschiedlich artikuliert – ein Umgang, der sich nicht zuletzt auch in aufgeheizten Debatten oder lautem Schweigen zu ihren Denkmälern manifestiert. Insbesondere, wenn Personen mit problematischen Biografien geehrt werden oder Objekte aus politisch umstrittenen Dekaden ein bestimmtes Weltbild repräsentieren, stellt sich die Frage nach einer angemessenen Erinnerungs- und Denkmalkultur. Während Denkmalstürze von kolonialen Herrschern oder Generälen in der Öffentlichkeit und den Medien viel Aufmerksamkeit erhalten haben – vor allem seit dem Mord an George Floyd 2020 in Minneapolis, USA, und den Protesten der Black-Lives-Matter-Bewegung –, kommen entsprechende Vorgänge an Hochschulen eher selten und nur vereinzelt vor. Dies mag mit der generellen „Unsichtbarkeit“ von Kunstwerken auf dem Campus zusammenhängen, ihrem zuweilen schlechten Erhaltungszustand und den häufig fehlenden leicht zugänglichen Informationen. So sind es immer wieder Einzelinitiativen, die sich gegen bestimmte Objekte richten und einen auch öffentlich geführten Diskurs anstoßen beziehungsweise manchmal erzwingen.
Das Hermann von Wissmann-Denkmal, ein 1909 geschaffenes Kolonialdenkmal für Daressalam, 1922 vor dem Hauptgebäude der Universität Hamburg nach dem Verlust der Kolonien platziert, wurde bereits 1967 besprüht und gestürzt, jedoch umgehend wieder aufgestellt. Erst ein zweiter Versuch 1968 brachte den deutschen Kolonialoffizier endgültig zu Fall. Bis heute vermisst man einen konsensfähigen Umgang, eine kritische Aufarbeitung und Einordnung mit dem in verschiedenen Ausstellungen gezeigten, ansonsten aber eingelagerten Objekt.
Das Jenaer Burschenschaftsdenkmal geriet als Symbol übersteigerten Nationalismus' in die Kritik und wurde nach einem Farbanschlag 2011 und einer anschließenden Reinigung in einer dauerhaften Einhausung dem öffentlichen Blick entzogen.
Zehn Studenten der Freien Universität Berlin, die 1950-52 von der DDR-Staatssicherheit verhaftet und in Russland erschossen wurden, wurde ein von der Investmentbank Sal. Oppenheim gestiftetes Denkmal gesetzt. Die „Perspektiven“ von Volker Bartsch wurden 2007 – in Anwesenheit des Staatsministers bei der Bundeskanzlerin und Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Bernd Neumann, des Präsidenten des Abgeordnetenhauses Berlin, Walter Momper, und der Schauspielerin Anna Thalbach – eingeweiht und den ermordeten Erststudenten ebenso gewidmet wie dem Engagement für die freiheitlichen Werte der FU.
Aus Anlass des Abrisses des Universitätsgebäudes am Leipziger Augustusplatz 2006 musste das riesige Relief „Aufbruch“ von Klaus Schwabe, Frank Ruddigkeit und Rolf Kuhrt weichen. Nach heftigem Streit – medial befeuert auch in der Stadtöffentlichkeit – um dieses bis heute politisch aufgeladene Artefakt Leipziger Universitätsgeschichte wurde es am Stadtrand, bodennah und mit einer erläuternden Tafel versehen, wieder aufgestellt.
Die monumentale Marx-Büste von Lew Kerbel vor der TU Chemnitz scheint hingegen von der Stadtgesellschaft als Identifikationsfigur akzeptiert zu sein. 2008 wurde sie im Rahmen eines Kunstprojekts verhüllt, zuletzt von der Fakultät für Maschinenbau digitalisiert und in verschiedenen Größen und Materialien 3D-gedruckt.
Diese und andere Vorgehensweisen verlangen nach grundsätzlicheren Überlegungen im Umgang mit dem schwierigen – oder: des Streitens wertes – ästhetischen Erbe an Hochschulen. Neben den Fragen
nach Erhaltung, Deponierung oder Versetzung geht es vor allem auch um den Prozess der Aushandlung. Wer wird auf welche Weise eingeladen, sich – inhaltlich fundiert, aber ebenso auch emotional motiviert – mit dem Werk auseinanderzusetzen? Welche Rolle spielen genuin ästhetische oder kunsthistorische Kategorien? Wer entscheidet, welche Form von Erinnern, Vergessen, Aneignung oder Ablehnung gewählt wird? Wer setzt also die Koordinaten für das Wertesystem, an dem sich der Aushandlungsprozess abarbeiten kann? Wie lässt sich verhindern, dass dadurch neue Machtstrukturen etabliert oder alte (durch das Kunstwerk manifeste) perpetuiert werden? Welche Formen der Vermittlung und Partizipation braucht es dafür? Temporäre Interventionen, Gegendenkmale oder erklärende Hinweistafeln scheinen – neben der Entscheidung für eine Entfernung – dafür bisher die Mittel der Wahl. Angesichts einer pluralen heterogenen Gesellschaft, die auch die Hochschulen mehr und mehr prägen, sind konkurrierende Deutungsansprüche wichtiger Bestandteil auch des kritischen Umgangs mit dem Kunstbestand.
Mit Blick auf diese und weitere Fragen richtet die AG Kunst am Bau an Hochschulen vom 22. bis 24. Mai 2025 ihr drittes Werkstattgespräch an der TU Dresden aus. Hierfür erbitten wir kurze Beiträge von maximal 20 Minuten Länge aus der Praxis und mit Beispielen zum Umgang mit dem sensiblen und kontroversen Kunstbestand von Hochschulen und Universitäten. Wir freuen uns auch über den Erfahrungsaustausch mit Künstlerinnen, über studentische Beiträge, Abschlussarbeiten oder Projektvorstellungen. Ebenso sind Beiträge aus dem Bereich Restaurierung und Denkmalschutz willkommen.
Reisekosten der Referentinnen können erstattet werden.
Ihre Vorschläge senden Sie bitte im Umfang von maximal 2000 Zeichen (inkl. Leerzeichen) bis zum 1.3.2025 an:
Gwendolin Kremer, M. A.
Wissenschaftliche Mitarbeiterin Kunstbesitz / Kuratorische Leiterin Galerie der Kustodie im Görges-Bau Kustodie // Sammlungen / Kunstbesitz / Ausstellungen Technische Universität Dresden
T: +49 351 463 36405
Mail: Gwendolin.Kremertu-dresden.de
www.tu-dresden.de/kustodie
Verantwortlich
Gwendolin Kremer (TU Dresden), Dr. Christina Kuhli (Humboldt-Universität zu Berlin), Dr. Michael La Corte (Universität Tübingen)
Eine Tagung der AG Kunst am Bau an Hochschulen an der Kustodie der Technischen Universität Dresden, mit Förderung der Gesellschaft für Universitätssammlungen.
Quellennachweis:
CFP: Der Blick zurück in die Zukunft (Dresden, 22-24 May 25). In: ArtHist.net, 20.12.2024. Letzter Zugriff 21.12.2024. <https://arthist.net/archive/43613>.